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Kunstwart und Kulturwart — 28,1.1914

DOI Heft:
Heft 4 (2. Novemberheft 1914)
DOI Artikel:
Fidus: An die deutschen Künstler
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https://doi.org/10.11588/diglit.14418#0158

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An die deutschen Künstler

ie „Große Berliner", die unter Opfern ihre Pforten dern Volke offen-
d^Hhielt und sogar den Zutritt verbilligte, hatte einen „Kriegssaal"
eingerichtet: sie hatte, um der großen Zeit Rechnung zu tragen,
Sedan-Dioramen wieder ausgestellt. Das „Künstlerhaus" in Berlin hat
„eine Ausstellung zeitgemäßer Bilder" eröffnet — es hat sich ebenfalls
solche Beschränküng auf Schlachtenbilder auferlegt. Wir nehmen sie in
ihrer Sachlichkeit dankbar hin wie auch einige Bildnisse hervorragender
Kriegs- und Staatsmänner.

Aber wir schauen uns um in der Offentlichkeit nach einem vollkünstle-
rischen Schauwerke — ja überhaupt nach einem ernstgemeinten Schau«
werke, welches wirklich aus dem Geiste dieser Zeit herausgeboren
wäre, welches auch nur den zahlreichen wortlichen Kundgebungen unsrer
führenden Geister entsprechen würde, ja welches auch die allmählich lauter
hervorbrechenden Forderungen für deutsche und deutschgesinnte Kunst er-
füllen könnte. Wir schauten danach am ersten Tage des Krieges, und
wir warten, nach über zwei Monaten, noch darauf! Mchts davon. —

Gewiß sieht man schon einige wenige schöne Kleinarbeiten in Druck,
die dem deutschen tzeim für Billiges die Anteilnahme an der Kriegs«
begeisterung widerspiegeln. Man sieht sie, weil sie auch Verkaufs-
gegenstände sind. Der Kunsthandel nimmt sie auf, weil auch damit etwas
„zu machen" ist. Schon gleich nach dem Kriegsausbruche beeilte er sich,
„zeitgemäße Bilder^ zu zeigen, alte Drucke und Originale von Schlachten-
bildern wieder auszukramen. Dann folgte die „zeitentsprechende" Pro-
duktion — Ulk- und Zerrbilder ohne Ende, mit und ohne Witz. Auch
damit war zugleich etwas „zu machen". Und selbst die raschen Mit-
giften besserer illustrierter Blätter für diese überrumpelnden Tage, sie
erhoben sich kaum über die Ebene des Zerrbildes oder der Moment-
aufnahme.

Wo aber sieht man Werke sichtbarer Kunst, die aus eigenster Tiefe
diesen Tagen gerecht würden, die dem Geiste deutscher Zusammenraffung
und germanischer weltbezwingender Wahrhaftigkeit nachgingen oder gar
von jeher mit prophetischer Kraft ihn heraufgefordert hätten? Werke,
die nicht bloß deutsche Gemütlichkeit, die man heute „Stimmung^ nennt,
mit belanglosem Kleinkram herumspielen ließen; die auch nicht seelische
Aberempfindsamkeiten in farbenschimmernden Bilderrätseln ausspännen;

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