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- 16

Stiniiming kehrte ich nach angelegtem Verbände in
meine Wohnung zurück, um mich wieder umzukleiden.
Mit dein Glockenschlage Acht trat ich in das
Speisezimmer der Familie Klobich, wo die Ge-
sellschaft schon versammelt war. Man hatte mit
den: Essen ans mich gewartet, denn nach der klein-
bürgerlichen Etikette von Dunzfeld wäre ja der
Mahlzeit der ganze Charakter eines Familienfestes
geraubt gewesen, wenn man nicht vor der Suppe
Steinweg's uud Augustens Verlobung und die-
jenige von Johanna und mir hätte proklamiren
können. Johanna erschien mir bereits in einem
günstigeren Lichte: mit dein bräutlich schüchternen,'
weichen, holden Ausdruck im erglühenden Antlitz,
mit dem feuchten glänzenden Auge und zärtlichen
Blick, dem gewinnenden sanften Lächeln erschien sie
mir eine ganz Andere als vordem, und trotz Stumpf-
näschen uud welligem krausem §daare doch nicht
minder hold und begehrenswerth als ihre statt-
lichere, ruhigere Schwester!
Was brauch' ich mehr zu sagen? Tag für Tag
lernte ich Johanna besser kennen und entdeckte
neue werthvolle und liebreicheSeiten ihres Charakters.
Ich gewann sie herzlich lieb und war auch richtig
glücklich und zufrieden, als ich im Frühling mit
ihr vor den Altar trat. Was ich mir damals
von ihr versprochen, hat mich auch nicht getäuscht:
sie ist die heiterste, liebreichste Gattin und zärt-
lichste Mutter; sie steht in keiner Weise hinter
Augusten zurück, ja sie ist geistig vielleicht noch
bedeutender. Seither sind zehn Jahre vergangen
— schöne, frohe, an holden Erinnerungen reiche
Jahre; ein Kleeblatt heiterer Kinder verschönert
unser Dasein, belebt unser bescheidenes Hauswesen,
und gerade in diesem Augenblicke schaut mir Johanna
über die Schulter, um zu sehen, woran ich so
eifrig schreibe, und erfährt nun zum ersten Male,
welchem Mißverständnisse ich ihren Besitz verdanke,
und fragt neckend: „Nun siehst Du, Wilibald, daß
die Ehen im Himmel geschlossen werden? Hättest
Du sonst mit mir glücklich zu werden vermocht
durch eine solche Heirath wider Willen?"

Die Hoffnung Oesterreichs.
(Siehe das Bild auf S. 12.)
So lange es Fürsten und Herrscher gab, haben uns
nicht nur diejenigen intcrcssirt, welche dermalen das
Ruder des Staates führen, sondern in mindestens
ebenso hohem Grade auch deren Thronerben und Nach-
folger. Nie zufrieden mit dem was die Gegenwart
bietet, schaut ja der Mensch von jeher hoffnungsvoll
in die Zukunft. Und wie sehr daher ein Volk auch in
Liebe und Anhänglichkeit seinem zeitweiligen Regenten
zugethan sein mag, so schließt dies doch nicht aus, daß
sich sein Interesse in nicht geringerem Grade auch dem-
jenigen zuwenden mag, dem das Schicksal einst das
Scepter in die Hand legen wird. Dies ist denn auch
in Oesterreich der Fall, wo man, ohne undankbar zu
sein gegen die Schöpfungen des jetzigen Kaisers, doch
alle die Mißverhältnisse des Dualismus schwer empfin-
det und in der Erwartung, daß die jetzt so hoch gehen-
den Wogen der National-Nivalitüten und politischen
Ambitionen und Leidenschaften sich bis dahin gelegt
und geklärt haben werden, auf ruhigere und gedeih-
lichere Zustände in einem fernen Entwicklungsstadium
Neu- Oesterreichs vertraut und daher die innigsten
Wünsche und Hoffnungen auf den Thronerben Rudolf
setzt. Ihm dürfte cs bcschicdcn sein, die Negierung in
einer ruhigeren Zeit und unter glücklicheren Auspicien
anzutretcn, zumal wenn ihm das Geschick -erst als
einem gereiften Manne die Krone auf das Haupt setzt.
Für jetzt hört man nur allgemein in Oesterreich, daß
der, am 21. August 1858 geborene Kronprinz Rudolf
persönlich zu den schönsten Hoffnungen berechtige, daß
er eine Menge Talente und Vorzüge des Geistes und
Charakters entfalte, welche ihn als ein ausgezeichnet
und ungewöhnlich begabtes Kind erscheinen lassen. Der
Kronprinz ist ein munterer, frischer, aufgeweckter Knabe
und verräth schon jetzt jenes rasche Auffassungsver-
mögen, jenes glänzende Sprachtalent, jene rege Lcrn-
hegicrde, welche feiner Zeit auch seinen kaiserlichen

Vater auszeichneten. Die Erziehung des Kronprinzen
ist eine ebenso sorgfältige und gründliche, wie einfache
und vorurthcilsfreie, und geht ganz unter den Augen
seiner anmuthigen charaktervollen Mutter vor sich, und
wo nur immer das Volk den gesunden, kräftigen Kron-
prinzen zu sehen bekommt — namentlich auf dem Lande,
wo der Kaiser sich im Schoos seiner Familie von den
Sorgen, Kämpfen und Aufregungen der Regierung
und des noch unreifen Parlamentarismus zu erholen
liebt — da zeigt die aufrichtige enthusiastische Freude
für den „herzign Buabn," welche Hoffnungen die Völ-
ker Oesterreichs in unwandelbarer Liebe und Treue
auch auf den Sohn und Erben desjenigen Kaisers
setzen, der mit dem traditionellen Absolutismus ge-
brochen hat. Möge der Sohn den gelockerten Ver-
band der Monarchie wieder fester schließen durch Frei-
heit und Recht! Möge er dereinst in jeder Hinsicht
die Hoffnungen rechtfertigen, welche seine mannigfalti-
gen und vielgeprüften Völker so zuversichtlich aus ihn
setzen! O. M.

Ein ehemaliger Handelsartikel.
Kulturhistorische Notiz.
In unserer Zeit, welche so großes Interesse
für statistische Znsammenstellungen hat, in welcher die
Statistik sich zu einer Wissenschaft emporgeschwun-
gen, so daß die Menschheit ihr Soll und Haben
am liebsten in Zahlen ausgcdrückt sieht, um mit
einem Blick übersehen zu können, wie es denn mit
dem Fortschritt steht — in unserer Zeit, wo nicht
blos der Kaufmann, sondern auch der Staats-
mann, der Staatsökonom, ob Reaktionär oder De-
magoge, alljährlich seine Bilanz zieht, dürfte es
nicht uninteressant sein, einen kurzen Blick auf den
großen, weitausgebreitcten Handel zu werfen,
welchen die Staaten Enropa's, die Kulturstaaten,
lange Zeit erfolgreich betrieben, — auf den Han-
del mit Menschen.
Wir wollen ganz absehen von dem Handel mit
weißem Menschen, für welche Jahrhunderte hindurch
der Kaukasus ein beliebter Markt war, wir wollen
die vielen Tausende von Männern, Weibern und
Kindern nicht in unser Soll eintragen, welche die
Türken zur Zeit der Freiheitskriege auf den Skla-
venmarkt schleppten, — wir wollen uns nur mit
einer Spezialität dieses gesuchten Artikels beschäf-
tigen. Dies vereinfacht die geschäftliche Bilanz —
die Waare ist immer dieselbe — und wir können
behaupten, daß sie echt ist — in der Wolle ge-
färbt — ein Muster so schwarz wie das andere.
Wir reden von den Negern, unseren unglücklichen
Brüdern, welchen. Dank dem amerikanischen Kriege,
nunmehr mit 29 gegen 8 Stimmen im Kongreß
zu Washington die volle Gleichberechtigung mit den
Bleichgesichtern, das Wahlrecht, erst vor wenigen
Wochen znerkannt wurde.
Die Portugiesen waren die ersten, welche den
Negerhandcl betrieben/ und in 198 Jahren führten
sie auf ihre westindischen Besitzungen 792,000
Sklaven. Nach der Entdeckung Brasiliens waren
bis Ende des 16. Jahrhunderts bereits 300,000
Neger dorthin transportirt. Von da an, bis zur
Aufhebung der Sklaverei wurden nach Brasilien
allein 4,380,000 Schwarze importirt. Die Sklaven-
einfuhr in den britischen Colonicen Amerika's be-
trug von 1680 — 1786 die kolossale Summe von
2,130,000 Individuen.
Die Gesammtzahl der Neger, welche die Fran-
zosen auf ihre westindischen Besitzungen führten,
belief sich in 70 Jahren auf 1,400,000; die Hollän-
der brachten cs in 10 Jahren auf 400,000 Skla-
ven; die Dünen auf 100,000.
Die Amerikaner bezogen in runder Summe
jährlich 7500 Exemplare dieses Artikels. Im Gan-
zen wurden innerhalb 300 Jahren der Westküste
Afrika's 11,000,000 schwarze Menschen entzogen.
Diese Zahl ist im Interesse der moralischen Ver-
antwortung sehr gering gegriffen, es gibt Schrift-
steller, welche sie nicht gelten lassen und 50, ja
55 Millionen dafür nnnehmen. Die Summe aller

Neger, welche gegenwürlig außerhalb Afrika's leben,
steigt nicht über 7,000,000. Trotz der Zunahme
durch Geburten, die bei den Sklaven sehr begün-
stigt wurde, ist seit dem Jahre 1820, wo jene
Sklavenzahl 11,000,000 betrug, durch klimatische
und sonstige traurige Verhältnisse die Bevölkerung
um 4,000,000 gesunken. Welches Elend, welche
ungeheueren Leiden, welche furchtbaren Schicksale der
Einzelnen — um eine solche Abnahme zu erzeugen!
Diese Millionen sind als Märtyrer für unsere
Luxusgenüsse, für Zucker, Kaffee, Spezereien und
Baumwolle in den Tod gegangen, nur weil eine
heißere Sonne ihre Haut schwarz färbte, weil ihr
Geburtsort, der südliche Himmelsstrich, sie nicht
zu der geistigen Anstrengung zwang, welcher wir
unserer Kultur verdanken. Jetzt sind sie frei —
jetzt ist der schwarze und weiße° Mensch gleich vor
dem Gesetz; — der Neger hat seine Freiheit er-
rungen, nicht auf blutigem Schlachtfeld — er
hat sie nicht erkämpft — er hat sie gewonnen
durch unsägliche Leiden, welche seinen Peinigern
endlich ihr großes Unrecht in's Bewußtsein riefen,
ihr Mitleid weckte, bis die Gerechtigkeit über den
Nutzen triumphirte. — Wenn es ein schönes Blatt
gibt in der traurigen Geschichte der Menschheit, so
ist es dasjenige, welches die Abschaffung der Skla-
verei verzeichnet! F. C. Sch.

Mlder-UätM.


Kharade.
Man tritt mich mit Füßen,
Doch auch mit Küssen
Bedeckt man mich.
Ursprünglich dien' ich
Als Kleidungsstück;
Wo ich diene als Zepter,
Wohnt selten das Glück.

Wriefli affen.
* Jacobi in B. — Wir empfehlen Ihnen für
Ihre Zwecke die Zimmcrgyinnastik. Sie sitzen bei Ihrem
Berufe zu viel und strengen nur einseitig den Oberkörper
an, während die Beine und Füße gänzlich ruhen: daher die
hämorrhoidalen Affektionen und chas Podagra. Allen Gra-
veuren, Juwelieren, Gold- und Albcrschmicdcn, Uhrmachern
und sonstigen Arbeitern, welche eine vorzugsweise sitzende
Beschäftigung haben, kann zu Hebung ihrer Gesundheit das
Turnen nicht ernstlich genug empfohlen werden. Verschaffen
Sic sich das Schreber'sche Werk über Zimmergymnastik und
suchen Sic sich darin die für Ihre Zwecke vorgcschricbencn
Hand- und Fußübungcu, machen Sie dieselben gewissenhaft
und regelmäßig durch, uud Sie können sich ohne Arzt selbst
kurircn.
"Mathilde in Frkf. — Wenn Sie „vor Fleisch
und Gemüse" einen Widerwillen empfinden nnd beinahe nur
von „Brod uud Kaffee leben," so dürfen Sic sich über den
ungesunden Teint und die große Ncrvenrcizbarkeit nicht
wundern, denn beide sind Symptome mangelhafter Ernäh-
rung und führen mit der Zeit bedenkliche Folgen herbei.
Nur eure genügende Abwechselung von thierischen und pflanz-
lichen Nahrungsstoffcn in Verbindung mit gutem trockenem
(nicht frischem) Brod sichern dem thätigcn Menschen eine
genügende und kräftigende Ernährung.
" Eine besorgte Hausmutter in E. — Ja,
cs ist sehr möglich, daß der Krieg die Knffccpreisc noch
mehr in die Höhe treibt uud dieses Nahrungsmittel den
Acrmeren beinahe unzugänglich macht. Kaffee-L-urrogate
gibt cs schon genug, aber die besten sind Eichel- und Gersten-
kaffee, beide von großem Nahrungswcrthe.

Ncdncticm, Druck u. Verlag van Hermann Schöltlcin.
 
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