Baumeister: das Architektur-Magazin — 3.1905
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https://doi.org/10.11588/diglit.49991#0088
DOI issue:
Heft 7 (1905, April)
DOI article:Fred, W.: Deutsche Bauernkunst
DOI article:Paul Wallots Entwurf für eine Gestaltung des Königsplatzes in Berlin
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DER BAUMEISTER * 1905, APRIL.
über der Mittellinie des Hauses liegt, jedoch, wie schon gesagt
ist, aus Wetterschutz oft auf der einen Seite herabgezogen
ist; sodass ein Haus häufig rechts zwei Stock hoch ist und links
ganz auf der Erde liegt. Als Dachmaterial findet man Stroh,
Heide, Schilf, Bohlen und Bretter, Langschindeln, kleine
Schindeln, Schiefer und Ziegel und schon diese Materialver-
schiedenheit gibt die Fülle der möglichen Formen an. Im
Innern ist die Hauptsache die Diele oder, um den technischen
Ausdruck zu gebrauchen, das Flett mit seiner Zentralisation
des Lebens und demgemäss des Gerätes. Die Wand ist
meist einfarben getüncht, doch findet man auch hier schon
geometrische Muster, Ornamente und Patronentechnik, ja
auch das Sgraffito, das auch an der Aussenfassade häufig zu
sehen ist. In eine Schilderung von Geräten gehe ich nun
nicht mehr ein. Mit dem Gerät im innigsten Zusammenhang
aber wird die Decke gehalten, die natürlich ihre Wirkung
aus dem Holz zieht, doch findet man hier auch Abweichungen,
bunte Bemalung, sogar mit religiösen Szenen, Schnitzwerk
und in späteren Zeiten Stuck. Im 19. Jahrhundert, vielleicht
gegen Ende des 18., ist sowohl im reicheren Bauernhause als
auch im Edelhause der Unfug aufgekommen, das schöne
Holz mit Tünche oder einem dünnen Maueranwurf zu ver-
schminken.
Zur Bauernkunst würde nun auch die Kirche natürlich
gehören, von der aber ein andermal im Zusammenhänge die
Rede sein mag. Dass also eine Menge von Anregung,
kulturhistorischen Einfällen und vor allem eine grosse Freude
aus der Beschäftigung mit der Bauernkunst zu holen ist, sieht
man aus diesen Andeutungen. Als Erziehungsmittel für
unsere Baumeister, Kunsthandwerker und Laien gibt es
wenig bessere Beschäftigung. Vor dem Kopieren aber und
dem Motivsuchen sei nochmals gewarnt. W. F.
Paul Wallots Entwurf für eine Gestaltung des Königsplatzes in Berlin.
Text von M. Rapsilber in der Beilage dieses Heftes.
DER BAUMEISTER * 1905, APRIL.
über der Mittellinie des Hauses liegt, jedoch, wie schon gesagt
ist, aus Wetterschutz oft auf der einen Seite herabgezogen
ist; sodass ein Haus häufig rechts zwei Stock hoch ist und links
ganz auf der Erde liegt. Als Dachmaterial findet man Stroh,
Heide, Schilf, Bohlen und Bretter, Langschindeln, kleine
Schindeln, Schiefer und Ziegel und schon diese Materialver-
schiedenheit gibt die Fülle der möglichen Formen an. Im
Innern ist die Hauptsache die Diele oder, um den technischen
Ausdruck zu gebrauchen, das Flett mit seiner Zentralisation
des Lebens und demgemäss des Gerätes. Die Wand ist
meist einfarben getüncht, doch findet man auch hier schon
geometrische Muster, Ornamente und Patronentechnik, ja
auch das Sgraffito, das auch an der Aussenfassade häufig zu
sehen ist. In eine Schilderung von Geräten gehe ich nun
nicht mehr ein. Mit dem Gerät im innigsten Zusammenhang
aber wird die Decke gehalten, die natürlich ihre Wirkung
aus dem Holz zieht, doch findet man hier auch Abweichungen,
bunte Bemalung, sogar mit religiösen Szenen, Schnitzwerk
und in späteren Zeiten Stuck. Im 19. Jahrhundert, vielleicht
gegen Ende des 18., ist sowohl im reicheren Bauernhause als
auch im Edelhause der Unfug aufgekommen, das schöne
Holz mit Tünche oder einem dünnen Maueranwurf zu ver-
schminken.
Zur Bauernkunst würde nun auch die Kirche natürlich
gehören, von der aber ein andermal im Zusammenhänge die
Rede sein mag. Dass also eine Menge von Anregung,
kulturhistorischen Einfällen und vor allem eine grosse Freude
aus der Beschäftigung mit der Bauernkunst zu holen ist, sieht
man aus diesen Andeutungen. Als Erziehungsmittel für
unsere Baumeister, Kunsthandwerker und Laien gibt es
wenig bessere Beschäftigung. Vor dem Kopieren aber und
dem Motivsuchen sei nochmals gewarnt. W. F.
Paul Wallots Entwurf für eine Gestaltung des Königsplatzes in Berlin.
Text von M. Rapsilber in der Beilage dieses Heftes.