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Kunstwart und Kulturwart — 28,1.1914

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Heft 5 (1. Dezemberheft 1914)
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Vom Heute fürs Morgen
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Zeugnisse der Zeit
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https://doi.org/10.11588/diglit.14418#0228

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nicht Ruhe oder Leben lieben; im
Zorn sollst du des Erbarmens und
der Gerechtigkeit eingedenk sein. Du
sollst ein Ritter und nicht ein Choo
taw-Indianer sein, wenn du den
Sieg erringen willst! Dies ist das

Gesetz aller Kämpfe, gegen verblen«
dete Mitmenschen sowohl wie gegen
ungekämmte Baumwolle oder was
für Kämpfe es immer sein mögen,
die ein Mensch in dieser Welt zu
bestehen hat. Lhomas Carlyle

Zeugnisse der Zeit

Tsingtau und „Einden"

ufs Gewissen — ist nicht man-
^chem bei Äusbruch des Krieges
der Wunsch gekommen: wenn sich
unsre Kolonien da draußen doch
nicht erst verteidigten! Daß sie
sich nicht halten konnten, war allen
klar — so konnte einem vor Men-
schenopfern grausen, die man für
gänzlich zwecklos hielt. Nun kam
das berühmt gewordene Telegramm
aus Tsingtau, dann begann dort
der Kampf selber— und wem schien
nicht vierzehn Tage nach der Kriegs-
erklärung bereits auch daheim die
Verteidigung „bis zum Letzten"
selbstverständlich, auch wenn sie ganz
und gar „aussichtslos" war? Ieder
von uns wird diese Wandlung in
seinem Kreise beobachtet haben, sie
scheint für die Entwicklung der in-
neren Stärke in unsrer Zeit typisch.

Zu den paar Soldaten waren in
die schwach befestigte Stadt aus
China die jungen Deutschen zusam-
mengeströmt, junge Kaufleute be-
sonders, ohne jeden äußeren Iwang,
ohne jede Aussicht, die Kolonie hal-
ten zu können, mit der größten
Wahrscheinlichkeit, zu sterben oder
zu verderben. Man bot der Be-
satzung unter ganz ungewöhnlich
ehrenden Bedingungen freien Ab-
Zug, sogar Beförderung in ein neu-
trales Land, sie schlug das ab.
Gegen die wenigen Hundert boten
Iapan und England immer mehr
und schließlich das Zwanzigfache an
Zahl auf. Rnd doch glückte die
Einnahme, endlich, nur, weil man
selber tat, was der englische Cant

im Fall Belgien mit tiefster Empö-
rung angeblich zum easuL bslli
nahm, man zog durch neutrales
Land heran.

Wollten wir ins Vergleichen
kommen, so könnten wir viel ver-
gleichen, beispielsweise auch die eng«
lische Verteidigung Antwerpens mit
der deutschen von Tsingtau. Aber
diesmal hat die Geschichte von dem
Heranrufen der Iapaner durch Eng-
land an bis zum Falle der Festung
mit solcher Klarheit gesprochen, daß
jedes Kind die Dinge in der armen
Medrigkeit dieses Raubzuges wie in
der Vornehmheit der deutschen
Tat von selber im rechten Ver-
hältnis sehen wird, wenn die Dünste
der Lügen und der Befangenheit
erst verraucht sein werden. Den
Toten und den Äberlebenden von
Kiautschau wird das Vaterland
durch die IahrhunderLe dankbar
sein, denn sie haben in Ostasien
eindringlich gezeigt, was „deutsch"
bedeutet. Vielleicht aber danken
ihnen noch einmal die Kulturvölker
alle. Wenn die Geschichte der Zu-
kunft sich nicht nach dem entwickelt,
was der Krämer- und Banausen-
geist „nützlich" nennt, wenn sie auf-
wärts führt, dann wird man ihrer
gedenken als echter tzerrenmenschen,
welche die wirkende Kraft idealer
Werte auch für unsre Tage unwider-
leglich bewiesen haben.

Auch daß die „Emden" todge-
weiht war, wußten die Feinde und
wußten wir Deutschen alle. Wir
danken ihr nicht dafür an erster
Stelle, daß sie ihren Wert so viel-
 
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