DER BAUMEISTER * 1905, JUNI » BEILAGE.
B 99
Sachen der biblischen Geschichte, der antiken Mythologie, selbst die Er-
eignisse aus dem Caesar und demXenophon sich so viel leichter und fester
unserm Gedächtnis einprägten, sobald wir die Örtlichkeiten, an die sie
sich knüpfen, auf der Karte studierten. Dies bescheidene und beinahe
mühelose Studium leistet hier, was aller anschauliche Unterricht, was
namentlich der Zeichenunterricht leistet, und so ist es, beiläufig gesagt,
nur ein kleiner Schritt von dieser „geographischen“ Erläuterung ander-
weitig erworbenen Wissens zu einer zeichnerischen, wie sie insbesondere
Vollet-le-duc in seiner Histoire d’un dessinateur vorschlug. Dieses ging da-
rauf aus, alles gegenständliche Wissen, das dem Schüler in den abstrakten
Lehrgegenständen, vor allem in den alten Sprachen, vermittelt werden soll,
im Zeichenunterricht an der Hand sachgemässer Modelle der Anschauung
nahe zu bringen, also eine Veranschaulichung des geistigen, eine Vergeisti-
gung des anschaulichen Lehrstoffs herbeizuführen.
Nun weiss ich aber aus eigener Erfahrung, wie auch die Aneignung
kunstgeschichtlichen Wissens durch das Studium der Landkarte er-
leichtert und gefördert wird. Die gleichgültigen Namen fremder, entlegener
Ortschaften gewannen Leben und blieben mir im Gedächtnis, sobald ich
sie auf der Karte aufgesucht hatte und sie nun mit Künstlern, Kunstfreunden
und Monumenten in Zusammenhang bringen konnte. Und es besteht ja in der
Tat ein tiefer Zusammenhang zwischen dem natürlichen, dem geographischen
Charakter eines Ortes und dem Charakter seiner Monumente, ja seiner
Kunst überhaupt. Wenn uns Viollet-le-duc in der Histoire de l’habitation
humaine darauf hinweist, dass der der europäischen Alpenwelt angehörende
Typus des sogenannten Schweizerhauses in seiner ursprünglichen Reinheit
am Fusse des Himalaya-Gebirges wiedergefunden wird, so kann dies als
keine zufällige Erscheinung, sondern muss als eine gesetzmässige hin-
genommen werden, die in vielen Beispielen der Architekturgeschichte sich
wiederholt.
Solche Beobachtungen und Bemerkungen legen den Gedanken nahe, den
bisherigen bedeutungslosen Geographie-Unterricht der oberen Mittelschul-
klassen in einen kunsttopographischen Unterrricht umzuwandeln. Dieser
Gedanke findet sich bereits hier und dort in der Fachliteratur, der geo-
graphischen wie der kunstwissenschaftlichen, vorbereitet.
Das alte, ehrwürdige Werk Karl Ritters, „Die Erdkunde im Verhältnis
zur Natur und zur Geschichte des Menschen“, bespricht im Anschluss an
die geographische Darstellung jedes Landes dessen Monumente in ausführ-
lichen und gründlichen Anmerkungen, freilich ohne auf den tieferen Zu-
sammenhang und das Abhängigkeitsverhältnis einzugehen, das zwischen der
Landesnatur und der Natur seiner Monumente obwaltet. Auf dies Ver-
hältnis richtet dagegen sein Hauptaugenmerk Viollet-le-duc in seiner
Histoire de l’habitation humaine, einem Buche, das trotz der mancherlei
Willkürlichkeiten und seines phantastischen Beiwerks den Grund zu einem
neuen, bis heute noch nicht ausgebauten kunstgeschichtlichen Lehrgebäude
zu enthalten scheint. Wir haben eine „Natürliche Schöpfungsgeschichte“,
aber noch keine natürliche Kunstgeschichte.*) — Hierher gehört dann weiter
des Aichitekten Franz Mertens „Denkmalkarte des Abendlandes im Mittel-
alter“, die durch eine Verfeinerung der üblichen kartographischen Signatur,
insbesondere der Farbe, die Unterschiede der örtlichen Kunstentwicklung
und der künstlerischen Beeinflussung der einzelnen Kulturkreise auf einander
übersichtlich zur Darstellung bringt. Als viertes sei noch ein höchst eigen-
tümliches Werk aus neuerer Zeit ei wähnt: Geographie pittoresque et
monumentale de la France, par Ch. Brossard; Paris 1900. Im Vorwort
dieses Buches heisst es: «Quant au texte, il comprend pour chaque de-
partement une etude generale du sol au double point de vue orographique
et hydrographique, l’histoire abregee des evenements qui se sont accomplis
sur son territoire, les divisions administratives, un tableau resume de
l’agriculture et de l’industrie avec quelques donnes statistiques, la description
des grandes villes, la liste enfin de tous les Monuments historiques classes,
le tout accompagne d’une carte dressee specialement pour cette publication.»
Eine oberflächliche Betrachtung des Buches, insbesondere der schönen
Wiedergaben der historischen Bauwerke Frankreichs, ist sehr reizvoll. Bei
gründlicherem Eingehen findet man sich enttäuscht. Das Problem der
„monumentalen Geographie“ ist allerdings hier angeregt und mit einem
grossen Aufwand von äusserem Glanz und „chic“; aber gelöst ist es nicht;
denn ein innerer Zusammenhang der Landesnatur mit der Natur der Monu-
mente ist nirgends aufgesucht worden. Aber immerhin weist gerade ein
solches Buch den Weg, auf welchem die ernsteren wissenschaftlichen Er-
gebnisse der Arbeiten Ritter’s, Viollet’s und Mertens’ könnten verwertet
werden, wenn sich’s darum handelte, Kunstgeschichte, namentlich Baukunst-
geschichte, in Gestalt einer „monumentalen Geographie“ oder einer
„physischen Kunsttopographie“ als Lehrfach in den oberen Klassen unserer
Mittelschulen einzuführen. Walter Kornick, Berlin.
*) Allerdings haben Ernst Grosse („Anfänge der Kunst“) und Hermann
Lüer („die Entwicklung in der Kunst“) bedeutsame Versuche nach dieser
Richtung gemacht; aber beide kümmern sich nicht um die Baukunst und
geben auch sonst kein kunstgeschichtliches System, sondern nur eine Theorie.
Vom Büchermarkt.
Bauordnung für Riga. Ortsstatut der Rigaschen Stadt-
verordnetenversammlung. Bestätigt vom Herrn Livl.
Gouverneur, den 27. August 1904, Livl. Gouv.-Ztg.
No. 97 vom 10. Septbr. 1904. Uebersetzt von E. A.
v. Hagen. Riga. Jonck & Poliewsky 1904. 0,60 Mk.
Jetzige Arbeiter zahl Jährliche Produktion
über ÄOO. 12 Mill. Steine.
Siegbert Sturm
Dachstein^ und falzzkgebjabrik
JTciwaldau (Kreis Sagarn
Bahn- und Poststation. Jcrnspr.: Rauscba 0/E. Ho. 18.
fabriziert die anerkannt besten
SturnUseHen h»
Freivvaldauer
7 Bedaeliuno’sziegel
Spezialität:
Sturm r Falzziegel mit Ventilation
D. K. €1. M. 187439
und Befestigung durch „Sturm klammern“ an die Lattung
1). R. G. M. 219 071 und 219072
in allen Farben und Glasuren, auch in rot,
zu billigsten Preisen bei promptester Bedienung.
Sämtlicher Verkehr mit meiner Kundschaft erfolgt direkt unter
kulantesten Bedingungen.
Telegramm-Adresse: Siegbert Sturm, Freiwaldau.
tü
fei/cMe
n_r
55a] verwende man die
Patent-Falztafeln „KOSMOS“.
= Sofort trockeneWandoberflächen. -
Festhaftender Verputz. — Luftisolierschichten. — Luft-
spülung. — Nicht Verdeckung des Übels, sondern
wirkliche Austrocknung. — Schutz gegen Fäulnis, Haus-
schwamm, Wärme, Kälte, Schall, Schwitzwasser. —
Keine Raumverkleinerung. Hunderte von Anerken-
nungsschreiben von Baubehörden, Architekten, Bau-
meistern, Industriellen etc. Muster und Prospekte
sendet postfrei und umsonst der Fabrikant
Luft
Luft
Verpütz
I, FeuchteWand
I mit wasserdichten Patent Ealx-
j yaFeln Kosmos benagelt, dannverput;
d.W. dncLernacfi SBeuel am Jfäein.
B 99
Sachen der biblischen Geschichte, der antiken Mythologie, selbst die Er-
eignisse aus dem Caesar und demXenophon sich so viel leichter und fester
unserm Gedächtnis einprägten, sobald wir die Örtlichkeiten, an die sie
sich knüpfen, auf der Karte studierten. Dies bescheidene und beinahe
mühelose Studium leistet hier, was aller anschauliche Unterricht, was
namentlich der Zeichenunterricht leistet, und so ist es, beiläufig gesagt,
nur ein kleiner Schritt von dieser „geographischen“ Erläuterung ander-
weitig erworbenen Wissens zu einer zeichnerischen, wie sie insbesondere
Vollet-le-duc in seiner Histoire d’un dessinateur vorschlug. Dieses ging da-
rauf aus, alles gegenständliche Wissen, das dem Schüler in den abstrakten
Lehrgegenständen, vor allem in den alten Sprachen, vermittelt werden soll,
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nahe zu bringen, also eine Veranschaulichung des geistigen, eine Vergeisti-
gung des anschaulichen Lehrstoffs herbeizuführen.
Nun weiss ich aber aus eigener Erfahrung, wie auch die Aneignung
kunstgeschichtlichen Wissens durch das Studium der Landkarte er-
leichtert und gefördert wird. Die gleichgültigen Namen fremder, entlegener
Ortschaften gewannen Leben und blieben mir im Gedächtnis, sobald ich
sie auf der Karte aufgesucht hatte und sie nun mit Künstlern, Kunstfreunden
und Monumenten in Zusammenhang bringen konnte. Und es besteht ja in der
Tat ein tiefer Zusammenhang zwischen dem natürlichen, dem geographischen
Charakter eines Ortes und dem Charakter seiner Monumente, ja seiner
Kunst überhaupt. Wenn uns Viollet-le-duc in der Histoire de l’habitation
humaine darauf hinweist, dass der der europäischen Alpenwelt angehörende
Typus des sogenannten Schweizerhauses in seiner ursprünglichen Reinheit
am Fusse des Himalaya-Gebirges wiedergefunden wird, so kann dies als
keine zufällige Erscheinung, sondern muss als eine gesetzmässige hin-
genommen werden, die in vielen Beispielen der Architekturgeschichte sich
wiederholt.
Solche Beobachtungen und Bemerkungen legen den Gedanken nahe, den
bisherigen bedeutungslosen Geographie-Unterricht der oberen Mittelschul-
klassen in einen kunsttopographischen Unterrricht umzuwandeln. Dieser
Gedanke findet sich bereits hier und dort in der Fachliteratur, der geo-
graphischen wie der kunstwissenschaftlichen, vorbereitet.
Das alte, ehrwürdige Werk Karl Ritters, „Die Erdkunde im Verhältnis
zur Natur und zur Geschichte des Menschen“, bespricht im Anschluss an
die geographische Darstellung jedes Landes dessen Monumente in ausführ-
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Landesnatur und der Natur seiner Monumente obwaltet. Auf dies Ver-
hältnis richtet dagegen sein Hauptaugenmerk Viollet-le-duc in seiner
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Willkürlichkeiten und seines phantastischen Beiwerks den Grund zu einem
neuen, bis heute noch nicht ausgebauten kunstgeschichtlichen Lehrgebäude
zu enthalten scheint. Wir haben eine „Natürliche Schöpfungsgeschichte“,
aber noch keine natürliche Kunstgeschichte.*) — Hierher gehört dann weiter
des Aichitekten Franz Mertens „Denkmalkarte des Abendlandes im Mittel-
alter“, die durch eine Verfeinerung der üblichen kartographischen Signatur,
insbesondere der Farbe, die Unterschiede der örtlichen Kunstentwicklung
und der künstlerischen Beeinflussung der einzelnen Kulturkreise auf einander
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tümliches Werk aus neuerer Zeit ei wähnt: Geographie pittoresque et
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Gouverneur, den 27. August 1904, Livl. Gouv.-Ztg.
No. 97 vom 10. Septbr. 1904. Uebersetzt von E. A.
v. Hagen. Riga. Jonck & Poliewsky 1904. 0,60 Mk.
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