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Der Husar von Straß-
burg.
Eine Geschichte aus der
Frauzoseuzeit
von
Alto "Moser.
(Fortsetzung.)
Am nächsten Tage wan-
derte Jockele, der Zeugarbei-
ter, durch das Tübinger Thor
aus Stuttgart hinaus in die
herrliche Landschaft, welche
die Residenz umgibt. Bald
bog er ab von der Land-
straße und schritt zwischen
reichen Rebenhügeln hin,
einer fernen waldigen Höhe
entgegen, von deren Ab-
hang einzelne Gehöfte und
stattliche Dörfer herüber-
schauten. Wie lang wurde
ihm der Weg und doch auch
wieder bangte ihm vor der
Ankunft am Ziele, wo seiner
so traurige Erinnerungen
harrten. Je näher er der
ersehnten Gegend kam, um
so unruhiger klopfte sein
Herz. Nach dem Hofbauer
und dessen Tochter zu fragen
hatte er aus Furcht vor
schmerzlicher Nachricht nicht
gewagt.
Endlich war das Ziel
erreicht. In sanfter Ebene
ruht ein von üppigen Frucht-
bäumen halbverstecktes Dörf-
, chen und in geringer Ent-
fernung davon stand ein ein-
zelnes Gehöft, gar stattlich
von Stein erbaut, mit hohen
Schornsteinen und zierlichen
Giebeln. Ein grüner Wie-
sengrund , auf dem eine
wohlgenährte Heerde wai-
dete, breitete sich vor dem
wohnlichen Gehöfte aus und

an dem Gartenzaune hingen weißgescheuerte Gefässe
und standen glänzende Milchgeschirre. Ringsum
neigten Fruchtbäume ihre schwerbelasteten Aeste
und die Giebelseite des Hauses war fast ganz in
üppigem Weinlaub versteckt. Vor der Thüre sonnte
sich ein großer Hund und auf dem Hofe vernahm

man das lustige Geschrei des Federviehs. Vom
fernen Hange schaute Jockele's väterliche Mühle
herüber, deren Rad sich langsam bewegte. Der
Jockele stand vor dem stattlichen Hofe, nahe an
den buschigen Gartenzann gedrückt, denn jetzt erst
gedachte er des mageren Bündels auf seinem
Rücken und des schäbigen

vr. Albrecht v. Gracsc. (L>. 519.)


Röckleins, an dem schon die
Ellenbogen ihre lästigen
Fesseln gesprengt hatten und
frei und wohlgemuth in das
freundliche Tageslicht hin-
ausschauten. Hoffte sein Herz
wirklich noch?
Ein wüthendes Gebell
schreckte denZeugarbeiter aus
seinen trüben Betrachtungen
empor. Der Hund hatte
den Fremdling wahrgenom-
men und stellte sich ihm
drohend gegenüber. Nichts
half es, daß der arme Teufel
durch allerhand Geberden
und besänftigende Worte das
Thier zu beruhigen suchte,
denn der Haß dieser Geschöpfe
gegen reisende Handwerks-
burschen ist instinktiv.
Da öffnete sich klirrend
ein Fenster und eine Helle
Frauenstimme rief: „Phylax,
gib Ruh!"
Allmächtiger Gott, sie
war's, das Bärbele, mit
ihren schwarzen Haaren und
dunklen Augen, mit den
frischen Wangen und rochen
Lippen!
„Bärbele! Bärbele!"
schrie von Schmerz und
Freude bei ihrem Anblick
übermannt der Zeugarbeiter.
Er vermochte kein Wort wei-
ter hervorzubringen. Schluch-
zend barg er das Antlitz in
den Händen.
Einen Augenblick nur
schaute die Dirne verwundert
auf den draußen Stehenden,

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