Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext

Zwei Löhne.
Kriminal-Novelle
von
Fr. Friedrich.
(Fortsetzung.)
Es gibt eine Stimme
des Blutes und diese
Stimme ließ in Mottau
keinen Zweifel mehr auf-
kommen. Er hatte feinen
Sohn erkannt, obschon er
ihn feit langen Jahren nicht
gesehen. Er erfaßte ihn
an beiden Händen und
blickte ihn mit Thranen in
den Augen an, er lächelte
über Heinrichs Befangen-
heit und wurde nicht müde,
die frische, kräftige Jüng-
lingsgeftalt anzufchauen.
Er hätte weinen und fubeln
mögen in einem Augen-
blicke, denn in feinem Her-
zen dämmerte cs aus wie
ein neues Leben.
Nicht ohne Erschütte-
rung hatten Grete und Gel-
dern die Freude des Vaters
gesehen. Was so gewalt-
sam und natürlich hervor-
brach, konnte nicht auf
Täuschung beruhen und in
Selderu's Brust war feder
Zweifel geschwunden. Zu
deutlich trug Heinrichs Ge-
sicht Mottau's Züge, und
wenn auch die Natur hierin
ein Spiel getrieben, Hein-
richs Augen konnten nicht
lügen — es waren die
Augen seines Vaters.
Grete mußte die Frau
holen, welche Helferin ihrer
Schuld gewesen war und
dieselbe warnichtimStande,
das Geschehene zu leugnen,


wenn sich auch die Furcht vor der Strafe deutlich
in ihren Zügen ausprägte.
Mottau hatte den festen Entschluß gefaßt,

Gcnkralstkutenairt v. Goebcu. (S. 99.)

Heinrich sofort mit sich auf das Gut zu nehmen
und er zögerte auf Selderu's Zureden nur so lange,
daß dieser vorauseilen konnte, um Cläre und deren
Mutter vorzubereiten.
Es war ein erschüt-
ternder Augenblick, als
Mottau ihnen Heinrich zu-
führte. Sie hatten zu wenig
Zeit gehabt, um den so
unerwartet an sie heran-
getretenen Gedanken zu
fassen; Heino lebte in ihrem
Herzen noch als Sohn und
Bruder und sie waren nicht
im Stande, denselben so
rasch zu verdrängen. Ihr
Herz konnte nicht mit einem
Male Zuneigung zu dem
fassen, der ihnen bis dahin
fremd gewesen, hier mußte
die Zeit das Ihrige thun.
Auch Heinrich fühlte sich
beengt und befangen ihnen
gegenüber. Der Reichthum
und Luxus ringsum, der
Gedanke, daß er Cläre,
zu der er kaum aufzu-
schauen wagte, Schwester-
nennen sollte — Alles
wirkte verwirrend auf ihn.
Es erschien ihm wie ein
Traum, wie ein Märchen,
und er griff sich an die
Stirne, um sich zu über-
zeugen, daß er nicht träume.
Seldern erkannte am
Richtigsten, was in ihm
vorging; er fühlte Mit-
leid mit ihm und suchte
ihm Ruhe zu verschaffen,
allein Mottau konnte sich
nicht von ihm trennen, er
nahm ihn mit auf fein
Zimmer, um sich in ihn
hinein zu leben und fein
Inneres kennen zu lernen.
Noch wußte Hugo von
Allem nichts und doch griff

13
 
Annotationen