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Kunstwart und Kulturwart — 28,1.1914

DOI Heft:
Heft 5 (1. Dezemberheft 1914)
DOI Artikel:
"Denkt an die hungernden Schriftsteller": und dabei noch an einiges andre!
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Bonus, Arthur; Avenarius, Ferdinand: Vom Aufklären und von Karikaturen
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https://doi.org/10.11588/diglit.14418#0203

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ich viel lieber als Kellner oder Straßenbahner ginge. Ich denke zudem
Tag und Nacht darüber nach, ob ich nicht doch auf irgendeine Weise mit
hinaus kann. Aber ich habe nichts anderes zum Lebensunterhalt gefunden,
und meine Familie zu erhalten, ist auch eine Pflicht."

Da begegneten wir uns auf dem Boden unsrer eigentlichen Äberzeu--
gungen. And erkannten mit einem Male, wie das gleiche Leid und das
gleiche Verhängnis uns Schriftsteller alle umfaßt, die wir aus
irgendeinem Idealismus uns diesem Berufe anvertraut haben. Ihn, den
Beruf, anzuerkennen und zu ermöglichen, so wie er ausgeübt werden
müßte, das ist Forderung der Kultur eines Volkes, aber das Volk
erkennt das noch nicht. Wir alle, die wir's ernst meinen, wir sind zu früh
geboren. So versuchen wir's aus unserm ehrlichen Drange heraus und
sehen uns dann alle eines Tages um die Möglichkeit betrogen, so zu
schaffen, wie wir allein nützen könnten: frei. Anser Volk begreift es noch
nicht, daß es neben Zeitvertreibern auch Schriftsteller braucht, welche die
Frager, Sucher, Pfadfinder, Roder, Wegbauer seiner Kultur, welche die
Soldaten seines Geistes sind. Wird der Ernst dieser Zeit dazu führen,
daß es die Gedanken der Volkswirtschaft mit geistigen Gütern begreift,
die Avenarius an dieser Stelle so oft verfochten hat? Bur dann werden
wir auch nach dem Frieden nach jedem Feinde hin unsern Mann stellen
können. --x—

Vom Aufkläre» und von Karikaturen

^^ie Aufklärung des Auslands über den Lügenfeldzug, der gegen uns
^H^geführt wird, gehört recht eigentlich zu dem Teil des Krieges, den
wir zu tzause Gebliebenen zu führen haben. Sie ist aber nicht ganz
so leicht, als man sich solche Dinge gemeinhin vorstellt. „Man sagt eben
einfach die Wahrheit!" Ganz recht; nur ist das „Einfache" immer das
Schwerste. Die Frage ist, wie man die Wahrheit „einfach" sagen kann,
das heißt so, daß sie als die einfache Wahrheit, die sie ist, auch beachtet,
gehört, geglaubt wird. Man kann jeder Lüge einzeln nachgehen, jede
Tatsache einzeln zurechtstellen, ohne daß es das Geringste hilst. Auch
der Gutwillige, wenn die Berichtigung nicht haftet, liest die Lügen seiner
Zeitung weiter, höchstens mit der allgemeinen Verwahrung, daß — wie
ja auch in Friedenszeiten — Papier geduldig ist.

And auch darauf ist sehr mit Recht hingewiesen worden, daß die Viel-
geschäftigkeit im Aussenden von Belehrungen und Berichtigungen durch-
aus nicht eindeutig gut wirkt. Man merkt die Absicht, und man ist ver-
stimmt.

Mit alledem soll nicht dem Plane einer pünktlichen Gegenüberstellung
von Lüge und Wahrheit widersprochen werden. Eine solche graphische
Darstellung der Lüge würde an sich gut wirken können. Aber auch da:
unser offizieller Berichtigungsstil ist geschraubt und unanschaulich. Die
Berichtigung wirkt meist wie Entschuldigung, und: „wer sich entschuldigt,
klagt sich an". Wer eine Sache am besten weiß, ist noch lange nicht der,
der sie am besten darstellen kann. Laßt's euch etwas kosten und sichert
euch eine Feder, die Figuren zeichnet, statt Worte zu schreiben.

Die meisten Menschen interessieren sich von vornherein gar nicht dafür,
 
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