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Kunstwart und Kulturwart — 28,1.1914

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Heft 1 (1. Oktoberheft 1914)
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Avenarius, Ferdinand: Die neue Zeit
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Avenarius, Ferdinand: Der Geist von heut und die Künste
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https://doi.org/10.11588/diglit.14418#0019

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der Deutschheit eine unschädliche, geschichtlich erklärbare Kuriosität sein.
Sie sind fortan in jeder Hinsicht gleichberechtigte Volldeutsche mit uns.

Dann: wenn die politische Notwendigkeit ergibt, daß wir andre Völker
in unserm Staate haben, so hat das Verhalten der Polen bewiesen,
daß eben das auch genügt. Es hat sich kein Grund gezeigt, sie auch zu
unsrer Kultur zu zwingen. Unsre Kultur soll derart sein, daß ihr Inter «
esse sie zum Deutschtum stellt und derart, daß ihrem Fühlen das möglich
ist. Beides dürfte sich als Folge dieses Aufschwungs von selbst ergeben.
Unser Verhalten zu der kleinen Zahl der Deutsch-Dänen wird sich
auch noch aus andern Gründen ändern, da hier höchst ernste Fragen
einer germanischen Gesamtpolitik hineinspielen. Auf die kommen wir
zurück.

Die weitaus wichtigste Frage der nationalen Kultur ist aber die: wie-
viel von der Art des Denkens und Fühlens von heut wir in den Frieden
hinüberretten. Von diesem Geiste, der das Einzelne als Nebensache,
das Große als das Wichtigste ganz unmittelbar, fast darf ich sagen:
religiös empfindet. Der es in sich erlebt, daß die Mitarbeit an den
großen Aufgaben seines Volkes auch der größte persönliche Segen für
ihn, den Einzelnen, daß sie dasjenige ist, was ihn, den Einzelnen, über sich
selbst hinaus erhöht.

Es ist über alles bisherige Möglichhalten, über alles Vorstellen und
Ahnen groß, welcher Morgen für uns Deutsche heraufgeleuchtet ist. Der
größte Tag des Deutschtums, er ist da, des Germanentums, vielleicht
der Weltgeschichte. Bis jetzt fand die Stunde uns dessen würdig. Bleiben
wir das, so kann wahr werden, was uns selber vor kurzem noch wie eine
Phrase, bestenfalls wie eine schöne Träumerrede erschien: daß am deut-
schen Wesen die Welt genesen kann. A

zurück.
rung!"

Der Geist von heut und die Künste

ie diese tzoch-Zeit des Fühlens unser Verhältnis zu den Künsten
verändert hat, das ist mit einem Worte zu beschreiben: die
Lebenswerte treten vor. Also: die Artistenwerte treten
„Wie fein die Valeurs hier stehn!", „Wie elegant die Lichtfüh-
„Wie geschmackvoll dieses Gelb gegen das Grün!^ — sreilich, aber
uns erregt das jetzt nicht sehr. So lange die Kanonen donnern, gehn uns
nicht einmal Fragen, wie: ob man die Landschaft pointillistisch in Punkte
auflösen, die Menschen kubistisch vierteilen und die Köpfe futuristisch unter
Glas setzen „dürfe", so recht ins Innerste des Gemüts. Später, meine
tzerren, darüber später! Aber wenn Ihr uns jetzt etwas zu sagen habt, das
uns seelisch etwas gibt, das uns ethische Werte vermittelt, wie sie draußen
in den großen Ereignissen walten oder früher in solchen gewaltet haben,
so gebt sie uns! And gebt uns auch das Friedliche und gebt uns auch das
Kleine dazu, sofern sich nur ein Strahl von echtem innerlichen Leben
drin spiegelt! Ietzt sind unsre tzerzen offen.

Dieser Sinneswandel im Verhältnis zur Kunst ist kerngesund. Denn ob
sie tnale, zeichne, schreibe, singe, Töne setze, Bauten füge: der Drang, der
sie erzeugt hat, und ihr Wert für die Entwicklung der Kultur als der
 
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