Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
fortwährend mit Vorwürfen, und bei ihm waren
nll meine Bemühungen erfolglos.
Da sein Vergehen doch kein Geheimniß bleiben
konnte und bereits Kunde davon in das Publikum
gedrungen war, so erzählte ich dasselbe, wo sich
mir die Gelegenheit bot, ausführlich in all seinen
Einzelheiten und ich hatte die Genugthuung, daß
säst Alle mit dem unglücklichen Manne wirkliches
Mitleid empfanden. Manche mochten fühlen, daß
sie an seiner Stelle vielleicht nicht anders gehan-
delt haben würden. Dcplins Ruf der Recht-
schaffenheit wurde dadurch nicht erschüttert, denn
er hatte dieselbe seit Jahren in der strengsten
Weise bewährt.
Nur Einer trat entschieden gegen ihn auf und
ließ keine Entschuldigung gelten — dies war sein
eigener Schwiegervater. Dieser, ein durchaus ehren-
werther, aber sehr strenger Mann, konnte den
Gedanken nicht überwinden, daß seine Tochter
einem Manne angehörc, der bereits wegen Unter-
schlagung im Gefängnisse gesessen und dem eine
gleiche Strafe wieder bevorftand. Ec hielt seinen
Namen hierdurch beschimpft und verlangte in der
entschiedensten Weise, daß seine Tochter ihren
Mann verlassen und in das väterliche Haus zurück-
kehren solle.
Vielleicht war aber gerade diese Forderung
geeignet, die unglückliche Fran in ihrem Entschlüsse,
mit dem Manne, dem sie einmal Herz und
Hand geschenkt hatte, jedes Geschick zu theilen, zu
festigen.
Mir wurde auch hier die schwere Aufgabe,
eine Versöhnung zu vermitteln, meine Bemühungen
scheiterten indeß an der Festigkeit und dem un-
versöhnlichen Charakter des Fabrikanten. Er war
gegen jede Vorstellung unzugänglich und ließ keine
müdere Empfindling in sich aufkommen. Ein
vollständiger Bruch mit seiner Tochter und Deplin
war die unausbleibliche Folge.
Deplins Leiden mehrten sich, je näher der
Termin der Schwurgerichtsfitznng, in welcher sein
Vergehen verhandelt werden sollte, heranrückte.
Er fand nirgends mehr Ruhe, selbst der Schlaf
wich von ihm. Er vernachlässigte sein Geschäft,
weil er sich schämte, sich sehen zu lassen, und weil
ihm auch die Ruhe und Kraft zur Arbeit fehlte.
Vergeblich waren all die Zeichen der Teil-
nahme und der ungeschmälerten Achtung, die er
von vielen seiner Freunde und Bekannten empfing,
er war nicht zu überzeugen, daß seilte Schuld
wirklich so mild beurtheilt werde.
„Man will mich schonen aber man kann mich
nicht mehr wie früher achten," erwiederte er stets.
Wäre ihm jetzt nicht seine Frau zur Seite ge-
standen, so würde er im Schmerze und in der
Verzweifelung sich vielleicht das Leben genommen
haben, sie bewährte jetzt aber ihren ganzen edlen
und festen Charakter. Wie unendlich sie selbst
litt, suchte sie zu verbergen, sie verdoppelte die
Aufmerksamkeit und Zärtlichkeit gegen ihren Mann
und ihr ganzes Bestrebelt war darauf gerichtet,
ihn empor zu richten und ihm die Ueberzeugung
zu verschaffen, daß er in ihrer Achtung nicht ge-
sunken sei. Ich unterstützte sie in diesen Be-
strebungen mit allen Kräften. Der tägliche Ver-
kehr mit Deplin hatte bewirkt, daß ich ihn doppelt
hochschätzte.
Der Tag der Schwlirgerichtssitzung war ge-
kommen. Selbstverständlich hatte ich die Ver-
theidignng des Angeklagten übernommen. Ich
war besorgter um Deplin, als ich zeigen durfte,
denn seine Aufregung ließ das Schlimmste be-
fürchten. Früh am Morgen war ich zu ihm ge-
gangen mit dem Entschlüsse, ihn nicht früher zu
verlassen, als bis Alles beendet war.
Der Staatsanwalt hatte das Vergehen in
aller Strenge aufgefaßt, die Anklage lautete nicht
auf fahrlässigen, sondern ans wissentlichen Mein-
eid, für den die mildeste zulässige Strafe zwei
Jahre Zuchthaus war. Ich hatte zwar die feste

Ueberzeugung, daß die Geschworenen das Vergehen
in der mildesten Weise auffassen würden und ich
wußte auch, daß die Richter über diesen Fall sehr
milde dachten, dennoch gelang es mir nicht, Deplin
dieselbe Ueberzeugung beizubringen, er malte sich
Alles in den schwärzesten Farben aus.
In einem verschlossenen Wagen fuhr ich mit
ihm zu dem Schwurgerichte und wich nicht von
seiner Seite, bis er ans der Anklagebank Platz
genommen.
Die Tribüne war von Zuhörern erfüllt, ich
las indeß auf allen Gesichtern nur wirkliche Theil-
nahme.
Die Verhandlung begann in der gewöhnlichen
Weise. Deplin gestand sein Vergehen offen ein
und erzählte, was ihn dazu getrieben habe, er
schilderte seine Angst als Zeuge und fügte hinzu,
daß es ihm in dem Augenblicke nicht möglich ge-
wesen sei, seine Bestrafung zu gestehen, und wenn
er fein Leben damit hätte erkaufen können.
Seine Unruhe und Aufregung hatte mich be-
sorgt . gemacht, er sprach indeß weit ruhiger, als
ich erwartet hatte. In dem entscheidenden Augen-
blicke schien er endlich die nüthige Fassung ge-
wonnen zu haben.
Der Staatsanwalt hielt seine Anklage aufrecht
und beantragte, daß von der Hinzuziehung der
Geschworenen abgesehen werde, da der Angeklagte
seine Schuld offen eingeräumt habe. Mit allen
Kräften trat ich dagegen auf und setzte es glück-
lich durch, daß den Geschworenen die Frage, ob
der Angeklagte sich des wissentlichen oder des
fahrlässigen Meineids schuldig gemacht habe, vor-
gelegt wurde.
Die Benützung der Geschworenen war nur
eine kurze, ihr Verdikt lautete, wie ich erwartet
hatte, „schuldig des fahrlässigen Meineids mit der
Annahme von mildernden Gründen".
Der Staatsanwalt stellte nun den Strafantrag:
ein Jahr Gefängniß, allein auch hiergegen trat
ich mit aller mir zu Gebote stehenden Kraft auf.
Ich hatte zu viele günstige Anhaltepunkte, die ich
für den Angeklagten geltend machen konnte. Sein
ganzes Leben war außer der einen Jugendthorheit
ein durchaus rechtschaffenes gewesen, er hatte sich
die allgemeinste Achtung errungen, daß er seine
Bestrafung verschwiegen und verneint, war nur
aus dem Streben hervorgegangen, die Achtung
und das Glück, welches er genoß, nicht selbst zu
vernichten.
Ich sprach für einen wirklichen Freund rind
deshalb mit größter Wärme. Die Zuhörer auf
der Tribüue ließen sich sogar hiureißen, mir Bei-
fall zuznrufcn, wie sie auch das Verdikt der Ge-
schworenen mit lautem Beifall begrüßt hatten.
Nach kurzer Bcrathung des Gerichtshofes ver-
kündete der Präsident das Urtheil, dasselbe lautete
auf drei Monate Gefängniß. Auch er hob iir der
Motivirung hervor, daß das rechtschaffene Leben
des Angeklagten und die allgemeine Achtung,
welche er trotz feines Vergehens, noch in dieser
Stunde genieße, zu einer milderen Beurtheilung
berechtigt Hütten.
Regungslos hatte Deplin da gesessen, jetzt er-
hob er sich, er bewegte die Lippen znm Sprechen,
vermochte indeß kein Wort hervorzubringcn, nur
meine Rechte erfaßte er und hielt sie eine Zeit
lang fest und schweigend in seinen Händen.
Er bestand darauf, feine Strafe sofort anzu-
treten, rind ich war nicht im Stande, seinen Ent-
schluß znm Wanken zn bringen.
„Ich kann nicht eher vor meine Frau wieder
hintreken, als bis ich auch diese Schuld gebüßt
habe," sprach er, „verlassen Sie meine Frau nicht.
Sie wissen, wie viel sic leidet, sie hat es mir zu
verbergen gesucht, cs ist mir indeß nicht entgangen.
Ich würde Alles in Ruhe ertragen haben, wenn
ich sie nicht unglücklich gemacht Hütte; ich werde
ihr nie die Liebe lohnen können, welche sk mir
in dieser schweren Zeit bewiesen hat."

Ich brauche Wohl nicht hinzuzufügen, daß ich
Alles, was in meinen Kräften stand, aufbot, die
unglückliche Frau zu trösten. Sie erschien mir
oft wie eine Heldin, welche das Schwerste mit
Muth und Fassung ertrügt. Wie viel sie im
Stillen litt, gestand sie selbst mir nicht.
Noch ehe Deplins Strafzeit beendet war, er-
hielt ich von ihm den Auftrag, fein Geschäft so-
fort zu verkaufen, da er entschlossen war, die
Stadt zu verlassen. Seine Frau war vollkommen
damit einverstanden.
„Er wird es am leichtesten überwinden, wenn
er unter fremde Menschen kommt," bemerkte sie.
Schon wenige Tage nach seiner Freilassung
verließ Deplin die Stadt. Ich sah ihn sehr un-
gern scheiden, weil ich einen Freund in ihm ver-
lor. In einem entfernten Orte ließ er sich nieder.
Da wir uns schrieben, entging mir nicht, daß
feine Stimmung eine Zeit laug eiue gleich un-
glückliche blieb, allein allmühlig wurde er ruhiger
und als ich ihn nach einigen Jahren wieder sah,'
fand ich das alte Glück wieder bei ihm eingekehrt.
„Es ist vielleicht gut, daß Alles so gekommen
ist," sprach er zu mir, „denn erst im Unglücke habe
ich erkannt, welchen Engel ich in meiner Frau besitze."

Klfarade.
ES gibt kein Dörfchen,
EZ gibt keine Staot,
Wo ich nicht wäre willkommen.
Ich weiß, was draußen
Geschieht in der Welt;
Durch mich nur wird es vernommen.
Mit spannender Neugier
Durchforscht man mich,
Beschaut mich von allen Seiten.
Ich pflege sogar auch
Den Pegasus,
Doch nur nebenbei, zu reiten.
Sonst sprech' ich hauptsächlich
In Prosa nur,
Von ganz prosaischen Dingen.
Ich scheue mich auch nicht.
Statt Wahrheit, selbst
Abscheuliche Lügen zu bringen.
Ja, unbeschadet
Für meinen Ruf
Darf ich mir Solches erlauben;
Denn wer nicht Lust hat,
(Was kümmcrt'S mich)
Der braucht mir ja nicht zu glauben. V.
Auflösung folgt im nächsten Heft.

Mlder-AaMl.


Auflösung folgt im nächsten Heft.


Wriefkakeil-
' Aufrichtiger Leser in Linz. — Ihre freund-
lichen Winke sollen gewissenhaft benützt werden; der be-
treffende Artikel wird in einem der nächsten Hefte erscheinen.
* Abonnent in München. — Zur Fabrikation der
feineren Firnisse gehören chemische Kenntnisse, die man sich
übrigens in den chemischen Vortragender Sonntngs-Gcwcrbe-
uud Fortbildungsschulen leicht in genügendem Unifang er-
werben kann. Als Geschäftszweig ist die Herstellung die-
selben einträglich. — Der sogenannte italienische Firniß wird
folgendermaßen bereitet: Alan kocht Chio-Terpcntin, bis er
spröde und glasig wird wie trockener Leim; dann zerstößt
man ihn zu Pulver und löst ihn in Terpentinöl auf; hie-
durch trocknet er schneller, als wenn man den ungekochten
Chio-Terpcntin in Terpentinöl auflö-Zt. Der italienische
Firniß ist aber nicht der zweckmäßigste zum Firnissen von
Kupferstichen und Gemälden mit Wasserfarben.

Redaction, Druck u. Verlag von Hermann Schölilcill.
 
Annotationen