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Baumeister: das Architektur-Magazin — 3.1905

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Heft 8 (1905, Mai)
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Gruner, Otto Rudolf: Das Schweizer Bauernhaus
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https://doi.org/10.11588/diglit.49991#0096

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DER BAUMEISTER • 1905, MAI.

Das Haus der Ur Schweiz (der Waldstätten) hingegen
verleugnet seinen allemannischen Charakter in keinem Teil.
Die bebaute Grundfläche geht bei den ältesten Vertretern
herab bis auf 5 X 9 m; es enthält vorn Stube und „Stübli“;
hinten die Küche (das „Firhaus“), zu der auch der seitliche Ein-
gang führt. In einem
halbkreisförmigen
Ausschnitte des Herds,
etwas tiefer gelegen
als der Küchenfuss-
boden, ist die sogen.
Feuergrube ausge-
spart und über ihr
schwebt am Balken-
arm des „Turners“
das grosse „Kessi“
(der Milchkessel). Ein
riesiger Kaminschoss
(Herdmantel) aus
Lehmhorden, auf
einem vorkragenden
Balkenkranz ruhend,
überdeckt den ganzen
Herd. Der Giebel ist
immer nach derStrasse
gerichtet, das Dach
ist flach. Die Block-
wände („Strick-
wände“) sind mit Heu
oder trocknem Moos
gedichtet, an der In-
nenseite rauh oder ge-
hobelt und mit Aus-
nahme der beiden
Wohnräume, die meist
einfache Leistenvertäfelung haben, immer sichtbar. Bei der
„Gewettwand“ liegen die Balken ganz dicht aufeinan-
der. In Unterwalden und Zug ist die Verschindelung der
Blockwand Aussenseiten (durch den „Verander“) ganz all-
gemein gebräuchlich. Es gibt übrigens, namentlich an der
hinteren Herdseite,
auch Riegelwände (in
der Urschweiz
„Wickelwände“, wahr-
scheinlich von den
früher verwendeten
Lehmstaken so ge-
nannt). An Stelle der
nie vorkommenden
Stirnlauben sind an
der Giebelseite die auf
die ganze Hausbreite
in jedem Geschoss
über den Fenstern
angebrachten Vor-
dächer (Klebdächlein)
sehr beliebt; sie ruhen
auf den nach aussen
verlängerten Block-
balken der Umfas-
sungs- und Zwischen-
wände. Unter den
Sparrenvorsprüngen,
die bis zu 75 cm be-
tragen, werden beider-
seits offene oder ver-
schalte Lauben gern
angelegt. —Bei derDe-
koration der Aussen-
seiten spielt die Farbe eine hervorragende Rolle, wenn es auch
an geschnitzten Konsolen, ausgeschnittenen Bretern und dergl.
nicht gänzlich fehlt. Beim Abbruch des Gasthofs „zum Stern“
in Flüelen fand man von innen bemalte Blockwände aus dem
14. Jahrhundert! (Züricher Landesmuseum.)

Der bekannteste Typus, dem das schweizer Haus seine
architektonische Berühmtheit verdankt, ist das Bernerober-
länder haus. Seine Ausbreitung überschreitet die Oberland-
grenzen in nur geringer Ausdehnung. Der Grundriss kleiner
und einfacherer Häuser zeigt den Eingang mit offenem oder

Täsch (Wallis).
geschlossenem Vorplatz unter der Seitenlaube; daran schliesst
sich, rechtwinkelig zur Firstlinie, ein Mittelgang, von dem
man Küche, Wohnstube und Kammern erreicht. Nach dem
Obergeschoss mit schmalem Gang und zwei gleich grossen
Kammern an den Giebeln führt eine Treppe aus eichenen

Schloss von Granges (Wallis).
Blockstufen, die auf breiten balkenartigen Zargen aufge-
dübelt sind. Es gibt aber auch zweiteilige Häuser, mit
breiter Fassadentwicklung, die beiderseits von einer unter
dem First stehenden Mittelwand je eine Familienwohnung
enthalten, endlich auch dreiteilige, bei denen die dritte Woh-
 
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