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Auf ewig verloren.
Den Erlebnissen eines Anwalts nacherzählt
von
Iran; Lugen.
(Fortsetzung.)
Eines Tages brachte Morton einen jungen
Mann nach Hause, den er mir als den Maler
S . .. . vorstellte; er eröff¬
nete mir zugleich, er habe
ihn gebeten, mein Bild zu
malen.
„Für wen denn?" fragte
ich erstaunt.
„Das wirst Du schon
erfahren," war die kurze
barsche Antwort. Ich wagte
keinen Widerspruch, das
finstere, herrische Wesen
meines Gatten hatte mich
so eingeschüchtert, daß ich
selten den Muth fand, mich
seinem Willen zu wider-
setzen. Das Bild wurde
also gemalt, und erst als
es beendigt war, erfuhr ich,
für wen es Morton be¬
stimmt hatte. „Wir haben
kein Geld mehr," sagte er
mit einem schlauen Lächeln
zu mir, während er die
Kiste, in die das Bild ver-
packt worden, siegelte und
adressirte, „und ich muß
darauf sinnen, meinen alten
Onkel weich zu machen, da-
mit er seine milde Hand
aufthut. Er hat eine große
Schwäche für schöne Gesich¬
ter, und da man, wenn man
etwas bei den Leuten er¬
reichen will, sie an ihren
schwachen Seiten fassen muß,
so habe ich ihm Dein Bild
geschickt, ihm unsere Heirath
notificirt,und ihn eingeladen,
uns hier zu besuchen, um
sich selbff zu überzeugen, daß
ein leichtsinniger Neffe, den

er zu verstoßen gewagt, endlich sich bekehrt und ein
solider Ehemann geworden ist. Ich wette, er beißt
auf diesen Köder, verzeiht mir allen Aerger, den ich
ihm schon bereitet, und kommt hierher. Daun wird
es Deine Ausgabe sein, Katy, fein filziges, geiziges
Herz durch Deine Liebenswürdigkeit so zu erweichen,
daß er den Deckel seiner Geldkiste öffnet und mir
gestattet, einen tüchtigen Griff hinein Zu thun."

Ich war überrascht, zu hören, daß dieser Onkel
keine mythische Person sei, sondern wirklich existirte,
denn Alles was Morton meinem Vater vor unse-
rer Verheiratung über seine Verhältnisse und seine
pekuniäre Lage gesagt, hatte sich mir nach und
nach als falsch und erlogen herausgestellt, und
so hatte ich auch nicht mehr an das Dasein jenes
reichen Onkels mit dem vornehmen Titel geglaubt.
So unerfahren ich auch war,
so gering meine Welt- und
Menschenkenntniß auch sein
mochte, das war mir doch
längst klar geworden, daß
ich an einen notorischen
Spieler, an einen Mann
ohne Ehre und Gewissen
gefesselt sei. Er mußte seinen
Onkel sehr genau kennen,
denn er rechnete fest auf das
Gelingen seines Planes.
Eines Abends fuhr noch
spät ein Wagen vor unserem
Hause vor, und gleich dar-
auf trat ein Mann in Reise-
kleidern in den Salon, wo
Morton eben wieder mit
einigen Herren am Spiel-
tisch saß. Er sprang hastig
auf, als er den Fremden
erkannte, warf die Karten
weg und schüttelte Diesem
mit dem Ausdruck lebhafter
Freude die Hand. Dann
wandte er sich zu mir und
stellte mir seinen Onkel, Sir
Anthony Morton, vor. So
kühl und gemessen dieser die
Begrüßung meines Gatten
erwiedert hatte, so herzlich
und warm war dagegen sein
Benehmen gegen mich. Er
nannte mich seine liebe
Nichte, küßte mich auf die
Stirn, von seinem Recht als
Onkel Gebrauch machend,
wie er scherzend sagte, und
ich hatte von dem ersten
Moment unserer Bekannt-
schaft an das Gefühl, in
F 67


General v. Hartmann. (S. 467.)
 
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