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Das eiserne Kreuz.
Erzählung aus der Gegenwart
von
<L. Heinrichs.
(Fortsetzung.)
Brandt ging in seine Kammer, es war ihm
in diesem Augenblick nicht möglich, dem alten
Manne Rede zu stehen, da es ihm wie ein Un-
recht erschien, das Glück zu er-
lassen, bevor er, gereinigt von aller
Schuld, dasselbe stolz und frei
fordern durfte.
Die Stirne des Lieutenants
war trotz der glorreichen Sieges-
nachricht wiederum schwer umwölkt.
Der Bürgermeister war gerade
dabei, ihn zu bitten, seinen Sohn
Johannes von der großen Versamm¬
lung, welche die Social-Demokraten
auf diesen Abend anberaumt hat¬
ten, mit allen Mitteln, die ihm zu
Gebote ständen, abzuhalten.
„Die Stimmung," sagte er,
„welche heute in Folge des großen
Sieges bei den Gegnern der Laffal-
leaner herrscht, kann zu den be-
dauerlichsten Excessen führen und
von verhängnißvollen Folgen sein."
„Ich mag nichts mehr von die-
sem Sohne wissen!" lautete die
Antwort des alten Mannes, „ich
habe überhaupt nichts mehr mit
ihm zu schaffen! Verhaften Sie
ihn meinetwegen —"
„Das kann Ihr Ernst nicht
sein, Freund Heldberg!" unterbrach
ihn der Bürgermeister nachdrück¬
lich, „Johannes ist irre geleitet —
sein Aufenthalt in Paris trägt die
Schuld, daß er auf solche verkehrte
Bahnen gerathen ist. Es darf
Ihnen uicht gleichgiltig sein, ob
Ihr Name auf solche Art kompro-
mittirt wird."
Der Alte heftete einen seltsamen
Blick auf ihn.
„Ich weiß, was dieser Blick

bedeutet," fuhr der Bürgermeister rasch fort, „und
behaupte trotz alledem, daß der Name des Lieu-
tenants Heldberg makellos ist und nicht auf solche
Weise befleckt werden darf. Ich wiederhole es,
Ihr Sohn Johannes ist kein schlechter Mensch —
er besitzt ein starkes Ehrgefühl —"
„Sie irren sich," fuhr der alte Mann heraus,
„ein falscher Ehrgeiz ist's, der ihn treibt; er
möchte eine Nolle in der Welt spielen und wäre
es selbst die eines Herostratus, der einen Tempel

in Griechenland verbrannte, damit sein Name auf
die Nachwelt komme."
Der Bürgermeister schüttelte den Kopf.
„Ich habe einen besseren Glauben von ihm,
lieber Heldberg, und die Ueberzeugung, daß er,
von seinen unseligen Ideen eines gewaltsamen
Umsturzes der bestehenden Ordnung geheilt, der
Stolz und die Freude jedes Vaters sein würde.
Erfüllen Sie, wenn nicht um feinet-, so doch um
Ihrer selbst willen meine Bitte!"
„Nun denn," seufzte der Greis,
„Sie sollen mich nicht für einen
undankbaren Starrkopf halten. Ich
will Ihren Wunsch erfüllen, fs
schwer es mir fallen wird, will
meinem Sohn in einigen treu ge-
meinten Zeilen das Gewissen schär-
fen, ihn väterlich bitten, die Ver-
sammlung nicht zu besuchen."
„Thun Sie das, alter Freund!"
nickte der Bürgermeister, ihm die
Hand schüttelnd, „ich verspreche mir
den besten Erfolg davon."
„Ich nicht," murmelte der Alte,
dem Freunde, der sich jetzt rasch von
ihm verabschiedete, traurig nach-
blickend und dann langsam in sein
Haus zurückkehrend.
Der Bürgermeister schien recht
befriedigt von dem Erfolge seiner
Bemühungen zu sein; er nickte,
indem er durch die einsame Vor-
stadt schritt, lächelnd vor sich hin
und der Gedanke, das Glück und
den Frieden in jenes kleine Gar-
tenhaus mit zurückführen zu helfen,
dem Vater seine beiden Söhne zu-
rückzustellen, erfüllte ihn mit einer
stillen Heiterkeit.
„Wenn es mir nur gelingt,"
murmelte er, „den Tollkopf von
der Leitung der Versammlung zu-
rückzuhalten und jenen Lassen in
seine eigenen Netze rennen zu
lassen, dann haben wir gewonnen
und der Bursche soll seinem ver-
dienten Schicksal nicht entrinnen.
— Es wird sich dann Alles schon
von selber machen!"
F 57

Ludwig van Beethoven. (S. 399.)
 
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