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172 <Z«

günstiger nn der Ausführung mitgewirkt, über nie
auch hat sich mehr die Wahrheit des alten Sprüch-
wortes bethätigt:
Es ist nichts so fein gesponnen,
Es kommt endlich an die Sonnen!
Noch einmal verzeiht mir, Familie! Freunde
und Vorgesetzte. — In wenig Augenblicken ist
Alles vorüber .... Ich muß eilen; denn man
verfolgt mich .... und der alte Klaus sieht
mich mit verdächtigen Blicken an! . . . Welch ein
Glück . . . daß die Mordwaffe zur Hand. —
Lebt wohl!" —
Der letzte Satz wir, wie in der Abschrift nach
bemerkt, in hohem Grade flüchtig und mit Ab-
kürzungen geschrieben. Man entzifferte ihn nur
mit vieler Mühe. —
In das Lesen und Anhören des inhaltschwercn
Schriftstückes vollständig versunken, hatten die be-
teiligten Personen nicht wnhrgenommen, daß die
Thürc leise geöffnet und wieder zugemacht worden
war. Erst als der Expedient den Brief bedächtig
zusammengelegt und in ein geheimes Fach des
alten Cylinderbnreau's untergebracht hatte und
gleichzeitig die im freundlich-wehmüthigen Tone
gesprochenen Worte: „Guten Tag, Vater Hill-
inann! Guten Tag, liebes Gretchen!" an Aller
Ohr schlugen, wandten sich ihre Blicke dem Ein-
getretenen zu, und während der alte Beamte in
seiner gewinnenden W.nse sagte: „Ei, sieh' da,
lieber Werder! Sie kommen zur gelegenen Stunde,"
flog Gretchen dem Geliebten an die Brust mit
den Worten: „Otto! lieber Otto! Du bist wieder
da? o, nun ist Alles gut!"
„Ja, ich bin es!" rief Werder, die Geliebte
umarmend und Vater und Mutter mit Herzlich-
keit die Hände schüttelnd; „ich bin hier, um mich
persönlich zu rechtfertigen von dem schimpflichen
Verdacht, in welchem ich — er deutete mit der
rechten Hand auf Gretchen, die heftig zu schluchzen
begann — selbst bei Ihr gestanden habe, bei
meinem Gretchen, das doch vor allen Dingen
mich kennen mußte!"
„Pst, pst! stille! stille!" mahnte der Expedient
und winkte mit der Rechten, indeß Gretchen
weinend ihr Gesicht mit der Schürze verhüllte,
„lassen wir doch endlich die unerquickliche Geschichte
ruhen!"
„Mein Otto!" begann Gretchen in sanftem
Tone, „wir wnßten ja alle nicht, woran wir
waren, und siehst Du, ich war so verwirrt, mein
Herz lag in so grausamem Widerspruch mit meinem
Verstände; ich hielt es für das Beste, an Dich
zu schreiben. Aber erst, als Du nicht antwortetest
und gar keine Zeile mehr für mich zu haben
schienst: ja, lieber Otto! da mußte ich wohl an
Dir zweifeln."
Sie führte ihn mit liebevoller Freundlichkeit
nach dem Sopha. „Gretchen!" versetzte er, „daß
Dein Brief mich in eine fürchterliche Aufregung
versetzte, kannst Du Dir denken. Ich war um
so mehr außer Fassung, als ich mir insofern eine
schuld beimessen mußte, weil ich die Frachtbriefe
nicht, wie es hätte sein müssen, Ihnen, Herr Hill-
mann, persönlich übergeben, sie vielmehr auf meinem
Pulte hatte liegen lassen. Es ist wahr, ich hatte
im Eifer, so bald als möglich meinen neuen Wir-
kungskreis zu erreichen, meine alten Verpflichtun-
gen theilweise vergessen, und das hat sich gerächt.
Ach! ich habe so viel gelitten in der Zeit seit
meiner Trennung von Dir, Gretchen. Dn wirst
cs Dir schwerlich vorstellen können. Zwar war
ich mit besonderer Achtung von meinen neuen
Vorgesetzten empfangen worden, ich hatte mich
jedoch kaum in der oberflächlichsten Weise infor-
inirt, und wollte Dich eben von meinem glück-
lichen Eintreffen brieflich benachrichtigen, als ein
Telegramm aus meiner Vaterstadt cintraf, das
mir die plötzliche schwere Erkrankung meiner guten
Mutter meldete. Ich nahm schleunigst Urlaub
und reiste ab, und wie gut war's, daß ich's

that. Ich kam noch gerade zur rechten Zeit, um
der geliebten Beschützerin meiner Jugend die
Angen zuzudrücken, ihren Segen in Empfang zu
nehmen und ihr die letzten Pflichten kindlicher
Liebe zu erweisen. Noch erfüllt von Schmerz
und Weh traf ich nach wenigen Tagen wieder in
Rosenberg ein. Es war nur, um einen neuen
Schlag anf's Herz in Empfang zu nehmen. Dein
Brief, liebes Gretchen! lag vor mir. Das Maß
meines Schmerzes war voll. Woher ich unter
so drückenden und niederbeugcnden Verhältnissen
die Kraft nahm, meine durch den Urlaub sehr
angeschwollene Arbeitslast zu bewältigen, weiß ich
heute noch nicht. Vielleicht war es gut so. Die
Arbeit, sagt man immer, sei die beste Arznei für
jeden Scelenschmerz. Kaum war ich jedoch einiger-
maßen kurrent, als ich auch schon von Neuem
einen mehrtägigen Urlaub nachsuchte, diesmal
jedoch, nm den Betrüger, der euch unglücklich
gemacht, und auch mir mein einziges Lebensglück
rauben wollte, zu entlarven und zur Rechenschaft
zu ziehen. Dec Urlaub wurde mir seitens meiner
humanen Vorgesetzten in bereitwilligster Weise ge-
währt. Ich reiste nach Breitensee, und nachdem die
unglückselige Geschichte ein so tragisches Ende ge-
nommen, mußte ich wohl vor allen Dingen Dich,
mein Gretchen, und Deine lieben Eltern besuchen.
Hast Dir unterdeß an mich geschrieben, so werde
ich Deinen Brief bei meinem Eintreffen in Rosen-
berg vorsinden, falls Du es nicht vorziehst, die
mündliche Erwiderung in Empfang zu nehmen,
daß ich gänzlich — gänzlich unschuldig bin!"
„Otto!" erwiederte sie, ihm schalkhaft lächelnd
mit dem Finger drohend, „ich habe Dich doch
ein wenig in Verdacht, daß Du Etwas gegen
mich im Schilde führtest. Ans meinen ersten
Brief erhielt ich keine Antwort. Der zweite kam
unerösfnet zurück mit dem Postvermerk, Du seiest
verzogen, habest Rosenberg für immer verlassen."
„Ungefähr so sagte ich zu meiner Wirthin,
als sie mich fragte, wann ich wieder zurückkehren
würde. Und in der That, mein liebes Gretchen!
wäre es mir nicht gelungen, Licht in diese dunkle
Geschichte zu bringen, oder Hütte ich Dich nur
überhaupt verändert gegen mich gefunden, dann
würde ich unfehlbar Europa den Rücken gekehrt
haben und nie wieder hierher zurückgckommen
sein."
iL>ie schmiegte sich unwillkürlich an ihn. „Aber
jetzt, Otto? jetzt trennen wir uns nicht mehr?
Di: nimmst mich mit nach Deinem Wirknngsorte
als Deine Fran?"
Otto sah den alten Hillmann mit einem fra-
genden Lächeln an. Dieser aber nickte gutmüthig
lachend mit dem Kopfe:
„Ja, ja, Kinder! macht nur, daß ihr zu-
sammen kommt! es wird so am besten sein. So
lange ihr nur verlobt seid, hat die Welt immer-
fort Gelegenheit, euch wieder auseinander zu
lügen."
„Mit Nichten, Papa Hillmann!" sagte Werder.
„Wo zwei Herzen treu und fest zusammcnhalten,
da kommt die Welt nicht mehr zwischen!"
Und Gretchen flog hurtig an das Piano,
öffnete es und intonirte:
„Willst das wahre Glück der Liebe,
Ohne Falsch und Neid,
Such' es nicht im Weltgetriebe,
Such's in Einsamkeit!"
„Aber bevor nicht die hochlöbliche Direktion
sich zur Rückzahlung der 304 Thaler 26 Silber-
groschen versteht, wird wohl an Aussteuer und
Hochzeit nicht gut gedacht werden können," warf
die Mutter ein wenig pikirt hin.
„Lassen Sie das nur meine Sorge sein,
Mütterchen!" rief der junge Mann. „Meine
Stellung da drüben ist eine recht einträgliche.
Ich werde in vier Wochen kontraktlich angestellt
und Lin dann in der glücklichen Lage, eine Fa-
milie ausreichend zu ernähren."

„Hochzeit kann noch ein Weilchen warten,
aber Aussteuer muß genäht werden!" entschied
der alte Beamte. „Daß die Direktion mir mein
Geld bei Heller und Pfennig wieder herauszahlen
muß, unterliegt keinem Zweifel. Dazu kommt
noch rückständiger Gehalt und ein Hundert Thä-
lerchen Unterstützung als Schmerzensgeld für die
erlittene Unbill durch Verkennung u. f. w."
„Sie werden also Ihren alten Posten in
Breitensee wieder übernehmen?"
„Ich hoffe es wenigstens!" sagte Hillmann,
„und sollte es nicht sein, dann bleibe ich hier, wo
mir Niemand Etwas in den Weg legt."
Wir haben nur noch zu berichten, daß die
Hochzeit des jungen schwer geprüften Paares nach
vier Wochen in der That erfolgte und daß Gret-
chen dem jungen Beamten als liebende Gattin
und sorgliche Hausfrau nach seinem Stationsortc
folgte. Hillmann übernahm feine alte Stellung
in Breitensee mit vergrößertem Gehalte und kein
Unfall störte hinfort mehr den Frieden der braven
Familie, welche die mancherlei prickelnden Unan-
nehmlichkeiten und Myseren des Beamtcnlebcns
in so reichlichem Maße erfahren hatten.

Wuchstaöen-Mäkhsek.
Hier ist ein N, ein N, ein K,
Und noch dazu ein O und A.
Steht Jedes an dem rechten Orte,
Erscheinen Dir zwei ganze Worte:
Ein mächt'gcr Stnrm, ein fremdes Buch,
Hier nimm erst K, dort O — nun such!
Auflösung folgt in Nr. 14.
Auflösungen der Charade und der Näthsel
in Nr. 8: Wild, Bild, Schild; in Nr. 9: Luftschiff; in
Nr. 10: Messerschmied.


Auflösung folgt in Nr. 14.
Auflösungen der Bilder-Räthfel
in Nr. 8: Der Uebcrflnß macht Ueberdrnß; in Nr. 9:
Kanzlcisekretär; in Nr. 10: Wer nicht für Freiheit sterben
kann, der ist die Kette Werth.

Wrie stillsten.
* Herrn Z. in F. — Die nächste Weltausstellung ist
die im nächsten Jahre zu Loudon staltfindcndc. Die Aus-
stellung für Wien ist erst für das Jahr 1873 bestimmt.
* Abonnent in München..— In Betreff dcS Lack-
firuisscS, zu dem wir Ihnen in unserer Nr. 2 ein Rezept
angegeben haben, belieben Sic sich au Herrn Lackircr A.
Jüttucr in Breslau, Fricdrichsstraßc 78, 4 Stiegen, zu wen-
den, welcher uns nachträglich meldet, das; er ein Verfahren
kennt, nm Kupferstiche und Gemälde in Wasserfarben dauer-
haft gegen Schmutz und Feuchtigkeit zu schützen.
* Herrn Beruh. Strauber in Moor (Ungarn).—
Die zwei ersten Aufgaben haben Sic brillant gelöst.
* Herrn W. B. in Köl n. — So gerne wir allen
Wünschen unserer Abonnenten zu willfahren streben, so wird
doch der Ihrige sich schwer erfüllen lassen, da diese Maßregel,
wenn gründlich durchgcfnhrt, zu viel Raum wegnehmcn
würde. Die Sache aber nur oberflächlich zu nehmen, hätte
keinen Werth und würde auch sicher Ihrer eigenen Intention
widersprechen. Für Ihren zweiten Wink sind wir sehr dank-
bar und werden ihn gerne beachten. .
* Abonnentin in F. — Uni eingemachte Früchte
vor Schimmel und Verderben zu schützen, schreibt ein ein-
faches Hausmittel vor, jeden Topf u. s. w., worin sich die
eingcsottcnen Früchte befinden, A Zoll hoch mit gepuloertem
Zucker zu bestreuen, wobei cs sich von selbst versteht, daß die
Gefässe mit Blasen oder Wachspapier zugcbundcn sein müssen.
Redaction^voOAdolf Palm.
Druck und Verlag von Hermann Schönlcitt.
 
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