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Baumeister: das Architektur-Magazin — 3.1905

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Beilage zu: 1904, Dezember
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Huth, Friedrich: Amerikanische Hotels: Reisebericht
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https://doi.org/10.11588/diglit.49991#0276

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S5LAz%E: DER BAUMEISTER,
1904, DEZEMBER.

MONATSHEFTE FÜR ARCHITEKTUR
UND BAUPRAXIS ..
III. JAHRGANG, HEFT 3.

Amerikanische Hotels.

Reisebericht von Fred Hoo

Wer in den vornehmen Hotels der nordamerikanischen
Grosstädte Umschau hält, dem wird sofort ein typischer Zug
auffallen, der diese modernen Karavansereien wesentlich von
den europäischen, namentlich aber von den deutschen Hotels
unterscheidet. Das europäische Hotel ist in der Hauptsache
ein Logierhaus für Reisende, und zwar ein geschlossenes
Haus, das eben nur für die Bewohner der Hotelzimmer be-
stimmt ist. Das amerikanische Hotel hält aber seine Tore
für jedermann geöffnet; jeder, der einen sauberen Rock trägt,
kann den Komfort des Hauses geniessen.
Dieser Grundzug des amerikanischen Hotelwesens beein-
flusst natürlich die ganze Anlage des Hauses. Von der
Strasse aus gelangt man stets in einen grossen, für jeder-
mann offenen Raum, welcher als Vestibül, Rotunde, Foyer
oder Parlor bezeichnet wird, jedesmal aber in der luxuri-
ösesten Weise mit Sitzmöbeln jeder Art ausgestattet ist, und
unmittelbar mit der Office des Hotels in Verbindung steht.
Die Sitzmöbel sind nicht nur an den Wänden angeordnet,
sondern, zu Gruppen geordnet, über den ganzen, meist sehr
umfangreichen Raum verteilt. Man findet hier breite, bequeme
Ledersessel mit Arm- und Rücklehnen verschiedener Höhe,
Korbsessel, Bänke und Stühle mit Strohgeflecht, die soge-
nannten rocking-chairs (Schaukelstühle) verschiedener Kon-
struktion usw. Jeder wählt sich ein Sitzmöbel, das seinem
Körper angemessen ist, um recht bequem zu sitzen oder —
was bei den Ladies sehr ins Gewicht fällt — eine möglichst
vorteilhafte Figur abzugeben. Man geht ins Hotel, um zu
ruhen, um sich das interessante Treiben anzusehen oder die
Zeitung zu lesen. Man findet hier die Behaglichkeit, welche
man in amerikanischen Restaurants und Cafes, die nichts
anderes sind als Abfütterungsanstalten, vergeblich suchen
dürfte.
Um diesen Hauptraum legen sich nun in der Regel die
verschiedenen Speisesäle, die Office, das Schreibzimmer, das
Telephon-Bureau, die Bar, die Buch- und Zeitungshandlung
und die Barbierstube, welch letztere mit allem Komfort aus-
gestattet ist und mit ihren zahlreichen Regalen, Töpfen und
Dosen einer Apotheke recht ähnlich sieht. Der Barbiersaal
(Barbers shop) ist mit einem Institut zum Reinigen der Stiefel
und Kleider verbunden, denn die Stiefel werden nur an den
Füssen der Gäste geputzt, nicht etwa wie in europäischen
Hotels vor die Tür gestellt und vom Hausdiener gereinigt.
Bisweilen sind diese Räume der Barbiere und Stiefelputzer,
welche häufig zehn auch zwanzig zweckmässig konstruierte
Operationssessel enthalten, in das Souterrain gelegt, und
durch eine breite Marmortreppe mit dem Vestibül oder der
Rotunde in Verbindung gebracht. Hier findet man dann auch
sehr umfangreiche Toiletten mit Waschtischen aus Marmor
oder Fayence, die in der Regel sehr lang sind und gleich ein
Dutzend Waschbecken 'mit Kalt- und Warmwasserzuleitung
enthalten. Diese Toilettenräume sind Lnun in überaus ver-
schwenderischer Weise ausgestattet. In der Regel sind Fuss-
böden, Wände und Decken ganz und gar mit dem schönsten
italienischen oder amerikanischen Marmor bekleidet, den man
offenbar als das sauberste Material betrachtet. Ueberhaupt
bildet edler Marmor das Hauptdekorationsmaterial für Treppen-
häuser, Vestibüle, Speisesäle, Korridore wie für die Neben-
räume. Nur ganz vereinzelt findet man Kunstmarmor in
grösseren Rotels. Alle diese Räume stehen auch dem Strassen-
passanten offen, der ohne weiteres das Schreibzimmer des
Hauses aufsucht, um seine Korrespondenzen zu erledigen,
oder sich im Toilettenraum wäscht und erfrischt, als wäre er
ein Logiergast des Hauses.
In engster Verbindung mit dem Vestibül und der Haupt-
halle stehen natürlich auch die Haupttreppen und die Ele-
vators, die in den Hotelpalästen stets in grösserer Anzahl zu
finden sind. Für Damen, die im Hause wohnen, ist meist
ein besonderer Eingang vorhanden, der aussen als „Ladies

Nachdruck verboten.
entrance“ bezeichnet ist, und meist auch mit einer besonderen
Treppe in Verbindung steht. Dieser Eingang ist so gelegt,
dass die Damen das von zahlreichen Gästen besuchte Vestibül
vermeiden können, sofern es ihnen unangenehm ist, zu vielen
neugierigen Blicken ausgesetzt zu sein.


Das ist die typische Anlage der grossen Hotels im Erd-
geschoss und Souterrain. Als Beispiel möge der Grundriss
des Hotel Jefferson in St. Louis dienen, des grössten und
prächtigsten Hotels dieser zukünftigen Weltstadt — ein un-
heimlicher, wenig gegliederter Kasten, der einen ganzen
Häuserblock einnimmt, innen aber in höchst luxuriöser Weise
ausgestattet ist. Dieses an allen vier Seiten freistehende Haus
von verhältnismässig geringer Tiefe, bei bedeutender Längen-
front, bedurfte zur hinreichenden Beleuchtung der Räume
keiner inneren Höfe. Eine wesentlich andere Gliederung zeigt
Planters Hotel in St. Louis; hier finden wir, dass die Anlage
in den oberen Geschossen durch zwei durch die ganze Ge-
bäudemasse, von Front zu Front, geführte Schächte, über-
haupt in drei Gebäude zerlegt ist, deren jedes vier frei-
stehende Fronten besitzt. Nur in den beiden unteren Ge-
schossen erscheint der ganze Block als geschlossene Anlage.
Diese Lösung finden wir häufig bei Hotels von grosser
Tiefenausdehnung und grosser Höhenentwicklung. Das Hotel
„Majestic and Central Park“ in New York sei hier noch als
Beispiel angeführt. Durch diese Anordnung wird eine recht
gefällige Gliederung der Masse erreicht und vielfach ergeben
sich auch recht interessante Perspektiven und Durchblicke,
da Ausschnitte der Seitenfronten wie der hinter den Schächten
liegenden Gebäude sichtbar werden. Vielfach ist natürlich
die Lichtzuführung, auch durch grosse Lichthöfe bewirkt,
die als Wintergärten ausgestattet sind, genau wie beim Cen-
tral-Hotel in Berlin. Ich möchte daran erinnern, dass hier
der ganze innere Hof als Theatersaal dient und dass zahl-
reiche Fenster der Hotelzimmer und Speisesäle nach diesem
Theaterhof hinaussehen. Im „Waldorf Astoria“ in New-York
ist solch ein Lichthof — der in der üppigsten Weise mit
tropischen Pflanzen geschmückt ist — zugleich Wintergarten
und Speisesaal, ein sehr beliebter Aufenthalt für die vornehme
Welt. Hier finden wir im übrigen alles vereint, was über-
haupt ein amerikanisches Hotel zu bieten vermag. Dieses
1500 Zimmer umfassende Hotel besitzt die herrlichsten Speise-,
Fest- und Theatersäle. Neben den allgemeinen grossen Speise-
sälen, welche mit Gemälden und Skulpturen hervorragendster
Meister geschmückt sind, gibt es besondere Speisezimmer
für Damen, wie ein Herren-Restaurant. Doch in dem Herren-
Cafe wird ebensowenig eine Dame geduldet, wie in den für
Damen reservierten Speisezimmern irgend ein männliches
Wesen. So kann jeder nach seiner Faqon selig werden.
Die grösstenteils in rotem Sandstein ausgeführten Fronten
des Waldorf Astoria-Hotels zeigen uns, dass selbst eine so
weit ausgedehnte Anlage, und zwar bei einer Höhe von
66 Metern, durchaus ganz gefällige Lösungen gestattet; ins-
besondere wird man die Ecklösung mit den reizvollen Giebeln
und kleinen Türmen als recht glücklich bezeichnen dürfen.
 
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