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Kunstwart und Kulturwart — 28,1.1914

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Heft 3 (1. Novemberheft 1914)
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Zeugnisse der Zeit
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Unsre Bilder und Noten
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https://doi.org/10.11588/diglit.14418#0142

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inen früher nie gehört, wo soll der
Mann auf einmal herkornmen?
Zweierlei ist möglich: entweder
Hindenburg" ist ein Schlachtruf, so
etwas wie ein ostpreußisches tzurra,
oder: er bedeutet eine neue Kano-
nenart oder so was. Irgendein Ge-
heimnis steckt schon deshalb dahinter,
weil man doch die russischerseits ganz
unerlaubte Niederlage erklären muß.
Man wird schon, meint man, da--
hinterkommen. Welche Geheimnisse
da überhaupt walten!

Eins der im neutralen Ausland
gegen uns verbreiteten Telegramme,
mitgeteilt und verbürgt von dem jetzt
nach Berlin heimgekehrten Prof.
Dührssen: „Die Iapaner haben
Kiautschau besetzt und marschieren
nach der serbischen Küste, wo ihnen
deutsche Truppen entgegengeworfen
werden sollen.« Wenn uns erst die
Schweiz den Krieg erklärt, so ver«
einigt sie dann wahrscheinlich ihre
Flotte mit der serbischen.

Schließen wir für heute die Auf-
klärungsarbeit über uns — mit der
wir bei Benutzung allen Klärstoffs
einen ganzen Iahrgang Kunstwart
füllen könnten — mit einer erschüt--
ternden Zusammenfassung, mit der
sich das „Iournal de Pas de Calais"
vom September ein Verdienst er-
worben hat. Der Aufsatz selbst wäre

zwar in seiner Ausdehnung gar zu
zerschmetternd für uns, die Äber--
schriften müssen genügen. In ge-
treuer Äbersetzung lauten sie so:
„Französischer Sieg auf der ganzen
Linie — 200 000 Russen landen in
Calais und Seebrügge — Dänemark
erklärt an Deutschland den Krieg —
die Russen vor Berlin — 'die Re--
volution in der Stadt — Hungers--
not in Berlin — man bietet bis zu
H Mark für ein Brot — die Kron--
prinzessin durchgegangen mit einem
General — der zweite Sohn des
Kaisers Gefangener in Antwerpen
— der Kaiser droht, man solle seinen
Sohn in Freiheit setzen oder er werde
Brüssel in Brand stecken — Ant-
wort der belgischen Regierung: wenn
er Brüssel anrühre, werde man sei-
nen Sohn erschießen — die Fran-
zosen und Cngländer haben Löwen
zurückerobert — die Deutschen, über-
all verjagt, wissen nicht mehr, wo-
hin sich flüchten — zum zweiten
Male Selbstmordversuch des Deut-
schen Kaisers — die Kaiserin bean-
tragt Scheidung — Kaiser Franz
Ioseph seit Tagen tot."

So also stand es schon vor einem
Monat in Deutschland. Und das ist
das wahrhaft Niederträchtige von
uns: alles das haben wir gar nicht
gemerkt!

Unsre Bilder und Noten

hM^unächst ein Bild des Friedens, Thomas Schaffelhubers „tzerbst-
^nebel". Dem Richtkünstler scheint es mitunter leicht, Flächen, wie
f^Isie der Rebel um die Dinge hüllt, zum Bilde zusammenzustellen,
aber der Künstler weiß, daß gerade Aufgaben, wie die von Schaffelhuber
hier vortrefflich gelöste, sehr schwierig sind. Cinmal: das Ruhige darf
nirgends leer, niemals tot sein, es muß gefüllt und durch seine Cinzel-
heiten scheinbar bewegt, es muß „reich" und „lebensvoll" sein — und
doch eben ruhig. Auch auf unserm Blatte ist in Wahrheit kein Stell-
chen inhaltlos. Dann: die bewegten Flächen müssen sich gegeneinander
abwiegen, sonst entsteht nur ein Beieinander von dem und dem wie beim
Dilettanten, nicht eine Ruhe, deren Schwerpunkt im Werk liegt. Drittens:
das Ganze muß seine besondere Stimmung haben, sonst ist's eine
Allgemeinheit und gibt nur, was jeder schon hat. Die eigentümliche
Schönheit unsres Bildes wird einem Rngeübten am schnellsten auf-
 
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