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Kunstwart und Kulturwart — 28,1.1914

DOI Heft:
Heft 5 (1. Dezemberheft 1914)
DOI Artikel:
Häfker, Hermann: Der Krieg und die Kinematographie
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https://doi.org/10.11588/diglit.14418#0210

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Der Krieg und die Kinematographie

>^chon lange vor dern Kriege gab es besonders in Deutschland und den
l^^skandinavischen Ländern eine lebhafte Reformbewegung, um die Kine-
^^matographie ihren aus ihrem Wesen gefolgerten würdigen Zwecken
und Verwendungsmöglichkeiten zuzuführen. Zugrunde lag diesen Bestre-
bungen die Äberzeugung, daß die Kinematographie, bei sachgemäßer, ge-
wissenhafter und geschmackvoller Aufnahme und Vorführungsart, ein wert-
volles Hilfsmittel verschiedener Wissenschaften, des Anterrichts und der
im weiteren Sinne ästhetischen Volks- und Iugendbildung und geist-
fördernden Unterhaltung darstelle. Lag der tzauptwert des kinematogra-
phischen Bildes in seiner sachlichen Echtheit, so blieb doch darüber hinaus
auch reichliche Gelegenheit zur Bewährung guten Geschmacks und selbst
künstlerischer Grundsätze. Im Feuer zahlreicher Auseinandersetzungen,
deren Unbefangenheit und fachmännischer Ernst vor allem durch die Ver-
öffentlichungen des Verlages der Lichtbilderei in München-Gladbach sicher-
gestellt waren*, hatten sich zuletzt gewisse Grundsätze herausgestellt. Ihre
allgemeine Anerkennung durch alle Berufenen durften wir von dem
„Kongreß für Volks- und Iugenderziehung" erwarten, der für den
September in Leipzig geplant war. Ich glaube allgemeiner Zustim«
mung sicher zu sein, wenn ich diese Grundsätze, abgesehen zunächst von
den an sachgerechte Aufnahmen zu stellenden Forderungen, so aus«
drücke:

Die Wesensaufgabe der Kinematographie sehen wir in der Schöpfung
urkundlich echter Wiedergaben von „wirklichen" Erscheinungen und Vor-
gängen in Natur und Menschenleben.

Phantasiebilder sind zwar auch in einer allen Geschmacksansprüchen
gerechten Form denkbar, aber, da sie eben solchen Ansprüchen unter
sehr erschwerenden technischen Bedingungen zu genügen hätten, auf jeden
Fall nur selten und in einer verhältnismäßig geringen Zahl möglich.
Das bisherige Verhältnis, wonach die gesamte Kinogeschäftsorganisation
auf der Vorführung fast ausschließlich solcher, jährlich nach vielen Tausen-
den zählenden Erzeugnisse beruht, ist unnatürlich und die Ursache des
Tiefstandes der Kinematographie.

Die Kinematographie ist an ihren Platz als eine ästhetisch unselb-
ständige Abart der photographischen Projektionskünste zu verweisen, die
selber wieder nur ein tzilfsmittel des lebendigen Vortragswortes sind.
Iedes Kinobild bedarf an sich der sinnlichen und geistigen Vorbereitung
und Erläuterung durch Worte und meistens auch Lichtbilder und andere
tzilfsmittel. Mcht die Vorführung von Filmen an sich, sondern nur ein
aus Vortrag, Lichtbildern, Filmen und gegebenenfalls andern Bestand-
teilen (wie Musik) zusammengesetztes Programm ist die in Betracht kom-
mende ästhetische Einheit. Daraus folgt, daß die „Kinotheater",
wenn sie gesunden wollen, sich ihrem Wesen nach in Projektions-Vor-
tragsstätten verwandeln müssen.

Der Verwirklichung dieser und aller andern Kinoreformforderungen stand
vor dem Kriege ein vollkommen unüberwindliches tzindernis entgegen:
eine überaus kapitalkräftige und in ihrer Art bewundernswürdige Welt-
geschäftsorganisation der Kinematographie. Ihre tzebel ruhten
fest in den tzänden der wenigen internationalen Filmfirmen, denen gegen-

^ Seine Zeitschrift „Bild und Film" erscheint auch jetzt weiter.

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