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Das Äennchen von Plön.
Historische Novelle
von
Ludwig Salomon.
(Fortsetzung.)
Mein Freund nabnr dies offenbar für den Aus¬

sprang ich den schmalen Wiesenpfad zum See noch
einmal hinab, bald glitt ich wieder über das stille
Wasser und dann trat ich leise auf das jenseitige
Ufer.
Eine tiefe Ruhs lag über der Natur. Leise
knisterte der Muschelpfad des Gartenweges unter
meinem Fuße. Es war schon Licht im Giebel,
in Aennchens Zimmer. Schnell umfaßte ich den

Meine Achtung vor ihr duldete das nicht — und
doch hätte ich sie so gern noch einmal gesehen,
mein Aennchen!
Während mich diese Gedanken durchzuckten,
und ich eben im Begriff war, heimzukehren, tra-
ten die beiden Pfarrersleute noch einmal in die
Wohnstube unten. Hell fiel das Licht der Lampe
durch das nabe offene Fenster in den Garten.

bruch anderer Gefühle.

Stamm der alten Linde, um mich empor

zu

Schnell trat ich in tieferen Schatten.


schwingen, doch schreckte ich im selben Augenblicke

doch wird

Friedrich Franz II., Großhcrzog von Mecklenburg-Schwerin, (S. 627.)

„Mir ist jetzt oft so bange um das Aennchen,
Vater," sagte die alte Frau. „Mit jedem Tage

„Nicht mit Gram," fuhr er bewegt fort, „aber
doch mit einer stillen Wehmnth werde ich gewiß auch zurück. Sie war jetzt gewiß im Begriff zur!
anfangs euer Glück erblühen sehen,.' ' " "
auch diese dann bald zu inni¬
ger Freundschaft umgestalten
— und ihr werdet später den
alten Onkel gewiß recht lieb
haben!"
Ich konnte nicht antwor¬
ten, ich fiel dem Freunde um
den Hals. Seit lange hatte
unser Verhältniß zum Aenn¬
chen drückend auf uns gelastet.
So oft wir auch zusammen¬
gekommen, und wir sahen uns
täglich, hatten wir fast ängst¬
lich vermieden, davon zu
sprechen. Jetzt sollten alle die
bangen Befürchtungen vor mir
zerrinnen, ich sollte die Er¬
füllung meines heißesten Wun¬
sches vor mir erblicken und
ohne die Freundschaft meines
Friedrich dabei einzubüßen.
Wir waren beide zu ge¬
sunde Naturen, als daß der
Eine in dem Verzicht des An¬
deren eine bloße wieder ver¬
fliegende Höflichkeit gearg-
wöhnt hätte. Ich begleitete
noch meinen Freund nach
Haus, auf das Gut seines
Vaters, das wir in der Däm¬
merung erreichten; dort drückte
er mir noch einmal dankerfüllt
die Hand und ich schlug den
Heimweg ein. Doch es ließ
mir keine Ruhe, ich mußte sie
nach diesen Vorgängen erst
noch einmal sehen. Leicht

sich Ruhe zu gehen, wie durfte ich sie da belauschen! wird sie schöner, .ja sie wird, wunderbar schön,
und das ängstigt mich."
„Sei nicht närrisch, Alte,"
versetzte der Pfarrer lächelnd.
„Ich hatte in meinen
jungen Jahren," fuhr aber
die besorgte Frau unbeirrt
fort, „auch eiue über die
Maßen liebreizende Freundin,
daß meine selige Mutter oft
sagte: Gott, wie seht ihr
anderen Mädchen alle so häß-
lich aus, wenn die Anne-Marie
unter euch ist. Wir alle sind
aber dann still und glücklich
durchs Leben gegangen, nur
die Anne-Marie kam nimmer
zum dauernden Frieden;
wahrhaft innig glücklich ist
sie wohl selbst in ihren ersten
Mädchenjahren nicht gewesen.
Jähe wechselten Freude und
Kümmerniß bei ihr, bis sie
bald in namenloses Elend
versank und schmachvoll darin
umlam."
„Hast Du so wenig Ver-
trauen zu dem guten Kinde?"
fragte der Alte jetzt ernster.
„Eben weil ich weiß, daß
sie so herzensgut ist, sorge
ich mich um sie," entgegnete
die Frau. „Die Anne-Marie
war vordem auch so gut; der
Stolz, das Herzeleid, der Jam-
mer und die Schande kamen
zuletzt doch nur davon, daß
sie so schön war."

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