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Kunstwart und Kulturwart — 28,1.1914

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Heft 1 (1. Oktoberheft 1914)
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Zeugnisse der Zeit
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https://doi.org/10.11588/diglit.14418#0043

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Zeugnisse der Zeit

Was will diese neue Ab-
teilung?

jagender Eile ziehen Nachrich--
L)ten, Betrachtungen, Berichte in
den Zeitungen und Zeitschriften an
uns vorüber; wir nehmen manches
Wichtige nur flüchtig wahr, verlieren
es auch wohl rasch wieder aus dem
Gedächtnis. Was bleibt, ist nur ein
unbestimmtes Gefühl. Der Festigung
des Bewußtseins von unsrer Zeit
will die Sammlung dienen, die wir
fortan in jedem Heft unter dem Titel
„Zeugnisse der Zeit« zusammenstel-
len. Worte und Ereignisse, die mehr
als eine willkürliche Meinung oder
eine zufällige tzandlung sind, sollen
in loser Aneinanderreihung das We-
sen, die Kräfte unsrer weltgeschicht«
lichen Tage in Spiegelungen fest-
halten.

ZurgeistigenMobilmachung

schreibt Karl Lamprecht in der
„Akademischen Rundschau". Wir
werden nach ihm noch andre „Köpfe^
hören lassen, damit unsre Leser
von der geistigen Bewegung der
Zeit so gut wie möglich unterrichtet
werden:

„Kein Zweifel, daß wir als Na«
tion schon ganz ungeheure Gewinne
zu buchen haben.

Unsre Feinde haben uns in ihrer
(Linschätzung, in der Furcht, uns
einzeln anzugreifen, und die Er-
eignisse haben uns in ihrer wuch-
tigen Sprache zum Weltmachtsvolke
proklamiert; es ist subjektiv an-
erkannt und objektiv erwiesen, daß
wir des Höchsten in dieser Welt
fähig, daß wir zur Weltherrschaft
mindestens mit berufen erachtet
werden. Dies gab den letzten Zeiten
für uns recht eigentlich den Stempel
weltgeschichtlicher Größe, dies wei-

tete jede deutsche Brust und ver-
edelte jedes Gefühl. Mit dem
sichern Vertrauen, daß unser Volk
und daß vor allem sie selbst zu den
Auserwählten gehören, zogen und
ziehen unsre Krieger ins Feld: und
die Ereignisse haben diesen Glau«
ben gestützt und werden ihn bestä-
tigen.

Was dies für einen inneren
Gewinn für die Nation bedeutet,
ist heute noch gar nicht abzusehen.
Es ist ein Umschwung wie der der
Firmung oder der Konfirmation,
wie die Mündigsprechung in alten
Zeiten. Wir waren in den letzten
Iahrzehnten vielleicht zu viel ver-
wirtschaftlicht; die Energie war
mechanisiert; das intellektuelle Leben
nicht frei von Verfallserscheinun-
gen; die Phantasietätigkeit in den
Fesseln einer impotenten, allmählich
verdorrenden Nomantik. Ietzt ist
von alledem keine Rede mehr. Die
neuromantischen Strömungen ver-
laufen sich in Winkelkanäle, aller
Intellektualismus ist abgestreift: frei
flutet ein unendlicher Erguß natio-
naler Energie in den sie bis zum
Grunde durchleuchtenden Strahlen
ethischer Argefühle: ein Volk von
Brüdern sind wir geworden, und
die Empfindung hiervon macht jede
Pflichterfüllung innerhalb des natio-
nalen Organismus geschmeidig, wie
sie den Einzelnen in seinem Wesen
adelt. Es ist, als wäre der Nation
und jedem einzelnen Deutschen der
Ritterschlag hohen Mutes und offe-
nen Denkens geworden."

„And schon nahen sich, zuckend
und ungewiß, und doch mit der un-
mittelbaren Gewißheit der unbewuß-
ten Instinkte der Rassen und großen
Nationen, die Gestalten des Kom-
menden am geschichtlichen Horizonte.
Der deutschen Erhebung steht in

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