Baumeister: das Architektur-Magazin — 3.1905
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https://doi.org/10.11588/diglit.49991#0029
DOI issue:
Heft 2 (1904, November)
DOI article:Langenberger, S.: Emanuel Seidl
DOI Page / Citation link:https://doi.org/10.11588/diglit.49991#0029
DER BAUMEISTER * 1904, NOVEMBER.
21
Jagdhaus Carl Sedlmayr, Kommerzienrat, Walchsee.
mässe ausgeführte Frauenbüste. — Im allgemeinen kommt in
der Durchbildung der Fassaden das Streben nach Einfachheit
unter Betonung der Konstruktion unverkennbar zum Ausdruck.
Der aparten, auf glücklicher Kombinierung verwandter
Stilmotive in freier Bearbeitung beruhenden Gestaltung des
Aeusseren entspricht das Innere.
Hier tritt uns die Vielseitigkeit und Sicherheit des raum-
gestaltenden Künstlers in ungeahntem Masse entgegen; wir
begegnen einer modernen Kunstanschauung im besten Sinne!
Die von dem Meister da geschaffenen Räume disharmonieren
ebenso wenig mit dem schwarzen Gesellschaftskleide, wie
etwa mit einer hochmodernen Damentoilette. Diese Räume
mit den wirkungsvoll gegliederten, einfach stukkierten weissen
Decken und den mit farbigen Stofftapeten bespannten Wänden
sind von einer Fülle gleichmässigen, künstlich gedämpften
Tageslicht durchflutet; kein Tausenderlei von Dekor stört in
ihnen die künstlerische Weihe. Seidls feines Kunstempfinden
liess es nicht zu,
dass die Architek-
tur seiner Räume
etwa auf Kosten
der auszustellen-
den Bildwerke in
den Vordergrund
trete; keines von
beiden leidet un-
ter dem anderen,
das eine gehört
zum andern!
Mitdenfrüheren
Anschauungen,
nach denen man
glaubte grosse
Vorbereitungen
zum Hängen eines
Bildwerkes treffen
zu müssen und
ohne Zuhilfe-
nahme von dun-
kelblauen oder
anderen beliebten
farbigen und
schweren Stoffen,
ohne gebauschte
Samt- oder Sei-
dendraperien und
ohne reichlichen
Aufwand von ver-
goldeten Details
die erwünschte
Wirkung nicht er-
zielen zu können,
ist in diesen Ausstellungsräumen völlig gebrochen. — Mit
keinem dieser zweifelhaften Hilfsmittel ist hier gerechnet
und doch bleibt der Wert jedes einzelnen zur Ausstellung
gebrachten Bildes voll gewahrt. Ein Lenbach wirkt da
ebenso gut, wie das Bild eines Modernen; eine lyrisch ab-
gestimmte Landschaft verliert nichts von ihrem Duft und Franz
Stucks leuchtende Farben haben die Umgebung ebenso wenig
zu scheuen, wie Habermanns Variationen zum Thema „Weib".
Weder durch nebensächliches Beiwerk, noch durch über-
ladene pomphafte Raumarchitektur wird hier die Aufmerksam-
keit des Besuchers von den ausgestellten Kunstwerken ab-
gelenkt.
E. Seidl versteht eben unter den mannigfaltigsten Umständen
und verschiedenartigsten Verhältnissen mit der ihm eigenen
meisterhaften Sicherheit der jeweiligen Zwecksbestimmung
bestens Rechnung zu tragen.
Um die Vielseitigkeit des Meisters entsprechend zu illustrieren
würde noch
manch gelunge-
nes Interieur ein-
gehender zu wür-
digen sein. Es
soll von diesen
nur erwähnt wer-
den der intim
wirkende Buffet-
raum im Gärtner-
platztheater in
München und das
vornehme Offi-
zierskasino des
Schweren Reiter-
Regiments da-
selbst, sowie die
Offizierskasinos in
Landshut, Dieuze
und Saargemünd.
Mit welchen Er-
folgen er bemüht
war, jeder Auf-
gabe, auch der
kleinsten, das er-
forderliche Inter-
esse abzugewin-
nen und sich bei
deren Lösung vor-
wiegend nur von
künstlerischen
Gesichtspunkten
leiten zu lassen,
zeigen schon seine
Erstlingswerke
Haus Dr. Brücke, Thumersbach Zell (a/See).
21
Jagdhaus Carl Sedlmayr, Kommerzienrat, Walchsee.
mässe ausgeführte Frauenbüste. — Im allgemeinen kommt in
der Durchbildung der Fassaden das Streben nach Einfachheit
unter Betonung der Konstruktion unverkennbar zum Ausdruck.
Der aparten, auf glücklicher Kombinierung verwandter
Stilmotive in freier Bearbeitung beruhenden Gestaltung des
Aeusseren entspricht das Innere.
Hier tritt uns die Vielseitigkeit und Sicherheit des raum-
gestaltenden Künstlers in ungeahntem Masse entgegen; wir
begegnen einer modernen Kunstanschauung im besten Sinne!
Die von dem Meister da geschaffenen Räume disharmonieren
ebenso wenig mit dem schwarzen Gesellschaftskleide, wie
etwa mit einer hochmodernen Damentoilette. Diese Räume
mit den wirkungsvoll gegliederten, einfach stukkierten weissen
Decken und den mit farbigen Stofftapeten bespannten Wänden
sind von einer Fülle gleichmässigen, künstlich gedämpften
Tageslicht durchflutet; kein Tausenderlei von Dekor stört in
ihnen die künstlerische Weihe. Seidls feines Kunstempfinden
liess es nicht zu,
dass die Architek-
tur seiner Räume
etwa auf Kosten
der auszustellen-
den Bildwerke in
den Vordergrund
trete; keines von
beiden leidet un-
ter dem anderen,
das eine gehört
zum andern!
Mitdenfrüheren
Anschauungen,
nach denen man
glaubte grosse
Vorbereitungen
zum Hängen eines
Bildwerkes treffen
zu müssen und
ohne Zuhilfe-
nahme von dun-
kelblauen oder
anderen beliebten
farbigen und
schweren Stoffen,
ohne gebauschte
Samt- oder Sei-
dendraperien und
ohne reichlichen
Aufwand von ver-
goldeten Details
die erwünschte
Wirkung nicht er-
zielen zu können,
ist in diesen Ausstellungsräumen völlig gebrochen. — Mit
keinem dieser zweifelhaften Hilfsmittel ist hier gerechnet
und doch bleibt der Wert jedes einzelnen zur Ausstellung
gebrachten Bildes voll gewahrt. Ein Lenbach wirkt da
ebenso gut, wie das Bild eines Modernen; eine lyrisch ab-
gestimmte Landschaft verliert nichts von ihrem Duft und Franz
Stucks leuchtende Farben haben die Umgebung ebenso wenig
zu scheuen, wie Habermanns Variationen zum Thema „Weib".
Weder durch nebensächliches Beiwerk, noch durch über-
ladene pomphafte Raumarchitektur wird hier die Aufmerksam-
keit des Besuchers von den ausgestellten Kunstwerken ab-
gelenkt.
E. Seidl versteht eben unter den mannigfaltigsten Umständen
und verschiedenartigsten Verhältnissen mit der ihm eigenen
meisterhaften Sicherheit der jeweiligen Zwecksbestimmung
bestens Rechnung zu tragen.
Um die Vielseitigkeit des Meisters entsprechend zu illustrieren
würde noch
manch gelunge-
nes Interieur ein-
gehender zu wür-
digen sein. Es
soll von diesen
nur erwähnt wer-
den der intim
wirkende Buffet-
raum im Gärtner-
platztheater in
München und das
vornehme Offi-
zierskasino des
Schweren Reiter-
Regiments da-
selbst, sowie die
Offizierskasinos in
Landshut, Dieuze
und Saargemünd.
Mit welchen Er-
folgen er bemüht
war, jeder Auf-
gabe, auch der
kleinsten, das er-
forderliche Inter-
esse abzugewin-
nen und sich bei
deren Lösung vor-
wiegend nur von
künstlerischen
Gesichtspunkten
leiten zu lassen,
zeigen schon seine
Erstlingswerke
Haus Dr. Brücke, Thumersbach Zell (a/See).