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DER BAUMEISTER » 1905, MÄRZ.
an. (Abb. 1.) In der Basilika zu S. Gimignano gibt es auch
einmal einen Dachstuhl aus dem 13. Jahrh. ganz ohne Künst-
eln Brett oder durch verputzte Lehmstaken geschlossen. Die
Kunstform beschränkt sich in der Regel auf eine Abfasung
formen; indes war doch wohl eine alte Be-
malung vorhanden.
Die Decken mit sichtbaren Balken in ro-
manischen Profangebäuden haben keine er-
sichtliche Gelegenheit zur Entwickelung von
Kunstformen gegeben; ausserdem ist es frag-
lich, ob einzeln erhaltene Decken, wie die in
den deutschen Kaiserpfalzen, noch die ur-
sprünglichen sind. — Die Balkendecke von
St. Cyriaki in Gernrode ist vermutlich er-
neuert, aber doch wohl in den alten Formen;
sie zeigt nach unten abgerundete mit Kerb-
schnitt verzierte Balken und bemalte Zwi-
schenfelder.
Die Wandtäfelung wird im altnordischen
Holzbaustil und ebenso in der romanischen
Periode nach dem Prinzip der teppichartigen
Flächendekoration behandelt, wie sie denn
in der Tat bestimmt ist, an den unteren
Teilen der Wände die Teppiche zu ersetzen.
Das Technische der Brettzusammenfügung
tritt hierbei in den Hintergrund.
Die Anwendung eigentlicher Zimmer-
manns-Technik lässt sich klar an den roma-
nischen Möbeln beobachten. Dieselben sind
als Gerüst aus viereckigen miteinander ver-
zapften Stollen gebildet, zwischen welchen
die Flächen durch eingezapfte mit einge-
tieftem Schnitzwerk oder Malerei verzierte
Bretter hergestellt werden. Nur in den Arm-
sesseln und Faltstühlen kommen noch antike
Reminiszenzen zum Durchbruch. — Ein
romanischer Schrank im Dom zu Halber-
stadt ist ganz in Zimmermannsart herge-
stellt, der Oberteil ist durch Kerbschnitte
zugleich durch einige der Architektur ent-
lehnte Formen, wie Dreipässe und eine Flach-
bogenblende, verziert; die ungegliederten
Brettflächen der Türflügel sind bemalt.
Der bestimmende Einfluss, welcher von
der Technik auf die Kunstform der Holz-
arbeiten ausgeübt wird, kommt in der go-
tischen Stilperiode entschiedener als früher
zur Geltung. Einer schon weiter oben er-
wähnten Eigenschaft des Holzes, in der Quer-
richtung des Wuchses nur einen geringen
Abb. 2: Verona, S. Fermo Maggiore.
der unteren Balkenkanten, wobei die Enden
viereckig bleiben. In reicher ausgestatteten
Räumen, hauptsächlich in kleineren, ist die
Unterfläche der Balken durch Flachschnit-
zereien verziert. Die vorkommenden Profi-
lierungen werden nach dem der Gotik eigen-
tümlichen Prinzip des Herausarbeitens aus
der Masse gestaltet, sodass Rundstäbe und
Kehlen der Ecken in den vollen Holzkörper
eingeschnitten werden. Die Zwischenfelder
sind als einfache oder gestülpte Bretter-
decken gebildet. Bisweilen ist eine Brett-
verschalung unter die Balken genagelt und
die Fugen der Bretter sind durch profilierte,
meist mit Kehlen versehene Leisten gedeckt.
In grösseren Räumen ruhen die Balken auf
Trägern, welche wieder durch Steinpfeiler
oder Holzsäulen mit Kopfbügen und Sattel-
hölzern unterstützt sind. Die Verzierung der
Säulen und Kopfbüge besteht aus Einschnitten,
Abkantungen und im Falle reicherer Aus-
bildung aus figürlichen und ornamentalen
Schnitzereien, welche immer aus dem Vollen
herausgeholt sind.
Der Saal des Kaufhauses in Konstanz bildet
eine mächtige, durch Holzsäulen dreischiffig
geteilte Halle; die Balken der Decke ruhen
auf starken Trägern. In der Feste Coburg
sind mehrere Säle mit Balkendecken ver-
sehen, deren Zwischenfelder aus gestülpten
Bohlen bestehen. Ein Raum im Kloster Lüne
bei Lüneburg zeigt Träger und Säulen in
einfacher Zimmertechnik vom Ende des
14. Jahrh. Der Rathaussaal in Haarlem be-
sitzt eine auf Trägern ruhende Balkendecke
aus dem 13. Jahrh., bei welcher Kunst-
formen nur an den Kopfbügen vorkommen.
In italienischen Rathäusern finden sich be-
sonders grossartig wirkende Balkendecken;
so im Ratssaale des Palazzo della Signoria
zu Siena aus dem 14. Jahrh., wo die Bal-
kenenden auf Konsolen ruhen und die Zwi-
schenfelder durch Leisten geteilt sind; die
Einzelformen stehen bereits im Übergange
zur Renaissance. Der Ratssaal im Palazzo
della Podesta in Gimignano ist mit einer
Zusammenhang zu
besitzen, trägt die
Zierweise des go-
tischen Stils in der
Art Rechnung, dass
sie das Ornament
meist nur auf einem
flach ausgehobenen
Grunde zur Dar-
stellung bringt. —
Die Balkendecken
in den Burghäusern
der gotischen Zeit
sind vor allem auf
Festigkeit und
Dauer berechnet,
indem die Balken
sehr dicht, meist
nur in einem Ab-
stande gleich ihrer
Breite gelagert sind
und ihre Köpfe zur
Vermeidung der
Mauerfäule nicht in
Abb. 3: Selommes, Kirche.
Balkendecke ähn-
lich der vorigen
überspannt.
In den Wohn-
häusern Nordwest-
deutschlands bleibt
die Balkendecke
meist ohne untere
Verschalung und
die obere Hälfte
des Raums zwi-
schen den Balken
wird durch ver-
putzte Lehmstaken
ausgefüllt. In der
süddeutschen
Gruppe ist die
Lehmstakung eben-
falls üblich, doch
ist die untere Brett-
verschalung häufi-
ger als im Norden.
Ihrem Charakter
als wesentliche Ge-
die dicken Mauern eingebettet sondern durch Auskragungen wölbkunst getreu, überträgt die Gotik ähnliche Formen auch auf
unterstützt werden. Die schmalen Zwischenfelder sind durch die Holzdecken, und zwar mit Ausnahme der überkleideten
DER BAUMEISTER » 1905, MÄRZ.
an. (Abb. 1.) In der Basilika zu S. Gimignano gibt es auch
einmal einen Dachstuhl aus dem 13. Jahrh. ganz ohne Künst-
eln Brett oder durch verputzte Lehmstaken geschlossen. Die
Kunstform beschränkt sich in der Regel auf eine Abfasung
formen; indes war doch wohl eine alte Be-
malung vorhanden.
Die Decken mit sichtbaren Balken in ro-
manischen Profangebäuden haben keine er-
sichtliche Gelegenheit zur Entwickelung von
Kunstformen gegeben; ausserdem ist es frag-
lich, ob einzeln erhaltene Decken, wie die in
den deutschen Kaiserpfalzen, noch die ur-
sprünglichen sind. — Die Balkendecke von
St. Cyriaki in Gernrode ist vermutlich er-
neuert, aber doch wohl in den alten Formen;
sie zeigt nach unten abgerundete mit Kerb-
schnitt verzierte Balken und bemalte Zwi-
schenfelder.
Die Wandtäfelung wird im altnordischen
Holzbaustil und ebenso in der romanischen
Periode nach dem Prinzip der teppichartigen
Flächendekoration behandelt, wie sie denn
in der Tat bestimmt ist, an den unteren
Teilen der Wände die Teppiche zu ersetzen.
Das Technische der Brettzusammenfügung
tritt hierbei in den Hintergrund.
Die Anwendung eigentlicher Zimmer-
manns-Technik lässt sich klar an den roma-
nischen Möbeln beobachten. Dieselben sind
als Gerüst aus viereckigen miteinander ver-
zapften Stollen gebildet, zwischen welchen
die Flächen durch eingezapfte mit einge-
tieftem Schnitzwerk oder Malerei verzierte
Bretter hergestellt werden. Nur in den Arm-
sesseln und Faltstühlen kommen noch antike
Reminiszenzen zum Durchbruch. — Ein
romanischer Schrank im Dom zu Halber-
stadt ist ganz in Zimmermannsart herge-
stellt, der Oberteil ist durch Kerbschnitte
zugleich durch einige der Architektur ent-
lehnte Formen, wie Dreipässe und eine Flach-
bogenblende, verziert; die ungegliederten
Brettflächen der Türflügel sind bemalt.
Der bestimmende Einfluss, welcher von
der Technik auf die Kunstform der Holz-
arbeiten ausgeübt wird, kommt in der go-
tischen Stilperiode entschiedener als früher
zur Geltung. Einer schon weiter oben er-
wähnten Eigenschaft des Holzes, in der Quer-
richtung des Wuchses nur einen geringen
Abb. 2: Verona, S. Fermo Maggiore.
der unteren Balkenkanten, wobei die Enden
viereckig bleiben. In reicher ausgestatteten
Räumen, hauptsächlich in kleineren, ist die
Unterfläche der Balken durch Flachschnit-
zereien verziert. Die vorkommenden Profi-
lierungen werden nach dem der Gotik eigen-
tümlichen Prinzip des Herausarbeitens aus
der Masse gestaltet, sodass Rundstäbe und
Kehlen der Ecken in den vollen Holzkörper
eingeschnitten werden. Die Zwischenfelder
sind als einfache oder gestülpte Bretter-
decken gebildet. Bisweilen ist eine Brett-
verschalung unter die Balken genagelt und
die Fugen der Bretter sind durch profilierte,
meist mit Kehlen versehene Leisten gedeckt.
In grösseren Räumen ruhen die Balken auf
Trägern, welche wieder durch Steinpfeiler
oder Holzsäulen mit Kopfbügen und Sattel-
hölzern unterstützt sind. Die Verzierung der
Säulen und Kopfbüge besteht aus Einschnitten,
Abkantungen und im Falle reicherer Aus-
bildung aus figürlichen und ornamentalen
Schnitzereien, welche immer aus dem Vollen
herausgeholt sind.
Der Saal des Kaufhauses in Konstanz bildet
eine mächtige, durch Holzsäulen dreischiffig
geteilte Halle; die Balken der Decke ruhen
auf starken Trägern. In der Feste Coburg
sind mehrere Säle mit Balkendecken ver-
sehen, deren Zwischenfelder aus gestülpten
Bohlen bestehen. Ein Raum im Kloster Lüne
bei Lüneburg zeigt Träger und Säulen in
einfacher Zimmertechnik vom Ende des
14. Jahrh. Der Rathaussaal in Haarlem be-
sitzt eine auf Trägern ruhende Balkendecke
aus dem 13. Jahrh., bei welcher Kunst-
formen nur an den Kopfbügen vorkommen.
In italienischen Rathäusern finden sich be-
sonders grossartig wirkende Balkendecken;
so im Ratssaale des Palazzo della Signoria
zu Siena aus dem 14. Jahrh., wo die Bal-
kenenden auf Konsolen ruhen und die Zwi-
schenfelder durch Leisten geteilt sind; die
Einzelformen stehen bereits im Übergange
zur Renaissance. Der Ratssaal im Palazzo
della Podesta in Gimignano ist mit einer
Zusammenhang zu
besitzen, trägt die
Zierweise des go-
tischen Stils in der
Art Rechnung, dass
sie das Ornament
meist nur auf einem
flach ausgehobenen
Grunde zur Dar-
stellung bringt. —
Die Balkendecken
in den Burghäusern
der gotischen Zeit
sind vor allem auf
Festigkeit und
Dauer berechnet,
indem die Balken
sehr dicht, meist
nur in einem Ab-
stande gleich ihrer
Breite gelagert sind
und ihre Köpfe zur
Vermeidung der
Mauerfäule nicht in
Abb. 3: Selommes, Kirche.
Balkendecke ähn-
lich der vorigen
überspannt.
In den Wohn-
häusern Nordwest-
deutschlands bleibt
die Balkendecke
meist ohne untere
Verschalung und
die obere Hälfte
des Raums zwi-
schen den Balken
wird durch ver-
putzte Lehmstaken
ausgefüllt. In der
süddeutschen
Gruppe ist die
Lehmstakung eben-
falls üblich, doch
ist die untere Brett-
verschalung häufi-
ger als im Norden.
Ihrem Charakter
als wesentliche Ge-
die dicken Mauern eingebettet sondern durch Auskragungen wölbkunst getreu, überträgt die Gotik ähnliche Formen auch auf
unterstützt werden. Die schmalen Zwischenfelder sind durch die Holzdecken, und zwar mit Ausnahme der überkleideten