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Ein Majestätsverbrechen.
Aus dm Papieren eines Rechtsanwalts mitgetheilt
von
Karl Gljop.
1.
Wir Beide, das heißt der Doktor Bruno
Steinmann und ich, saßen bei einem Abendessen,
wie es Junggesellen lieben, in der Stube des
Doktors traulich beisammen. Beim dritten Gange
waren wir angekommen und die zweite Flasche
war ein überwundener Standpunkt.
Was Wunder, wenn wir uns in
einer Stimmung befanden, welche
wohlwollende Menschenfreunde als
„gehoben" bezeichnen? —
„Nimm Vernunft au, Bruno!"
rief ich.
„Nimm Du vielmehr dieses Stück
Puterbraten an! Er ist eben so
saftig, als Dein Sermon trocken war."
„Aber Mensch, fürchtest Du denn
gar nicht — —?"
„Nein, ich fürchte gar nichts auf
der Welt, als daß meine Wirthin,
die sonst sehr wackere Frau Schabacker,
meinen kleinen Vorrath von Port-
wein entdeckt."
„Aber beim Styx," fuhr ich mit
erhobener Stimme fort, „Du bist
ein bodenlos leichtsinniger Mensch!
Hörst Du wohl jemals auf das,
was man Dir sagt? Habe ich Dich
nicht auch damals gewarnt, als Du
die Verlobung mit Klärchen ab-
brachst? Wie schwer hast Du es
später bereut. Willst Du auch jetzt
meinen guten Rath nicht annehmen?"
Die bei der Erwähnung Mär-
chens plötzlich verfinsterte Stirn mei-
nes Freundes heiterte sich bei meinen
letzten Worten ebenso rasch wieder auf.
„Guter Rath ist theuer," sprach
er lachend. „Der deinige aber ist
in jeder Beziehung sehr wohlfeil,
obwohl Du Obergerichtsanwalt bist."
„Du aber könntest die Verach-
tung meines Rathes dennoch theuer

bezahlen müssen. Zieh' den Artckel, den Du mir
vorgelesen hast, rasch zurück, Bruno. Noch ist
Deine Morgenzeitung nicht ausgegeben."
„VoZus la Zalers!" rief der Doktor. „Sieh,
an Deine dunkle Prophezeiung von Hochverraths-
anklagen oder dergleichen glaube ich nicht, Du
malst gern Grau in Grau oder noch dunkler.
Ein Preßprozeßchen gibt es schlimmsten Falls,
nichts weiter. Nun, einige Wochen im Brumm-
stalle kosten, wie ich weiß, den Kopf nicht, wohl
aber könnte ein Rücktritt meine Ehre schädigen.
Wozu hat man auch am Ende bei Zeitungsredak-

tionen seinen Sitzkollegen? Der dicke Hotzelmeyer
will sein Geld auch nicht blos mit Sünden ver-
dienen, — aber horch! Was giebt es da draußen?
Schreitet hier das eherne Verhängniß selbst heran,
oder fällt es vielmehr die Treppe herauf! Wer
mit Schritten eines Unbesiegten — —?"
Durch die rasch aufgerissene Thüre stürzte, ehe
noch der Doktor den Satz vollenden konnte, seine
Wirthin und Haushälterin herein. „Ach — Herr
Doktor! — Ich — bin — hin!" — stieß sie vor
Eile noch athemlos heraus.
„Was gibt es, herzliebste Frau Schabacker?
„Was haben Sie?"
„Dis Oekonomen— der Artikel —
die graue Gans —" stotterte die
sonst so resolute Wirthin verwirrt her-
aus. „Ach was rede ich? O, du meine
Seele, wie habe ich mich geärgert!"
„Nun, in des Kukuks Namen, so
reden Sie doch endlich vernünftig!
Was haben Sie? Was gibt es?"
„Der Artikel! O, Du lieber
Herrgott, der Artikel!"
„Bringe Dieser oder Jener Ihre
Oekonomen, Ihre Artikel und Ihre
grauen Gänse zusammen!"
„Ach, was? Ich rede nicht von
mir — ich spreche von Ihnen. Was
haben Sie wieder einmal zusammen-
gesudelt?"
„Frau Schabacker, ich bitte
sehr-"
„Meinetwegen bitten Sie, soviel
Sie wollen. Ich spreche, wie mir
der Schnabel gewachsen ist. Soll
man sich etwa nicht ärgern? Da
drüben haben sie mich um des tollen
Artikels willen fast zerrissen."
„Aber wer nur, Frau Scha-
backer?" fragte ich erstaunt.
„Nun, wer sonst als die ver-
maledeiten Oekonomen!"
„Die Oekonomen ? In der grauen
Gans? Wie kam das?"
„Nun, um die Mehlspeise zu
holen, gehe ich ahnungslos wie ein
unschuldiges Lamm in das Gasthaus.
Was meinen Sie nun, was geschehen
ist? Zuerst hat mich die graue Gans
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Dr. Kart Braun. (S. 547.)
 
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