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DER BAUMEISTER * 1904, OKTOBER.
Terrasse erschliesst. Der Garten ist regelmässig mit ge-
raden Wegen gebildet und zeigt eine grosse Mannigfaltigkeit
an Rasenplätzen, Beeten, Laubengängen usw., alles in ge-
ordneter, gerader und eingeebneter Form. Das Werk
unseres Landschaftsgärtners, das den Eindruck macht, als
hätten grosse Maulwürfe gewühlt und als hätte am Garten-
Eingang zufällig jemand eine Fuhre Steine verloren. Dieser
Wahnwitz unserer heutigen deutschen Kultur ist in England
nicht mehr mög-
lich. Man hat wieder
einen vernünftigen
Garten, wie es der
alte Bauerngarten
war und zum Teil
noch heute ist.
Im Innern des
Hauses sind die
Zimmer gegenein-
ander abgeschlos-
sen, Verbindungs-
türen fehlen. Da-
gegen sucht man
alle Zimmer von
einem Zentralraum
aus zu öffnen, der
Halle, die somit den
Wiedergaben einen Begriff davon machen. Denn alle illu-
strierten Zeitschriften sind voll von solchen. Die Freude an
den prächtigen Leistungen der modernen Hausbaukunst hat
das ganze Volk ergriffen und Sonderpublikationen über
häusliche Architektur finden den grössten Anklang und die
weiteste Verbreitung. Das war schon bei dem vor einigen
Jahren veröffentlichten Sonderheft des Studio der Fall und
es wird sicher wieder der Fall sein bei dem soeben er-
schienenen präch-
tigen Hefte von
W. Shaw Sparrow.
Enthält dieses Heft
doch eine unge-
mein reiche Fülle
von Abbildungs-
stoff inzumTeilvor-
züglicher Auswahl.
Und nicht nur das,
sondern es sind
Kapitel von allbe-
kannten Fachleuten
beigegeben, welche
sich über den Haus-
bau aussprechen.
Allerdings wird
für den deutschen
Arch. E. Guy Dawber.
Verkleinerte Abbildung aus Sparrow, British House.
Bibsworth, Worcestershire.
Charakter eines wirklichen Schlüssels des Hauses annimmt,
des grossen Gemeinschaftsraumes, von dem aus die Sonder-
räume zugänglich sind. Im übrigen muss hier erwähnt werden,
dass im kleinen englischen Alltags-Wohnhause die Halle nicht
den grossen Bruchteil an Gesamtgrundfläche des Hauses ein-
nimmt, den man ihr bei uns in angeblicher Nachahmung
englischer Vorbilder häufig zubilligt. Noch weniger geht sie
in solchen Fällen durch zwei Stockwerke. Allerdings gibt man
ihr in jener Art
von Sommer-
häusern gern
eine grössere Ab-
messung, die
sich der heutige
englische wohl-
habende Mann
an irgend einem
schönen Teile
des Landes er-
richtet, um ge-
legentlichen Auf-
enthalt dort zu
nehmen. Es han-
delt sich dann
um eine beson-
dere Art von
Wohnen, mehr
um einen Ferien-
aufenthalt, bei
dem man sich
dem Nichtstun
hingibt und auch
Freunde zuGaste
hat. Für diese Art
Haus bildet sich
Leser aus dem textlichen Teil des Buches nicht allzuviel
herauskommen. Im allgemeinen lag bisher mit dem aus
England zu uns dringenden architektonischen Stoff die Sache
so, dass bei allen Anregungen, die er bot, viel Mysteriöses
übrig blieb. Vieles Sonderbare konnte nicht erklärt werden.
Es folgte daraus auch häufig eine rein äusserliche Anregung,
welche Formen übernahm, ohne deren Berechtigung zu er-
kennen. Namentlich die Grundrisse blieben ganz dunkel und
die Anregung,
die gerade aus
ihnen hätte ge-
schöpft werden
können, versagte
daher völlig. Es
ist zu befürchten,
dass dem deut-
schen Leserauch
nach Kennen-
lernen des text-
lichen Teiles von
Sparrows Heft
allesDunkle dun-
kel bleibt, wie
bisher. Es ist
durchaus nötig,
die Grundlagen
des englischen
Entwurfs zu ken-
nen, um engli-
sche Grundrisse
richtigzubeurtei-
len, daher bleibt
diese Quelle so
lange geschlos-
sen, bis eine
Arch. E. Guy Dawber.
Abbildung aus Sparrow, British House.
Kamin in einem Speisezimmer.
augenblicklich ein besonderer Typus aus; es ist unter der Be-
zeichnung week—end house (weil man am Ende der Woche,
d. h. über den Sonntag dahin fährt) ungemein populär und
es sind nicht die schlechtesten Beispiele häuslicher Archi-
tektur, die man gerade unter diesen Häusern findet.
Gerade die jetzige Bewegung, derartige Sommerhäuser zu
bauen, hat die grosse Volkstümlichkeit, die der moderne
Hausbau in England schon ohnedies angenommen hatte,
noch wesentlich vermehrt und die Hausbautätigkeit gesteigert.
So entstehen jetzt überall an allen Ecken des Landes reizende
kleine Häuser, bei deren Anblick einem das Herz aufgeht.
Wer die englische Zeitschriftenliteratur verfolgt, besonders
der Leser des Studio, kann sich schon aus den bildlichen
gründliche deutsche Bearbeitung des Gebietes veröffentlich ist.1)
Englische kleine Abhandlungen über solche Gebiete sind
oft direkt irreleitend. Da wird in oberflächlicher Artikelform
dieses und jenes behauptet, was gar nicht zutrifft, es werden
Steckenpferde vorgeritten, die das Bild verschieben, Sonder-
wünsche vorgetragen, die lediglich Wünsche sind. In einem
Kapitel des Sparrowschen Buches wird die ganz unrichtige
Behauptung aufgestellt, dass die Schaffung des guten eng-
lischen Hausgrundrisses das Werk Inigo Jones sei.2)
’) Ich habe eine solche im 2. Bd. meines Buches über das eng-
lische Haus gegeben, der sich augenblicklich im Druck befindet.
2) Wie sich die Sache wirklich verhält, erzählt ein Blick auf d. Gegenüber-
stellung auf S. 54/55 des erst. Band, meines Buches über das englische Haus.
DER BAUMEISTER * 1904, OKTOBER.
Terrasse erschliesst. Der Garten ist regelmässig mit ge-
raden Wegen gebildet und zeigt eine grosse Mannigfaltigkeit
an Rasenplätzen, Beeten, Laubengängen usw., alles in ge-
ordneter, gerader und eingeebneter Form. Das Werk
unseres Landschaftsgärtners, das den Eindruck macht, als
hätten grosse Maulwürfe gewühlt und als hätte am Garten-
Eingang zufällig jemand eine Fuhre Steine verloren. Dieser
Wahnwitz unserer heutigen deutschen Kultur ist in England
nicht mehr mög-
lich. Man hat wieder
einen vernünftigen
Garten, wie es der
alte Bauerngarten
war und zum Teil
noch heute ist.
Im Innern des
Hauses sind die
Zimmer gegenein-
ander abgeschlos-
sen, Verbindungs-
türen fehlen. Da-
gegen sucht man
alle Zimmer von
einem Zentralraum
aus zu öffnen, der
Halle, die somit den
Wiedergaben einen Begriff davon machen. Denn alle illu-
strierten Zeitschriften sind voll von solchen. Die Freude an
den prächtigen Leistungen der modernen Hausbaukunst hat
das ganze Volk ergriffen und Sonderpublikationen über
häusliche Architektur finden den grössten Anklang und die
weiteste Verbreitung. Das war schon bei dem vor einigen
Jahren veröffentlichten Sonderheft des Studio der Fall und
es wird sicher wieder der Fall sein bei dem soeben er-
schienenen präch-
tigen Hefte von
W. Shaw Sparrow.
Enthält dieses Heft
doch eine unge-
mein reiche Fülle
von Abbildungs-
stoff inzumTeilvor-
züglicher Auswahl.
Und nicht nur das,
sondern es sind
Kapitel von allbe-
kannten Fachleuten
beigegeben, welche
sich über den Haus-
bau aussprechen.
Allerdings wird
für den deutschen
Arch. E. Guy Dawber.
Verkleinerte Abbildung aus Sparrow, British House.
Bibsworth, Worcestershire.
Charakter eines wirklichen Schlüssels des Hauses annimmt,
des grossen Gemeinschaftsraumes, von dem aus die Sonder-
räume zugänglich sind. Im übrigen muss hier erwähnt werden,
dass im kleinen englischen Alltags-Wohnhause die Halle nicht
den grossen Bruchteil an Gesamtgrundfläche des Hauses ein-
nimmt, den man ihr bei uns in angeblicher Nachahmung
englischer Vorbilder häufig zubilligt. Noch weniger geht sie
in solchen Fällen durch zwei Stockwerke. Allerdings gibt man
ihr in jener Art
von Sommer-
häusern gern
eine grössere Ab-
messung, die
sich der heutige
englische wohl-
habende Mann
an irgend einem
schönen Teile
des Landes er-
richtet, um ge-
legentlichen Auf-
enthalt dort zu
nehmen. Es han-
delt sich dann
um eine beson-
dere Art von
Wohnen, mehr
um einen Ferien-
aufenthalt, bei
dem man sich
dem Nichtstun
hingibt und auch
Freunde zuGaste
hat. Für diese Art
Haus bildet sich
Leser aus dem textlichen Teil des Buches nicht allzuviel
herauskommen. Im allgemeinen lag bisher mit dem aus
England zu uns dringenden architektonischen Stoff die Sache
so, dass bei allen Anregungen, die er bot, viel Mysteriöses
übrig blieb. Vieles Sonderbare konnte nicht erklärt werden.
Es folgte daraus auch häufig eine rein äusserliche Anregung,
welche Formen übernahm, ohne deren Berechtigung zu er-
kennen. Namentlich die Grundrisse blieben ganz dunkel und
die Anregung,
die gerade aus
ihnen hätte ge-
schöpft werden
können, versagte
daher völlig. Es
ist zu befürchten,
dass dem deut-
schen Leserauch
nach Kennen-
lernen des text-
lichen Teiles von
Sparrows Heft
allesDunkle dun-
kel bleibt, wie
bisher. Es ist
durchaus nötig,
die Grundlagen
des englischen
Entwurfs zu ken-
nen, um engli-
sche Grundrisse
richtigzubeurtei-
len, daher bleibt
diese Quelle so
lange geschlos-
sen, bis eine
Arch. E. Guy Dawber.
Abbildung aus Sparrow, British House.
Kamin in einem Speisezimmer.
augenblicklich ein besonderer Typus aus; es ist unter der Be-
zeichnung week—end house (weil man am Ende der Woche,
d. h. über den Sonntag dahin fährt) ungemein populär und
es sind nicht die schlechtesten Beispiele häuslicher Archi-
tektur, die man gerade unter diesen Häusern findet.
Gerade die jetzige Bewegung, derartige Sommerhäuser zu
bauen, hat die grosse Volkstümlichkeit, die der moderne
Hausbau in England schon ohnedies angenommen hatte,
noch wesentlich vermehrt und die Hausbautätigkeit gesteigert.
So entstehen jetzt überall an allen Ecken des Landes reizende
kleine Häuser, bei deren Anblick einem das Herz aufgeht.
Wer die englische Zeitschriftenliteratur verfolgt, besonders
der Leser des Studio, kann sich schon aus den bildlichen
gründliche deutsche Bearbeitung des Gebietes veröffentlich ist.1)
Englische kleine Abhandlungen über solche Gebiete sind
oft direkt irreleitend. Da wird in oberflächlicher Artikelform
dieses und jenes behauptet, was gar nicht zutrifft, es werden
Steckenpferde vorgeritten, die das Bild verschieben, Sonder-
wünsche vorgetragen, die lediglich Wünsche sind. In einem
Kapitel des Sparrowschen Buches wird die ganz unrichtige
Behauptung aufgestellt, dass die Schaffung des guten eng-
lischen Hausgrundrisses das Werk Inigo Jones sei.2)
’) Ich habe eine solche im 2. Bd. meines Buches über das eng-
lische Haus gegeben, der sich augenblicklich im Druck befindet.
2) Wie sich die Sache wirklich verhält, erzählt ein Blick auf d. Gegenüber-
stellung auf S. 54/55 des erst. Band, meines Buches über das englische Haus.