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Kunstwart und Kulturwart — 28,1.1914

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Heft 1 (1. Oktoberheft 1914)
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Düsel, Friedrich: Krieg und Theater
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Corbach, Otto: Ostasien und der europäische Krieg
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https://doi.org/10.11588/diglit.14418#0023

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rechne ich auch Stücke wie Gutzkows »Zopf und Schwert", das wir zu unsrer
Verwunderung jetzt plötzlich im Deutschen Theater sahen. Was Reinhardt
und seine Dramaturgen sonst mit drei Kreuzen abgewehrt hätten, jetzt auf
einmal werden ihm Ehrenpforten gebaut. Es mag Gewinn dabei sein,
sicherlich kein Heil und keine Hilfe für das, worum es gilt in diesem Kriege.
Die ganz und gar französische Technik dieses Intrigenstückes möchte hin--
gehen — vielleicht ärgert und ekelt sie nur den Kenner, auf den es nicht
viel ankommt in diesen Tagen —, das Bedenkliche und Verstimmende ist
die kleinbürgerlich-anekdotische Medlichkeit, zu der hier der Hof Friedrich
Wilhelms I. und mit ihm der Begriff Preußen herabgedrückt wird.

Nochmals: wir sollten es aufgeben, immer nur nach zeitgemäßen Be-
ziehungen und Anspielungen zu suchen, die im günstigsten Falle einen
„spontanen Beifall bei offener Szene" hervorrufen; wir sollten zu den
Werken unsrer großen geistigen Führer greifen, die, auch ohne das Wort
Deutschland im Munde zu führen, an der „festen Burg" unsers Vater-
landes mitgebaut haben, die ohne ein einziges lautes Hurra auch jetzt mit
uns kämpfen, mit denen unsre Herzen sich emporschwingen, ohne daß auch
nur bei einer einzigen „aktuellen Stelle" die Hand sich zum Beifall-
klatschen hebt. Friedrich Düsel

Ostasien und der europäische Krieg

^N^eit die japanische Regierung von der deutschen die Auslieferung von
(^^Kiautschau verlangte, spricht man bei uns von den Iapanern als von
^^„Hyänen" und „Schakalen". Aber kurze Zeit vorher wurden alle
Unter den Linden auftauchenden Iapaner bejubelt und manche umarmt,
weil man glaubte, Iapan würde das gegen Rußland tun, was es dann
gegen uns tat. Vielleicht war uns die Belehrung heilsam. Zwischen
Ostasiaten und Europäern kann es einstweilen keine zuverlässige Freund-
schaft geben. Gestern wurden die Russen von den Iapanern aus chinesi-
schem Gebiet verdrängt, heute werden das wir, und was wird morgen?
Die Russen haben ihre Niederlagen in der Mandschurei verschmerzt und
sich mit ihren früheren Feinden verglichen. Die leichte Vergeßlichkeit des
Slawen für empfangene Schläge mag nicht rühmlich sein; hüten wir uns
aber, daß uns der Gedanke an das in China Verlorene nicht zu einem
Vampir werde, wie den empfindlichen Franzosen der Gedanke an das
verlorene Elsaß dazu geworden ist. Es liegt in unserm dringenden
Interesse, das Vorgehen Iapans so nüchtern wie nur möglich zu beurteilen.
Die Moral verschwendet leider ihre Beredsamkeit, wenn sie ihre Sache
gegen solche Politik verteidigt, und was für sie selber dabei aus der Ver-
quickung mit Politik herauskommt, das lehrt der Cant der Engländer.

Als die japanische Regierung im Iahre 1895 zu Schimonoseki mit der
chinesischen nach siegreichem Kriege um Frieden unterhandelte, hinderte
sie Rußland, Frankreich und — Deutschland daran, erobertes Land, die
Halbinsel Liautung mit Port Arthur, zu behalten. Deutschland hatte da-
bei die Führung. Dreißig japanische Offiziere nahmen sich aus Wut
hierüber das Leben. Diese Einmischung der drei Mächte in die Händel
zwischen Iapan und China war das Vorspiel zur Besitzergreifung Kiau-
tschaus durch Deutschland, Port Arthurs und Talienwans durch Rußland,
Weiheiweis durch England, Kuangtschoufus durch Frankreich. Aber der
Friede von Portsmouth, in dem das geschlagene Rußland seinem Äber-

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