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ist auch ein Fremdling und zwar ein Deutscher,
ans sehr guter Familie, sein Name ist: Graf Ber-
nard Wallberg! In Europa begleitete er den Posten
eines Rittmeisters. Leicht, lebenslustig, obwohl
von bravstem und edelstem Herzen, stürzte er sich
in Schulden, ein Duell zog ihm Verfolgungen zu,
— was thun? — Fort nach Amerika! — So
finden wir auf beiden Seiten der kämpfenden
Parteien eine Menge Deutscher, Franzosen, Spa-
nier, selbst Engländer, welche meist schon in Europa
als Offiziere gedient haben, und jetzt in diesem
Lande rasch Cariore machten. Zufall, Schicksal
bestimmte den Einen in diese Armee, den Andern
in jene der Gegenpartei einzutreten, und so kam
es oft, daß zwei gewesene Kameraden, welche
einst unter derselben Fahne gekämpft hatten,
sich hier in fremdem Lande als Feinde gegen-
über standen.
Graf Wallberg ritt schweigend und in Ge-
danken versunken an der Spitze seines Reiter-
zuges die Allee entlang, nach dem vom Schatten
des Waldes und den schwarzen Wänden des Ge-
birges verborgenen Vorposten des feindlichen La-
gers. Jetzt gebietet er „Halt" und befiehlt, daß
zwei Mann als Avantgarde vorgehen, um das
Terrain zu recognosciren. Die Patrouille wagte
sich zu weit vorwärts; sie wurde von der Ge-
genpartei, die sich rasch parat machte, bemerkt,
und in wenigen Minuten wurde die kleine Rei-
terschaar von einer fast zweihundert Mann star-
ken, feindlichen Escadron angegriffen.
Doch sie finden einen Gegner, der manche
harte Schule durchgemacht, und sich mit allen
Rassen und Kriegern des Landes im Kampfe her-
umgeschlagen hat. Sie sammeln sich und stürzen
mit blanker Waffe dem Feind entgegen.
Der Anführer der Gegenpartei, ein großer
starker Mann von kräftigem, kriegerischem Aeuße-
ren, das durch eine breite, hellrothe Narbe, die
über das dunkle gebräunte Antlitz hinlicf, und
sich in dem hier und da schon ergrauten Haare
verlor, noch gesteigert wurde, spornte seinen pracht-
vollen Rappen, um Wallberg erreichen zu können.
Der Kampf schwankt hin und her und zeigt alle
Schrecken menschlicher Raserei, als plötzlich ein
donnerndes Hurrah von dem Lager her die
Situation ändert. Eine Kavalerie-Reservetruppe
jagt zur Hilfe herbei. Nun bleibt Wallberg nur
eine Rettung: die Flucht. Im selben Augenblicke
wird das Pferd des feindlichen Anführers er-
schossen; doch dieser ergreift ein kleines zottiges
Jndianerpferd, schwingt sich auf dasselbe, und
verfolgt mit den Seinigen den fliehenden Wall-
berg und seine Reiter.
Die furchtbare Jagd mochte eine kleine Vier-
telstunde gedauert haben, als Wallberg sich um-
sehend, gewahrte, daß der feindliche Anführer in
der Hitze der Verfolgung seinen Leuten voran-
sprengte und an der Spitze von noch höchstens
zehn Mann wie ein Rasender ihm nachsetzte.
Wallberg, den günstigen Augenblick benützend,
ließ Kehrt machen und hatte in wenigen Minu-
ten den Anführer der Truppe zum Gefangenen
gemacht. Sein kleines indianisches Pferd war
gestürzt — seine Gefährten entflohen und ließen
rhn allein in der Gefangenschaft.
Wallberg ersuchte den Anführer mit kavalier-
mäßiger Höflichkeit seine Waffen abzugeben, wel-
chem Befehl derselbe ohne weiteres Folge leistete.
Seinen Degen und seine Pistolen dem Grafen
übergebend, konnte er sich nicht enthalten, dem
kleinen zottigen Pferde mit den Worten: Non
Diou, ciuol bots ä'un elloval! einen Stoß zu
versetzen.
„Ah!" sagte Wallberg, „Sie sind ein Franzose?"
„Aufzuwarten, ich bin Mr. le Marquis de
Gailhac, Seigneur de Beaucour, ein geborener
Gascogner."
Lächelnd über den langen Titel stellte sich nun
auch Graf Bernard Wallberg vor und gleich

darauf trat der kleine Reiterzug seinen Rück-
marsch an.
Marquis Gailhac nahm sich sehr komisch als
Gefangener auf seinem kleinen zottigen Pferdchen
aus, da seine Füße fast an den Boden streiften.
Wie kommt es, daß Sie, der Sprössling eines
alten Geschlechtes, in Amerika Dienste suchten?"
fragte Wallberg.
„Pah!" entgegnete der Marquis. Ueberall
ist Friede, Ruhe, und mich trieb es hinaus in
die Länder des Kriegs; der Entschluß war schnell
gefaßt, der Gedanke kam wie durch Inspiration.
Ich tummelte mich eine Zeit lang in einer Hafen-
stadt herum, lernte einen Kapitän kennen, einen
prächtigen Kerl, sein Schiff segelte nach San
Jago — ich fuhr mit — wäre es nach dem la
Plata bestimmt gewesen, so hätte ich vielleicht
das Vergnügen, mit Ihnen bei ein und demsel-
ben Regiments zu dienen. — Wie gefällt Ihnen
der Dienst unter den Fahnen Amerika's?"
„Ich möchte nicht behaupten," entgegnete
Wallberg, „daß meine Erwartungen erfüllt wor-
den wären. Nach beendigtem Feldzüge denke ich
meinen Abschied zu fordern."
„Aha!" ries Gailhac. — „Ja, ich dachte es
wohl. Südamerika ist kein Land, wo sich der
Deutsche akklimatisiren kann."
„Sie täuschen sich!" erwiederte Wallberg' —
„Ich bleibe dennoch hier."
„Nun, was hält Sie denn hier zurück — die
Reize des Landes sind so groß nicht, daß man
nicht bald gegen sie abgestumpft würde . . . nur
wenn man vielleicht irgendwo eine schöne, reiche
Eingeborene findet, dürfte man an diesen Boden
gefesselt werden. Ist dies vielleicht bei Ihnen
der Fall?"
Ein flüchtiges Roth flog über des Grafen
Gesicht.
„Ich hab's errathen!" fuhr der lebhafte Mar-
quis fort, Wallberg's Verlegenheit bemerkend;
„darf man, ohne unbescheiden zu fein, fragen,
in welcher Himmelsrichtung Ihre Donna zu fin-
den ist?"
„Nun," gab der Graf zurück, von dem lusti-
gen Ton des Marquis mittheilsam gemacht, „das
ist gerade kein Geheimnisz! Sie wohnt ganz in
der Nähe von hier, das Landgut gehört ihr, das
dort vor uns liegt!"
„Ei," lachte der Marquis, „um diese Requi-
sition beneide ich Sie. Etwas Aehuliches such'
ich für mich schon lange. Lassen Sie sich einen
Vorschlag machen! Der ehrliche Deutsche, gewöhnt
an das sanfte, stille, häusliche Wesen deutscher
Frauen — Sie sehen, ich weiß Ihre Landsmän-
ninnen zu schätzen — wird sich mit der männ-
lichen, tabakrauchendcn, nichtsthueuden Amerika-
nerin schlecht vertragen. Treten Sie mir Ihre
Gutsbesitzerin ab, ein Franzose weiß sich in Alles
zu finden!"
„Sie mißkennen Francesca Valverde," ent-
gegnete Wallberg, „wenn Sie dieselbe mit den
übrigen Frauen dieses Landes in eine Klasse
setzen. Sie besitzt eine europäische Geistesbildung."
„Aber ihr Teint hat einen röthlichen oder-
schwärzlichen Anflug, nicht wahr?" fragte Gailhac.
„Sie ist eine Quarterone," entgegnete Jener,
„doch sieht man ihrer weißen Hautfarbe die in-
dische Verwandtschaft nur wenig an."
„Sie wird inwendig desto schwärzer sein!"
rief der übermüthige Franzose. „Doch, nehmen
Sie mir meine Freimüthigkeit nicht übel!" fetzte
er hinzu, als Wallberg die Stirn runzelte,
„blxperto oreäo! Ich habe viel Kreolinnen ge-
kannt, bei Gott, es waren Engel, dem Aeußeren
nach, aber meist gefallene Engel, und die Gebil-
deten waren die schlimmsten."
„Francesca" — sprach Wallberg, indem er
zu der übertriebenen Behauptung des Gascogner's
den Kopf schüttelte, — „hat mit diesen unreinen
Geistern nichts zu schaffen. Sie war mir zur

Rettung gesandt. Von dem Pfeilschufse eines
Araucaners gefährlich verwundet, lag ich wochen-
lang in ihrem Hamse auf dem Krankenlager, wo
sie allein —"
„Oslla suküt!" rief Gailhac, „sie allein
machte Sie gesund, aus der Pflegerin ward die
Geliebte. Ich weiß das schon. Es ist mir auch
schon drei oder vier Mal vorgekommen!"
„Echt französisch!" meinte der Graf mit
leichtem Spott. In diesem Augenblicke wandte
er sein Auge nach der Hazienda und ries
plötzlich:
„Was geht dort vor? — Wie es scheint, ist
Alles in Bewegung!"
Der Reitertrupp setzte sich auf das Kommando
seines jungen Führers in Trab, und befand sich
bald in der Nähe eines mitten unter einem
Haufen Sklavenhütten gelegenen, ziemlich netten
Häuschens, welches in früheren Zeiten einem
Plantagenaufseher zur Wohnung gedient haben
mochte.
„Hier ist meine Wohnung!" — sprach Wall-
berg zu seinem Gefangenen. „Ich hoffe, unser
Kommandeur wird nichts dagegen haben, wenn
ich Sie ersuche, dieselbe, so lange Sie hier sind,
niit mir zu theilen. Ihre Wache sei Ihr Ehren-
wort!"
„Und dieses haben Sie!" — rief Gailhac,
indem er vom Pferde stieg und den Zügel dessel-
ben einem der Reiter zuwarf. Sie gingen nach dem
Landgut zu. An den ersten Häusern angekommen,
wandte Wallberg sich also an den Gefangenen:
„Ich lasse Sie einstweilen in meine Hütte gelei-
ten, Sie werden dort wohnen, bis Sie dem Kom-
mandeur vorgeführt werden. Ich bitte um Ihr
Ehrenwort, daß Sie keinen Versuch zur Flucht
machen!"
„Sie haben es hiermit!" versetzte der Mar-
quis, seine Rechte darreichend. Wallberg gab
zwei Reitern den Befehl, den Offizier nach seiner
Hütte zu führen.
Sennora Francesca Valverde.
O Alles, was entzücket,
Was Herzen trifft und rührt,
Was jeden Sinn berücket
Und süße Flamme schürt,
Es ist Dir zugemessen.
Du auserles'nes Weib!
Nur Eines ist vergessen:
Es ist — das Herz im Leib.
Wallberg erreichte mit seinen Leuten bald das ge-
schlossene Vierecke, welches wir oben näher be-
schrieben haben. Hier herrschte ein großer Lärm.
Bunt wimmelten alle möglichen Soldaten durch-
einander, und in ihrer Mttte hatte sich ein Kreis
gebildet, in welchem etwas ganz Besonderes vor-
zugehen schien.
Wallberg glaubte die Stimme der Besitzerin
der Pflanzung aus dem Haufen ertönen zu hören.
Wie der Blitz sprang er vom Pferde und drängte
sich durch die Masse der neugierigen Zuschauer.
Ein eigenthümlicher Anblick erwartete ihn.
Die Herrin der Pflanzung, eine Frau im Blüthen-
alter, von hoher kräftiger Gestalt und Zügen, denen
nur eine lebhaftere Färbung fehlte, um schön
genannt zu werden, stand vor einem Indianer,
der auf ihren Befehl mittelst Stricke an einem
Pfahle festgebunden war. Der Sohn der Wälder
trug eine Schürze um die Mitte des Leibes, und
eine Krone, aus Papageifedern ziemlich kunstreich
verfertigt, welche sein dunkles Haar zusammenhielt.
Neben ihm stand eine jnnge Indianerin, eine
vollendete Schönheit, im Alter von kaum IckJahren.
Sowohl die französischen Kleider, als die elegante
Haltung verriethen, daß die junge Schönheit eine
europäische Erziehung genossen, und in der Ha-
cienda irgend einen höheren Platz cinnehme. Ob-
gleich in ihren Zügen eine Familienähnlichkeit mit
denen des Indianers nicht zu verkennen war, so
erschien in ihnen dennoch nicht jener wilde düstere
 
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