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Baumeister: das Architektur-Magazin — 3.1905

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Heft 2 (1904, November)
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Langenberger, S.: Emanuel Seidl
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https://doi.org/10.11588/diglit.49991#0022

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DER BAUMEISTER * 1904, NOVEMBER.

hundert in so überaus hohem Masse sich verdient gemacht
haben um die Entwicklung und Förderung der schönen Künste,
der Malerei und Plastik, denen die berühmteste und älteste
Kunststätte Deutschlands in erster Linie ihren wohlverdienten
guten Ruf und ihre Bedeutung für die gesamte Kunstwelt ver-
dankt und von de-

nen die mit ihnen
aufs engste ver-
wandteBaukunst
die mannigfach-
sten Anregungen
und Beeinflus-
sungen für ihre
ästhetische Ent-
wicklung stets
erfuhr.
Es würde wohl
über den Zweck
dieser Ausführun-
gen hinausgehen
und den hiefür ver-
fügbaren Raum weit
überschreiten,
wenn man auch nur
den Grössten dieser
Grossen und ihren
herrlichen Werken
hier gebührend Er-
wähnung tun wollte.
Zweck undRaum
gestatten zudem das
Betreten anderer,
wenn auch sehr
naheliegender Ge-
biete nicht; lassen
es vielmehr als ge-
boten erscheinen —
und zwar nicht zu-
letzt eingedenk des
bekannten Satzes:
ne sutor ultra crepi-
dam — sich hier

Ausdruck zu geben sucht, dürfte übrigens auch'weniger ver-
anlasst erscheinen, sich in Betrachtungen über die Vergangen-

heit zu ergehen, sondern als durchaus gerechtfertigt zu er-

achten sein, vor allem der Gegenwart erhöhte Aufmerksam-
keit zuzuwenden, sich das Wirken der zeitgenössischen Mei-

Wohnhaus E. Seidl, Empfangsraum.


ster vor Augen zu
führen und in Be-
trachtung ihrer
Werke zu erwägen,
ob nicht auch in der
Tat bei Lossagung
von einem überlie-
ferten Kunstdogma,
ebenso frei von ei-
nergesuchten Alter-
tümelei wie frei von
dem Extrem des
Hypermodernen
auf das Mannigfal-
tigste gruppiert, ge-
gliedert, gestaltet,
geformt und ge-
schmückt, ob nicht
vielmehr in jeder
Form Gutes und
Schönes geschaffen
zu werden vermag,
soferne nur das
Schaffen von wirk-
lich künstlerischem
Empfinden einge-
geben ist, dass da-
bei überhaupt em-
pfunden und nicht
nur sklavisch nach-
geahmt odervirtuos
kombiniert wird.
Aus gleichen Er-
wägungen wurde
auch in früheren
Nummern dieser

Zeitschrift bereits

lediglich auf jenes der Architektur oder der Baukunst im all-
gemeinen zu beschränken und zunächst der hervorragen-
den Meister auf diesem Gebiete zu gedenken.
Auf letzterem hat München kaum zu irgend einer Zeit be-
deutendere Kräfte aufzuweisen gehabt, wie im verflossenen
Jahrhundert und in der jüngsten Vergangenheit bezw. der
Gegenwart.
Über die baukünstlerischen Bestrebungen oder diesbezüg-

wiederholt versucht, neben anderen von Münchener Meistern,
wie Gabr. v. Seidl und Hans Grässel ein Bild ihres Könnens
und Wirkens zu geben. Im Anschluss daran soll heute unter-
nommen werden, das künstlerische Schaffen Emanuel Seidls,
dieser ebenso schlichten wie vornehmen Künstlernatur, in
gleicher Weise zu veranschaulichen.
Archtitekt Prof. Emanuel Seidl, der als Sohn eines allge-
mein geachteten Gewerbsmeisters am 22. August 1856 in

liehen Errungen-
schaften im ver-
gangenen Jahrhun-
dert hier Betrach-
tungen anzustellen,
dürfte den für diese
Besprechung ge-
steckten Rahmen
gleichfalls weit
überschreiten; es
mag bei einer spä-
teren Gelegenheit
des näheren hierauf
eingegangen wer-
den ! In einer Zeit
der schärfsten Ge-


München geboren
ist, wandte sich
ebenso wie sein
Bruder Gabriel
frühzeitig der Kunst
und zwar der Archi-
tektur zu.
Mag es auch le-
diglich nur als ein
Zufall erscheinen,
dass beide Brüder
die gleiche Neigung
bekundeten, in einer
künstlerischen Be-
tätigung ihre Befrie-
digung zu finden,

gensätze, wo die
Meinungen toben
um den richtigen Stil, wo man in Fragen der Kunst von der
überlieferten Schulästhetik mit ihrem trockenen Schematismus
sich abwendet; dabei in dem vornehmlich auf Schaffung eines
„neuen Stiles“ abzielenden Bestrebungen vielfach aber in eine
wenig erfreuliche Originalitätssucht verfällt und nicht selten
durch ein recht geistloses Schaffen dem Geist der Neuzeit

so dürfte diese Tat-
sache doch gleich-
wohl ebensowenig in Zufälligkeiten begründet sein, wie etwa
als Bestätigung einer vielfach noch behaupteten Vererbungs-
theorie erachtet werden; sie erklärt sich einfach aus den
Verhältnissen, unter denen die beiden Brüder im Vaterhause
heranreiften und aus deren sorgfältiger Erziehung.
Der Vater der beiden jungen Seidl, der als ehrsamer Bäcker-

Wohnhaus E. Seidl, Vorgarten.
 
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