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Kunstwart und Kulturwart — 37,2.1924

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Heft 9 (Juniheft 1924)
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Vom Heute fürs Morgen
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https://doi.org/10.11588/diglit.14440#0144

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keinen Humor, sondern mit graphischem
Können angemachten Salat. Ich un-
terstreiche, daß ich Hengeler nicht im
geringsten „Berechnung" insinuiere;
was ich eben dialogisierte, sind eventuell
völlig unbewußte „Vor-gänge". Sie
sind mir umso wachrscheinlicher, als
Breughel und Bosch, wie Wolf sagt,
bei alledem Patendienste geleistet ha-
ben, beides ursprünglich und einheitlich
konzipierende Künstler, die fedoch leicht,
sehr leicht zu Nachahmung verlocken;
und Nachahmung, noch so unbewußt,
muß da leicht zu einem dissoziierenden
Werkeln führen, während allein das
elementar-einheitliche Schaffen — Ein-
fall und Darstellung als Werk eines
Strahls, der sich auf die künstlerische
Blattgestaltung allein richtet — ihnen
kongenial wäre.

So erscheinen mir die gekennzeich-
neten Blätter als Kunst und Ilnkunst
zugleich. Kunst, weil gekonnt; Unkunst,
weil quellfern, gehaltleer, unursprüng-
lich!, literarischer Hokuspokus. Ich sage
nur aufrichtig, wie unvoreingenomme-
nes Urteil in mir lautet, beabsichtige
aber keinerlei Herabwürdigung Henge-
lers. Darum füge ich frei hinzu, daß
eine kleinere Anzahl der Blätter mir
ausgezeichnet scheint; nämlich alle die,
welche weder Karrikatur, noch Spuk,
noch Phantastik oder dergl. sein sollen;
bald ein Idhll, bald eine Landschaft,
eine kleine harmlose Phantasie, auch
eine andächtig-einfache Bibelszene, eine
Landstreicher-Zeichnung; da tritt gesi-
chertes Können in den Dienst schlichten,
nicht untiefen Gefühls und getroster
Anschauung, und dem Bund entwachsen
reine Gebilde. Wolfg. Schumann

Elise Mahler -f

it Elise Mahler ist eine Radier-
künstlerin nach langem und leid-
reichem Leben dahingeschieden, deren
feinnervige und liebenswürdige Blätter
manche gute Exlibris- und Graphiker-
Sammlung zieren. Lauter Erfolg und
Gewinn mußte der ganz stillen und Meist
kränklichen Künstlerin versagt bleiben,
doch mancher Kenner und Liebhaber
merkte vor ihren seelisch lebendigsten
Blättern auf. Nebenher war sie eine
außerordentlich e Photographin. Zu ihrem
Gedächtnis bilden wir in diesem Hefte
eine ihrer schönsten künstlerischen Pho-

tographien ab. Sie stand Avenarius
und dem Kunstwart treulich nahe, nnd
ihr Andenken ist uns wert. K-L

»Schlagobers" Wiener Staatsoper
chlagobers heißt soviel wie Schlag-
sahne. Es ist der Litel eines „hei-
teren Wiener Balletts", welches Ri-
chard Strauß sich ausgesonnen, für
die von ihm geleitete Wiener Oper an-
genommen, mitMilliardenaufwand aus-
gestattet, zu seinem Sechzigsten auf-
geführt und übrigens auch „kompo-
niert" hat.

Der fabulistische Inhalt ist unwie-
dergebbar. Firmlinge (kleine katholische
Konfirmanden) erscheiyen nach der
Sitte in Feststimmung in einer Kondi-
torei; einem wird vom vielen Kuchen
mit Sahne schlecht, und dann ergehen
sich Prinzessin Teeblüte, Prinz Kaffee,
die Bision, Prinz Cacao, Don Zuckero,
Schlagsahne-Gestalten, Prinzessin Pra-
line, Wademoiselle Lhartreuse, Lad.
Slivowitz, Boris Wudky, orientalische
Magier, Nigger-Pralinss, Quittenwürst-
chenleibgarde, Salzstangeln, Schaum-
rollen, Schmalznudeln u. v. a. m. in
einem sinnleeren Gehopse zu einer Mu-
sik, welche von sehr vielen Musikern
gemacht, aber von keinem Ohr gehört
wird. Denn dieselMusik — i.st nicht da!
Zwei Mal im Verlauf von anderthalb
Stunden hört man für je >eine Minute
etwas Musikähnliches, ansonsten fcheint
das Riesenorchester geist- und seelen-
stumm.

Man geht in diese Angelegenheit,
von der gewiß gerne liebenswürdigen,
diesmal aber eiskalten Wiener Presse
schon mißtrauisch gemacht, doch noch
mit dem Gefühl: „ImmerhiN ist es von
Richard Strauß!" Aber das bewahr-
heitet sich nicht. Es ist Kapellmeister-
musik aus Liegnitz oder Wittenberg.
Es ist das schlechthin tristeste künstle-
rische Debacle, das ich je erlebt habe.
Lin Mann, der immerhin den „Zara-
thustra", das „Heldenleben", „Salome"
und „Elektra" geschaffen hat, greift in
seines sechzigjährigen Busens Tiefs
und holt das leere und läppische Nichts
heraus! Iedes sachbehandelnde Wort
darüber wäre zu viel. Geschmacklos,
ja geschmackwidrig ist Strauß oft gewe-
sen; daß er noch einmal abgeschmackt
bis zum Verletzenden werden könnte,
 
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