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Baumeister: das Architektur-Magazin — 3.1905

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Heft 3 (1904, Dezember)
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Högg, Emil: Tirol, [2]: Architektonische Plauderei
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Alte Bürgerhäuser in Reichenberg i. B.
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https://doi.org/10.11588/diglit.49991#0036

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DER BAUMEISTER ♦ 1904, DEZEMBER.


Fladerstube in Gandegg.

ser, unter deren riesigen Dächern eine ganze Schar lustiger
Erker Unterschlupf und kecke Malereien Schutz finden; hoch
über Klausen die wundervolle Kontur des Klosters Sähen;
ferner schauen ins Tal herab der malerische Ort Villanders,
der Gravetscher Hof, des Johannserbauern Edelsitz, der Ort
Gaffidaun mit Koburg und Sommersberg, zwei bewohnten
Schlössern, weiterhin Fonteklaus, Anger — — so viele Namen,
so viele freudige Ueberraschungen und Belohnungen für des
Bergsteigens Mühe.
Weiter wandernd erreichen wir talabwärts Waidbruck,
überragt von der vielturmigen Trostburg. Haben wir den
mühseligen Pfad erklommen, so stehen wir vor einer der
besterhaltenen Burgen Tirols.
Haben wir Glück und sind die welschen Herrschaften grade
in Italien, so dürfen wir die gotischen Stuben sehen und den
eigenartigen Rittersaal, dessen reiche Wanddekoration im Ge-
schmack später deutscher Renaissance in Stuck angetragen

ist, und den engen Burghof mit seinen Malereien. Waid-
bruck ist auch der Schlüssel ins Grödner Tal. Wer früh vor
6 Uhr ins Tal hinein oder draus heraus will, muss dem Pfört-
ner klingeln, der das Gatter öffnet — mittelalterlich romantisch.
Auch wir wollen um Einlass bitten, und zwar um die Fisch-
burg zu besuchen, die hinter St. Ulrich liegt. Sie ist ein
eigentümlicher Bau italienischen Geistes, aber in derber Pro-
vinzkunst ausgeführt, gruppiert sich um zwei ineinander
geöffnete quadratische Arkadenhöfe und ist reich, aber roh
bemalt; heute ein Armenhaus und dem Verfall geweiht, wie
so manches tiroler Schloss. Wir schauen im Vorübergehen
in ein paar der holzvertäfelten Bauernstuben, drin welsch-
redende Weiber und Kinder die Jahrhunderte alte Tradition
des Holzschnitzens mehr instinktiv als mit Begabung emsig
weiterpflegen, und kehren gerne und so schnell wie möglich
nach Waidbruck zurück, denn das Tal wimmelt von Hoch-
touristen in voller Kriegsausrüstung. (Schluss folgt.)

Alte Bürgerhäuser in Reichenberg i. B.

Die nordböhmische Metropole Reichenberg liegt abseits
des Zuges der Weltwanderer und seine Reize haben nicht
vermocht, den Strom der Touristen auf sich zu lenken. Als
vor einigen Jahren mich ges häftliche Angelegenheiten dahin
führten, mutete mich die Stadt trotz der winterlichen Zeit
freundlich an und gerne benützte ich die Gelegenheit, in den
müssigen Stunden durch ihre Strassen zu wandern und der
Zeichen blühenden Bürgerfleisses mich zu freuen. Unter
den stattlichen Neubauten fällt uns das von Hans Grisebach
erbaute nordböhmische Gewerbemuseum auf, wo sich ein
Mittelpunkt für liebevolle Pflege alter Kunstschätze neben
der Förderung kunstgewerblicher Tätigkeit der Gegenwart

findet. Wer sich nicht mit dem Anblick begnügt, den das
von kräftiger Eigenart zeugende Bauwerk von der Stadtseite
her macht, sondern es von allen Seiten betrachtet, wird
überrascht sein an der Rückseite einen Anbau von ganz
anderer Art zu finden, ein zierliches Häuschen mit leichter
gefälliger Ornamentik, die an Altväter Weise erinnert. Und
in der Tat ist hier einer Anregung Friedrich Ohmanns zu-
folge eine für Reichenberg charakteristische Stilperiode wieder
belebt worden. Gehen wir zurück nach den alten Stadt-
teilen, so werden uns eine Anzahl alter bürgerlicher Häuser
in die Augen fallen, an denen wir diese Art wiedererkennen.
Diese Gebäude entstammen der Zeit, als Reichenberg anfing,
 
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