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Baumeister: das Architektur-Magazin — 3.1905

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Heft 3 (1904, Dezember)
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Suchodolski, Siegmund v.: Das Restaurant Tiergartenhof in Charlottenburg, Berliner Strasse 1 u. 2: Architekt Paul Baumgarten in Berlin, Hierzu Tafel 15-20
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https://doi.org/10.11588/diglit.49991#0042

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DER BAUMEISTER * 1904, DEZEMBER.



der die grosse

Tiergartenhof in Charlottenburg.

Arch. P. Baumgarten.

gesagt, für die
des Architekten.

Hier tut das Verzichtleisten auf Farben gut; schlicht weiss
stört eben nie. Und vor allem, wie viel wird mit der
leidigen Vergoldung gesündigt; man glaubt heutzutage,
Stuck nicht vergoldet sei zu wenig vornehm und nicht „ele-
gant“ genug. Der Saal ist ein Längsraum von 550 qm,
überspannt von einem korbbogenförmigen Tonnengewölbe
das an den das Dach tragenden eisernen Doppelbändern
aufgehängt ist. In seiner ganzen Raumgestaltung bietet er
zwar keine neuen Momente; bis jetzt sah ich indessen in
Berlin noch keinen Festsaal dieses Genres, dessen Gesamt-
bild mich so sympathisch berührt hätte, insofern bringt die
Lösung Neues.
Das Restaurant ist gleichfalls in vornehm ruhiger Ausstattung
gehalten; aller übertriebene Aufwand auch hier glücklich ver-
mieden und die Farbstimmung sympathisch, besonders die
gemalte Kassettendecke und der reizend von auf Putz ge-
malten Ornamenten übersponnene Nebenraum, eine Arbeit,
deren Ausführung in den Händen der Firma Bodenstein lag.
Mich stören in diesem Saal die dunkelgrünen Plüschvorhänge
an den Fenstern; sie harmonieren wohl nicht ganz mit der
Farbenwirkung des Ganzen.
Reizend sind die Beleuchtungskörper; sie wirken mit der
Gestaltung des Plafonds aufs beste zusammen.
Die zwei Hochzeitssäle sind in ihrer einfachen Formen-
gebung fast das glücklichst Gelöste in diesem Geschoss. Die
Lösung der sie verbindenden Tür wohl in bestem Sinne ein-
wandsfrei. Das Cafe endlich im Untergeschoss schliesst sich
in seinem Charakter dem über die übrigen Räumlichkeiten
Gesagten würdig an; es ist, wohl mit Absicht, um einen Ton
kälter gestimmt und nur bei der Lösung der Buffetwand hat
der Architekt Gelegenheit genommen, eine, wenn auch noch
so einfache, so doch intimere Formensprache anzuwenden.
Der Bau, ausgeführt in der Zeit vom 17. Oktober 1903 bis
1. Oktober 1904, erheischte inklusive Mobilien, eigener
Maschinenanlage für elektrisches Licht und Kraft die Bau-
summe von 550 000 Mark, wobei auf den Kubikmeter über-

strenge Gliederung auf; sein Gesamtbild zeigt sich
als belebte Silhouette, ohne den Vorwurf zuzu-
lassen, dass etwa mit malerischen Effekten irgend-
wie gespielt worden sei,
Die Gliederung der einzelnen Partien an den zwei
Hauptfassaden erscheint mir in jeder Hinsicht eine
glückliche, die Detaillierung ist gut, die Verwendung
von plastischem Schmuck nicht aufdringlich, alles Mo-
mente, die ein erfreuliches, wohltuendes Gesamtbild
hervorrufen, das Ganze ein Anblick, dem man in
den Strassen Berlins recht vereinzelt begegnet und
ein gutes, erquickliches Gegenbeispiel für so man-
ches, was ich an früherer Stelle einst über Berlins
moderne Architektur erwähnen zu müssen glaubte.
Und dabei will das Haus nicht mehr sein, als es
eben ist: ein „Wirtshaus“ im grössten Stil, das
seine Pforten dem besten Publikum öffnen kann und
doch auf den Prunk verzichtet,
Masse sonst anzulocken pflegt.
So viel über die Fassade.
Ich halte sie, dies sei gleich
stärkste Seite der Gesamtleistung
Die Ausstattung der Innenräume bedeutet in mei-
nen Augen einen gewaltigen Fortschritt gegen an-
dere Beispiele dieser Art; indessen mag der leidige
Umstand, dass es selten dem Architekten vergönnt
ist, seine Hand auf jeden Nagel zu legen, einiges
dazu beigetragen haben,
kleine Misstöne in die
Harmonie des Ganzen
zu bringen, die wohl
bei der Fassade sich
nirgends bemerkbar
machen. Da, wo der
Apparat der beweg-
lichen Möbel ganz oder
teilweise wegfiel, hat
der Architekt die glücklichste
Hand gehabt, weil er eben freies
Spiel hatte; das gilt in erster
Linie von den zu Festlichkeiten
bestimmten Räumen. Der Haupt-
sache nach sind die Räumlich-
keiten folgendermassen verteilt:
Das Untergeschoss enthält äus-
ser den Küchen und Maschi-
nenräumen das Cafe mit der
Front nach der Berlinerstrasse,
ferner eine Stehbierhalle; im Erd-
geschoss befindet sich das Re-
staurant und einige kleine Säle
für Hochzeiten und Festlichkeiten,
das darüber liegende Geschoss
endlich beherbergt den grossen
Festsaal und einen kleineren Ne-
bensaal.
Die ganze Raumdisposition ist
zweckmässig, klar und übersicht-
lich. Wenn ich mich hier über
die Gestaltung dieser Räume kurz
auslassen möchte, muss ich den
Saal zuerst nennen; die Aufgabe
scheint mir am besten gelöst und
barg doch die grösste Gefahr in
sich, nämlich des Guten etwas zu
viel zu tun, was hier glücklich
vermieden ist. Zugleich kommt
hier in Betracht, was ich schon
oben sagte: Die Lösung verlangte
keine oder wenig Rücksichten
auf beweglichen Möbelkram und
war darum um so anregender.
Ohne mich in Details einzu-

Eckpfeiler aus dem Speisesaal.

lassen, möchte ich nur eins sagen:

bauter Fläche 19 Mark entfallen, ein Umstand, der deutlich
 
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