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. —46 —

Immer mehr steigerte sich Mottau's Auf-
regung.
„Er ist im Walde gewesen? Woher weißt Du
dies?" ries er.
„Benko selbst hat es mir mitgetheilt."
„Würde er dies gethan haben, wenn er sich
schuldig suhlte?"
„Weshalb nicht?" entgegnete Hugo. „Hütte
er cs geleugnet, so würde er selbst den Verdacht
dadurch auf sich gelenkt haben, denn daß er zu
der Zeit im Walde sich befunden hatte, konnte
ihm ja sehr leicht bewiesen werden."
Schweigend schritt Mottau einige Minuten lang
neben Hugo hin. Man sah es seineil aufgeregten
Zügen an, wie er mit sich kämpfte. Alles was
Hugo ihm mitgetheilt hatte, war mehr berechtigt,
einen solchen Verdacht hervorzurufen und doch
sträubte sich sein Herz dagegen. Er kannte ja
den junger Förster voll Jugend auf und hatte
schon an dem kühnen, wilden und übermüthigen
Knaben seine Freude gehabt. Manchen verwegenen
und tollen Streich hatte derselbe ausgesührt, allein
nie einen schlechten. Er glich seinem Vater, dessen
fester und gerader Charakter nie gewankt hatte.
Und doch schlichen sich Hugo's Worte immer
tieser in ihn hinein. Hatte die Leidenschaft nicht
schon Manchen zu einer That hingerissen, die er
bei ruhiger Ueberlegung nie begangen haben würde?
„Hugo," rief er endlich, „würdest Dn das
Alles dem Staatsanwalte oder Untersuchungsrichter
wiederholen?"
„Was ich Dir gesagt habe, gewiß! Ich wie-
derhole noch einmal, das; ich Benko nicht anklage,
aber den Verdacht gegen ihn habe ich nicht über-
winden können. Ist er unschuldig, so wird der
Richter dies bald erforschen, und ist er schuldig,
so...!"
„Halt ein!" unterbrach in Möttau in fieber-
hafter Erregung. „Ich will es noch nicht glauben,
aber ich werde Alles dem Staatsanwalt mit-
theilen. Er mag dann handeln. Es wird den
alten Förster schwer niederbeugen — ich kann cs
ihm nicht ersparen!"
„Es wird dich aufregen, Onkel," warf Hugo
ciil. „Soll ich die Mittheilung an den Staats-
anwalt übernehmen?"
„Ja, thue es," entgegnete Möttau. „Oh,
wenn Benko es gethan hätte — an ihn würde
ich zuletzt gedacht haben!"
Hugo suchte den Aufgeregten zu beruhigen.
„Auch ich wünsche, daß mein Verdacht auf
einem Jrrthum beruht, so sehr auch mein ganzes
Streben darauf gerichtet ist, Heino's Mörder zu
entdecken," sprach er.
Noch ail demselben Tage fuhr er zur Stadt
mld kehrte, noch ehe der Abend hereinbrach, mit
einem Polizeikommissär und zwei Gerichtsdicnern
zurück.
Mottau begegnete ihnen im Parke und konnte
seine Bestürzung nicht verbergen.
„Sie wollen Benko verhaften?" fragte er.
„Ich habe mich nur für den Fall vorgesehen,
daß seine Verhaftung nöthig wird," entgegnete
der Kommissär. „Der Verdacht spricht allerdings
gegen ihn, ich werde ihn indes; erst verhören, ehe
ich diesen Schritt thue."
Der Kommissär begab sich zuerst zu Gertrud,
um an sic verschiedene Fragen zu richten. Das
erschreckte Mädchen war kaum im Stande zu
antworten, bestätigte indes; Hugo's Aussagen. Sie
gestand, daß Heino sie geliebt habe und das; Benko
sie eines Abends mit ihm in der Laube überrascht
und ihr Vorwürfe gemacht habe.
- „Haben Sie Benko je Hoffnungen gemacht?"
fragte der Kommissär.
„Nein," versicherte Gertrud. „Mein Vater
wünscht indes; meine Verbindung mit ihm und hat
seine Einwilligung dazu gegeben."
„Ist Benko seit jenem Abende wieder hier ge-
wesen?" forschte der Kommissär weiter.

„Nein."
„Kam er früher öfter?"
„Fast jeden Tag."
„Ist es Ihnen nicht aufgefallen, daß er nicht
wieder gekommen?"
„Nein. Er wußte nun ja, daß ich ihn nicht
liebte."
„Er hat Ihnen aber an jenem Abende zuge-
rufcn, das; er nie von Ihnen lassen werde."
„Ich hielt seine Worte nur für den Ausdruck
der augenblicklichen Aufregung," gab Gertrud zur
Antwort.
„Das Hindernis;, welches ihm cntgegenstand,
war durch den Tod des jungen Herrn v. Mottau
beseitigt," fuhr der Kommissär fort; „fiel es Ihnen
nicht auf, das; er jetzt seine Werbung nicht wieder-
holte."
Gertrud schüttelte ablehnend mit dem Kopfe.
„Er weiß, daß ich ihn jetzt noch weniger lieben
würde," sprach sie.
„Weshalb jetzt noch weniger?" wiederholte der
Kommissär fragend.
„Weil er weiß, daß ich den Todten so rasch
nicht vergessen kann," entgegnete Gertrud, deren
mühsam zurückgehaltene Thrünen gewaltsam her-
vorbrachen.
Der Kommissär schwieg einen Augenblick.
„Benko steht im Verdacht, den jungen' Herrn
erschossen zu haben," sprach er dann.
Erschreckt fuhr Gertrud zusammen, ihre großen
Augen blickten Den Kommissär mit starrem Aus-
drucke ail.
„Ist in Ihnen dieser Verdacht noch nicht auf-
gestiegen?"
Sie schüttelte ablehnend mit dem Kopfe. Schon
vor denl Gedanken hieran schien sie sich so sehr
zu entsetzen, das; ihre Lippen kein Wort hervor-
zubringen vermochten.
„Glauben Sie, das; er im Stande ist, eine
solche That zu begehen?" forschte der Kommissär
weiter.
„Nein, nein, so schlecht ist er nicht!" rief
Gertrud, „er kann nicht zum Mörder geworden
sein."
Der Kommissär beendete das Verhör, um sich
nach dem Försterhause zu begeben. Hngo geleitete
ihn bis iil den Wald.
„Haben Sie aus den Aussagen des Mädchens
bereits irgend einen Anhaltspunkt gewonnen?"
fragte er.
„Nein," crwiederte der Kommissär. „Nur die
Ueberzeugung des Mädchens, daß der junge För-
ster zu einer solchen That nicht fähig sei, ist von
einiger Bedeutung."
„Ich glaube Gertrud ist nicht im Stande, zu
beurtheilen, wie weit die Leidenschaft der Eifer-
sucht reicht," warf Hugo ein. „Schon Mancher hat
sich und Andere dadurch in's Unglück gestürzt. Ich
behaupte nicht, daß Benko die That begangen
hat, allein sein heftiger Charakter, sein heißes
Blut lassen dieselbe nicht als unmöglich erscheinen."
Der Kommissär antwortete nicht. Er begab
sich mit den beiden Gerichtsdienern zu dem Förster-
hause.
Still und friedlich lag dasselbe da, hohe
Tannen umgaben es schützend. Vor der Thür
saß der alte Förster. Erstaunt richtete er sich
empor, als er den Kommissär erblickte, dessen
Nahen die Hunde meldeten. Noch stieg keine
Ahnung dessen, was denselben zu ihm führte, in
ihm auf, denn sein ganzes Leben war ein gerades
lind ehrliches gewesen.
Der Kommissär fragte nach seinem Sohne.
„Was wünschen Sie von ihm?" warf der
Alte eiil.
„Rufen Sie ihn, ich habe mit ihm zu spre-
chen," entgegnete der Kommissär.
Der Alte schüttelte mit dem Kopfe; er begriff
nicht, was der Kommissär mit seinem Sohne zu
sprechen haben könne.

„Kommen Sie," sprach er und schritt ihm
voran in das Zimmer.
Ohne Ueberraschung sah der junge Förster,
Georg war sein Name, seinen Vater mit den
Fremden eintreten, ruhig blickte er ihnen ent-
gegen.
„Ich habe einige Fragen an Sie zu richten,"
sprach der Kommissär.
„Fragen Sie, ich werde Ihnen antworten,"
entgegnete Georg unbefangen. „Eine Antwort
bin ich noch Niemand schuldig geblieben."
Der Blick des Kommissärs fuhr forschend über
das Gesicht des jungen Försters hin; dieser hielt
den Blick ruhig aus.
„Wo waren Sie an dem Abende, an welchem
der junge Herr v. Mottau erschossen wurde?"
fragte er ohne Umschweife.
„Im Walde," gab Georg zur Antwort.
„Allein?"
„Gewiß."
„Welche Absicht hatte Sie in den Wald ge-
führt?"
Welche Absicht?" wiederholte Georg erstaunt.
„Ich meine ein Förster gehört in den Wald."
„Auch spät am Abende?"
„Auch dann."
„Sie hatten doch aber jedenfalls einen be-
stimmten Zweck, der Sie an jenem Abende in
den Wald führte," warf der Kommissär ein.
„Natürlich, ich ging auf den Anstand."
„Wo stellten Sie sich auf?"
„Im Hirschthal."
„Ist dieses voll der Wiese, wo der junge
Herr v. Mottau erschossen wurde, weit ent-'
fernt?"
„Nein, vielleicht zehn Minuten."
„Wußten Sic, daß der junge Herr dort auf
dem Anstande war?"
„Nein."
„Haben Sie an jenem Abende ein Wild ge-
schossen?"
„Nein."
„Weshalb nicht?"
„Herr Kommissär, ich begreife nicht, wozu
all diese Fragen!" rief Georg endlich ungeduldig.
„Bitte, beantworten Sie meine Frage," ent-
gegnete der Kommissär.
„Nun, aus dem ganz einfachen Grunde, weil
mir kein Wild schu'ßgerecht kam. Ich glaube,
diese Antwort hätten sie sich sebst geben können."
„Welche Büchse führten Sie an dem Abende
mit sich?"
„Die, welche ich fchon seit Jahren trage. Dort
an der Wand hängt sie."
Georg zeigte auf eine kurze Jagdbüchse an
der Wand.
Der Kommissär trat an die Wand heran und
nahm die Büchse herab. Er versuchte den Hahn
derselben zu spannen.
„Halt!" rief der alte Förster, die Hand auf
seinen Arm legend, dies ist kein Spielzeug, Herr
Kommissär. Und wenn man eine Büchse spannt,
so hält man den Lauf derselben nicht Anderen auf
den Leib! Mit Schußwaffen scheinen Sie sich
wenig beschäftigt zu haben."
„Ich wollte mich nur überzeugen, ob die Büchse
geladen sei," warf der Kommissär lächelnd ein.
„Natürlich ist sie geladen," bemerkte Georg.
„Es steckt sogar noch derselbe Schnß darin, mit
welchem ich an jenem Abende ein Wild erlegen
wollte."
„Noch derselbe Schuß?" wiederholte der Kom-
missär, indem er die Augen prüfend halb schloß.
„Wie kommt das?"
„Ganz einfach, weil ich seit der Zeit keinen
Schnß weiter gethan habe."
„Weshalb nicht?"
„Herr Kommissär!" rief Georg unwillig, „ich
habe versprochen, Ihnen auf jede Frage eine
Antwort zu geben, weil ich hoffte. Sie würden
 
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