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6Z4

Woher war Langiewicz gekommen? — Wie
war er von Dembinsky's Verhältnissen so genau
unterrichtet? für Dembinsky war dies ein unlös-
bares Räthsel, aber die Gewißheit stand plötzlich
vor ihm, daß er Anka verlassen müsse. Der Ge-
heimbund rief; da gab es keine Ausflucht! Und
wenn auch sein Herz blutete — er mußte fort!
Lange blieb er noch sinnend stehen. Sollte
er dennoch bleiben und der jungen Fürstin sein
Herz zu Füßen legen? — Es war ein schwerer
Kampf, den er mit sich selbst kämpfte.
„Nein," rief er endlich, „ich müßte dennoch
fort und dann.besser das Geständniß meiner Liebe
bleibt unausgesprochen, als daß ich Dich vielleicht
mit in mein Verderben ziehe! Ich will Dir nicht
Deinen Himmel trüben, denn von dem Augen-
blicke an, in welchem ich bas Schwert ergreife,
bin ich geächtet, dem Tode geweiht! Du wirst
mich vielleicht wieder vergessen und — heirathest
Seniawitsch."
Er ballte die Hände krampfhaft und preßte
sie an die fiebernde Stirne. „Vaterland!" ries
er dann entschlossen, „ich bringe Dir ein Opfer,
größer als mein Leben — meine Liebe!"
Festen Fußes schritt er jetzt auf das Schloß
zu, wo man ihn schon erwartet hatte.
„Der Herr Graf scheint jetzt aus langer Weile
Poesie zu treiben," spöttelte Seniawitsch, „und
wollte wohl den schönen Abend allein genießen."
„Ich liebe und schätze die Poesie," entgegnete
Dembinsky kurz, „allein für die gegenwärtige
Zeit paßt nur der Manu der That!"
„Das meine ich auch!" erwiederte der Fürst
mit einem bedeutungsvollen Blick auf Seniawitsch.
„Und sollte sich Poesie nicht mit Thatkraft
verbinoen lassen?" bemerkte Seniawitsch. „Sehen
Sie z. B. auf den deutschen Dichter Theodor
Körner; seine Poesie begeisterte die deutsche
Jugend zu den Befreiungskämpfen und er selbst
siel als Streiter für sein Vaterland."
Dembinsky wollte entgegnen, aber der Fürst
kam ihm zuvor, indem er Seniawitsch scherzend
fragte, ob er in der letzten Zeit in Warschau
deutsche Literatur getrieben habe? —
Dieser schien durch diese Frage etwas außer
Fassung gebracht; er vermuthete wahrscheinlich in
derselben mehr, als der Fürst damit ausdrücken
wollte.
Anka war den ganzen Abend über ziemlich
einsilbig, einerseits mochte die Rückkehr des Grafen
Seniawitsch sie verstimmt haben, anderntheils
hatte sie, obgleich Dembinsky seine innere Auf-
regung zu verbergen suchte, dieselbe dennoch be-
merkt, und ohne zu wissen warum, hatte sich
ihrer em banges Gefühl bemächtigt, dessen sie sich
nicht erwehren konnte.
Dembinsky brach heute etwas früher als ge-
wöhnlich auf. Beim Abschied, als er dem seelen-
vollen Auge Anka's begegnete, mußte er seine
ganze männliche Kraft zusammennehmen, um sich
nicht zu verrathen. Und doch schien es ihm un-
möglich, daß er zum letztenmale diese lieblichen
Züge geschaut, daß er zum letztenmale ihre lieb-
liche Stimme gehört haben sollte! —
Während sich Dembinsky bei den beiden Damen
empfahl, stand Seniawitsch in einer Ecke des
Salons und beobachtete die kleine Gruppe. Eine
boshafte Freude leuchtete einen kurzen Augenblick
aus seinen stechenden Augen und um die Lippen
spielte ein zufriedenes Lächeln.

6.
Am nächsten Morgen begab sich Anka in den
Park, um, wie sie sagte, die frische Morgenluft
zu genießen, mehr aber, um mit ihren Gedanken
allein zu sein. Das Benehmen Dembinsky's bei
dem gestrigen Abschied war ihr aufgefallen und
mit dem feinen Instinkt der Liebs errieth sie, daß
der Graf, von dem sie wußte, welche politische
Rolle er früher in Warschau gespielt hatte, be-

trübende Nachrichten von seinen Landsleuten er-
halten habe. Diesen Gedanken uachhüngeud, hatte
sie sich auf die Steinöank in einem Bosquet nie-
dergesetzt; zu ihren Füßen lagerte sich ihr treuer
Begleiter, eine prächtige Dogge, die mit klugen
Augen wie fragend zu der Herrin emporblickte.
Plötzlich verkündete ein leises Knurren der
wachsamen „Diana" das Nahen fremder Personen,
nnd eben wollte Anka sich wieder entfernen, als
sie Seniawitsch im eifrigen Gespräche mit einem
Gärtnerburschen auf die Stelle, wo sie sich befand,
zuschreiten sah.
Was konnte der Graf mit diesem Burschen
Wichtiges zu verhandeln haben?
Ein Wink mit der Hand und ein leises Wort
ließen die kluge Diana schweigen, und um dem
Grafen nicht zu begegnen, wandte sie sich nach
dem entgegengesetzten Ausgange des Bosquets.
Aber die Krümmung, welche der Weg machte,
mußte sie bald den Augen des Grafen verrathen,
und so beschloß sie hinter ein Gebüsch zu treten,
um ihn und seinen Begleiter Vorbeigehen zu lassen,
ein Entschluß, den auch Neugierde und Miß-
trauen gegen die Absichten des Grasen schnell
vollends reifen ließen.
Langsam näherten sich die Beiden. Der Graf
sprach mit gedämpfter Stimme, so daß man seine
Worte nicht verstehen konnte. Erst als die Bei-
den vor der Steinbank, aus welcher früher Anka
gesessen, hielten, konnte diese das Gespräch hören.
„Also die morgige Nacht," klang die Stimme
des Grafen, „wird er zu einem Fluchtversuche be-
nützen; merke Dir's wohl: morgen um Mitternacht,
hinter der Dorfkirchs ist die Zusammenkunft!"
„Ja wohl, Herr Graf."
„Du begibst Dich heute noch nach Dubrovica
und theilst dies dem Anführer der Kosaken mit,
aber sei vorsichtig, daß Dich Niemand bemerkt.
So verhindern wir die Flucht des Grafen und
erweisen unserer Regierung einen wichtigen Dienst."
Und in Gedanken fügte er hinzu: die Kosaken
werden, eingedenk des ihnen von Murawieff ge-
wordenen Auftrages, mit dem Polen nicht viel
Federlesens machen und ihn wie einen Hund
niederschießen.
Der Bursche schien so ziemlich zu errathen,
daß es dem Grafen mehr um den eigenen Vor-
theil als um das Interesse der Regierung zu thun
sei, denn als der Graf seine Börse öffnete und
ihm Geld gab, hielt er mit der unverschämtesten
Miene der Welt noch eine Weile seine Hand hin
und sagte:
„Herr Graf, der Pole würde mir gewiß das
Zehnfache geben, wenn ich früher zu ihm gehen
und ihn warnen möchte."
„Du Schlingel," fuhr der Graf auf — aber
er besann sich bald eines Besseren, und indem er
noch einige Rubel aus seiner Börse zulegte, er-
wiederte er:
„Das Doppelte erhältst Du, wenn ich mich
überzeugt habe, daß Du Deinen Auftrag richtig
ausgeführt hast."
„Herr Graf werden mit mir zufrieden sein!"
Mit diesen Worten entfernte sich der Bursche und
der Graf nach verschiedenen Richtungen.
Kurze Zeit später trat auch Anka hinter dem
Gebüsche hervor, sie hatte ihre ganze Selbstbe-
herrschung zusammengehalten, um sich nicht zu
verrathen. — Das Gespräch, welches sie gehört,
hatte sie über den Ernst in Dembinsky's Zügen
am verstossenen Abend aufgeklärt und sie zugleich
über die Größe der Gefahr belehrt, welcher ihr
Retter entgegenging; denn sie wußte aus D m-
binsky's eigenem Munde, daß ein mißglückter
Fluchtversuch ihm das Leben kosten würde, und
folgerte ganz richtig, daß Seniawitsch diesen Um-
stand benützen wolle, um den Gegner sich auf eine
leichte Weise vom Halse zu schaffe», ja daß er
vielleicht sogar selbst auf irgend eine Art Dem-
binsky zur Flucht antrieb.

Aber wie den Grafen über den Verrath, der
ihn bedrohte, aufklären? Sollte sie einen Bolen
nach Dubrovica absenden? Welchen? Konnte sie
einem der Diener vertrauen? Und wenn er sie
täuschte? — Mit Blitzesschnelle jagte ein Gedanke
in ihrem Hirn den andern. — So war sie wie-
der in's Schloß zurückgekehrt und erwog, ob es
nicht am besten sei, ihren Eltern die gemachte
Entdeckung mitzutheilen und sich ihrem Rathe zu.
fügen. Da trat ihr Kammermädchen ein und
meldete, der Stallmeister lasse fragen, welches
Pferd die Fürstin zu dem heutigen Spazierritte
wünsche, da ihr gewöhnliches Reitpferd sich den
Huf verletzt habe und zum heutigen Dienste un-
tauglich sei.
(Fortsetzung folgt.)

Landwirthschastliches.
" Kartoffelkäfer. In Amerika ist eine Landplage aufge-
treten, der Kartoffelkäfer, vos^pllora äsosm-Unsata, dessen
Einschleppung man mit amerikanischen Saatkartoffeln fürch-
tet. Derselbe wurde Anfangs dieses Jahrhunderts in der
Nähe der Felsengebirge auf einer wilden Kartoffelart als
Schmarotzer entdeckt, ging beim Anbau der kultivirten
Kartoffel auf diese über und verbreitet sich seitdem unauf-
haltsam gegen Osten. Etwa 1860 überschritt er den Missour
und mochte von da jährlich eine Reise von etwa 50 eng-
lischen Meilen, so daß man in zehn Jahren sein Erscheinen
am atlantischen Ocean erwarten kann. Er tritt in unge-
heuren Massen auf. Der Marien- oder Johanniskäfer, so-
wie einige andere vertilgen die Eier und Larven des Kar-
toffelkäfers.

KHarade.
(Viersilbig.)
Die ersten Zwei beherrschen unser Leben,
Vor ihnen hat kein Ding beständ'gen Halt,
Weil rastlos Wandlung, Aenderung sie geben
Jedweder Farbe, jeglicher Gestalt.
Doch einen Fall gibt's, wo sie fest verbleiben,
Sie sind dann ein gewichtig Dokument,
Das streng Dich bindet, wirst Du's unterschreiben.
Als Zahlungsmittel Jedermann es kennt.
Die letzten Beiden wirst Du oft empfinden,
Wenn Dich Erwartung, Freude, Furcht bewegt,
Sie werden heißer stets Dein Blut entzünden,
Und machen, daß Dein Herz erregter schlägt.
Das Ganze greift in der Gesundheit Blühen
Mit rauher Hand, als ein Zerstörer ein.
Bald läßt es Dich in wilder Hitze glühen,
Bald rührt's in kalten Schauern Dein Gebein.
A. P.
Auflösung folgt in Nr. 47.


Auflösung folgt in Nr. 47.

Wriefkajten.
' Frl. Friedericke M-, Warasdin. — Sie haben
den Nagel auf den Kopf getroffen.
' Langjähriger Abonnent B. S. — Suchet, jo
werdet Ihr finden!
* Eine Wißbegierige. — Ist die Verletzung der
Ouecksilbcrbelegnng an dem schadbaften Spiegel nicht zu groß,
so lösen Sie mittelst eines Quecksilbcrtropfens die Belegung
eines anderen Spiegelstückes auf und übertragen sie auf die
schadhafte Stelle des Spiegels._,
Redaktion von Adolf Palm.
Druck und Verlag von Hermann Schönleui.
 
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