Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext

Das Mädchen von franco.
Erzählung uns den Pampas Südamerikas.
Von Julius Uticznip
Ein V o r p o st e n g e f e ch t.
Es brauste dcr Sturm, es blinkte kein Stern,
Es hatte der Mond selbst sein Antlitz verborgen.
Sie dachten Wohl Beide — der Tag war nicht fern,
iwer freut sich der Lorbeern des Sieges nm Morgen?
In den ausgedehnten Ebenen
zwischen dem Rio Negro und dem
Rio Colorado, nur wenige Legnas
von den Vorbergen der Anden
entfernt, lag in den letzten Jahren
des südamerikauischen Nevolu-
tionskampfes die Hacienda de
Nuestra Sennora del Destero, einst
ein schönes Landgut, jetzt ein
Trümmerhaufen.
Die saftgrünen, acht bis zehn
Fuß langen Biälter der hohen
Pisaugs, sowie die zierlichen For-
. men der Erythrina, beide zum'
Schutze zwischen die langen Reihen
der jüngeren Kakaobäume ge-
pflanzt, gaben der ganzen Anlage
den Schein eines ausgedehnten
Lusiwäldchens und die aus ihrer
Mitte hier und da cmporragen-
den Dächer der ehemals von Neger-
sklaven bevölkerten Hütten ver-
mehrten noch diese Täuschung.
Vor der Fronte des Land-
hauses, am Fuße des Hügels,
befand sich ein weites, gleichfalls
von Sklavenhütten, die durch
Lehmmauern unter sich verbunden
waren, geschloffenes Viereck. Es
war früher bestimmt, die Heerden
der halbwilden Stiere des Pflan-
zers anfzunehmen, wenn dieselben
im Frühjahre mittelst des glühen-
den Eisens gezeichnet wurden.
Diese Heerden hatte aber jetzt
der Krieg bereits aufgezehrt und
in dem weiten Raume liefen nun
die Pferde der Jäger des Gene-
rals Arismendi frei umher.

Manche der Thiers waren gesattelt, wenn man
ein auf den Nucken gegürtetes, mit zwei Stricken
anstatt der Steigbügel versehenes Kiffen einen
Sattel nennen darf, und nichts an ihnen verrieth
einen kriegerischen Aufputz.
Eine Abtheiluug Reiter bewegte sich, eure Stunde
von dem Landgute entfernt, langsam über die
Ebene.
Ein breiter herabgekrämpter Hut — der spa-
nische Sombrero — eine Art Mantel ohne Aermel,

Poncho genannt, vorn und hinten herabfalleud
und mit einem Loche in der Mitte, den Kopf
hindurch zu stecken, bedeckte spärlich die hageren,
von der Sonne dunkel gebräunten, wildblickenden,
mittelgroßen Gestalten, die durch einen mittelst
eines Strickes um den Leib gegürteten langen
Stoßdegen, mehr aber noch durch lange, an die
nackten Füße geschnallte, oft silberne Sporen ein
seltsames, auffallendes Aussehen hatten. Sie
waren mit laugen Lanzen bewaffnet und ritten
ohne militärische Ordnung durch-
einander; nur der Anführer, ein
blondlockiger junger Mann, in
geschmackvoller reichverzierter Uni-
form, ritt mit kriegerischem An-
stande an der Spitze der Truppe.
Der Morgen graute, »ls die
kleine Reiterschaar sich durch eine
unermeßlich lange Allee hinab
bewegte. Dieselbe wurde von den
schönsten dicht belaubten Bäumen
beschattet, an deren Aesten herr-
liche Blumen hervorwuchsen, oder
welche eingefaßt waren von Orchi-
deen, die an ihren langen Zwei-
gen Gehänge von rothen und
weißen Blüthsnbüscheln trugen.
Affen trieben sich hin nnd her,
von Zweig zu Zweig springend,
von Baum zu Baum hüpfend.
Weit und friedlich, im Glanz
der ausgehenden Sonne, dehnte
sich das reich durchblühte Land
hin. Aber in diesem Lande der
Wunder, in diesem Paradiese des
neuen Kontinents — war kein
Friede möglich.
Ganz Europa löschte seinen
unersättlichen Golddurst au dessen
reichen Schätzen, und tausend
Wundermärchen von dem fabel-
haften Reichthum des Landes
lockten die klugen Weißen nach
jenen friedlichen Gestaden. Was
will diese bewaffnete Truppe,
was der junge Anführer mit dem
blaffen schönen Gesicht, das nicht
an einen Eingeborenen, sondern
an einen Fremden erinnert. Er
F 23

Gras Otto v. Bismarck-Tchonhauscn. (S. 175.)
 
Annotationen