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Kunstwart und Kulturwart — 28,1.1914

DOI Heft:
Heft 1 (1. Oktoberheft 1914)
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Avenarius, Ferdinand: Die neue Zeit
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https://doi.org/10.11588/diglit.14418#0016

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„Rriegsausgabe" kommt hier zum ersteumal zu
H Döen Lesern. Varum sich öer verlag zu üem ,un-
geheuerlichen wagnis" öer preisherabsetzung von
4 !N. 50 pf. auf 2 M. 2S pf. entschloß, üas haben wir öen
alten Lesern im vorigen Hefte gefagt. Neil wir glauben,
üaß öer Runftwart, wenn er zu irgenüeiner Zeit nötig war,
jetzt nötig ist. Weil wir sogar für nötig halten, öaß er
geraöe jetzt ßch noch weit mehr ausbreitet als zur Zrieöens-
zeit. Er foll helfen, aus öieser hohen Aeit -eutjche Kultur
Zu ernten. Er will versuchen, öie Rulturwünjche öer vielen
zu sammeln, öie in seinem Geist ihren eignen fühlen, unö
öaüurch ihren Rulturwillen unö ihre Rulturkraft zu stärken.
Wer ihm vertraut, öer helfe ihn verbreiten. Ich meine,
wo öeutsche Gebilüete wohnen, öahin gehöet er.

Nas wir mit öiesem ersten Hefte bieten, ist ein finfang.
Nun wollen wir weiter arbeiten. Ierö. sivenarius

Die neue Zeit

^^^.or dem Kriege — wie lange ist das her, sechs Wochen oder sechs
(gahre? — vor dem Kriege erschien es so:

Inmitten Europas im Deutschen Reich arbeitete unermüdlich ein
fleißiges Volk. Es war schon lange nicht mehr das Volk nur der Dichter
und Denker, sein Sinn für Wirklichkeit überschätzte die Wirklichkeit sogar,
so praktisch war es. Frisch im Unternehmen, stark im Ausdauern, fähig,
sich einzuordnen, fähig überhaupt, zu ordnen, zu organisieren, kam es auf
allen Wegen vorwärts, aber auf manchen zu schnell, dann zeigte sich etwas
vom Lmporkömmling ohne tzerrengeist. Fühlten sie sich ihrer selbst nicht
sicher? Anter sich dienerten sie vor Titeln und Orden und nach außen
vor andern angesehenen Völkern, so sehr, daß sie selbst da bewundernd
nachahmten, wo sie das Zeug zum Führen hatten. Und mit dem neuen
Reichtum war zu vielen Genußsucht gekommen, Veräußerlichung, Verweich-
lichung, man Pflegte sich zu sehr, man ästhetelte zu sehr, und andre wieder
trieben eine Vaterlandspflege zu äußerlich mit tzurrahoch. Die Parteien
wurden vielfach mißbraucht, auch die Vaterlandsliebe selber ward das,
um Standesinteressen und Geschäften zu dienen. Kleinlich und unduldsam
waren auch viele: man glaubte fremde Aberzeugungen weniger achten
Zu dürfen. Unsicher, nochmals, war man seiner selbst, ohne die Ruhe der
Kraft. Den Polen und Dänen gab man bald, bald nahm man ihnen,
 
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