Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Overview
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
105

in

Zucker Gtennit^.^. -
welchem die vier Frauenzim-s in einer Fensternische Mancherlei. .Clementine und
F 14

war es zu spät. Veauchamp beschuldigte sie sogar, '
es vernichtet zu haben, weil cs ein Beweis seiner
Unschuld sein könnte.
Der nun beginnende gerichtliche Prozeß war
ein Gewebe von suchen «schwüren, richterlicher
Bestechung und Oberflächlichkeit. Für die demo-
kratische Partei, zu welcher der Oberst gehörte,
war es von hohem Interesse, wenn man glaubte,
die Ermordung des letzteren sei eine That politi-
scher Rache und er sei das Opfer seiner Hingebung
für das Interesse des Volkes geworden. Die Fa-
milie des Obersten theiltc das Interesse, da sie
gern den Schimpf von sich abweuden wollte, daß
der Ermordete die Strafe für eine niedere Hand-
lungsweise erlitten habe. Falsche Zeugen wurden
erkauft und Beauchamp überwiesen, aus politischem
Hasse dem Obersten Sharp nach dem Leben ge-
trachtet zu haben. Dennoch würde Beauchamp,
der sich gleichfalls eine Menge Entlastungszeugen
erkauft hatte, diesem Lügengewebe wahrscheinlich
entgangen fein, wäre es feinen Gegnern nicht ge-
uwgen, durch einen verräterischen Streich sein
Schicksal zu entscheiden. Sie sandten nämlich einen
der Ihrigen zu seiner Gattin, der sich für einen
freund Beauchamp's ausgeben und ihr hinter-
bringen mußte, ihr Gatte, der keinen Ausweg
stzehr sehe, stehe im Begriff, ein Geständnis; feiner
"vt zu machen und sie als Mitwisserin anzu-
geben; sie möge ihn beschwören, daß er feststehe
sw nicht auch mit in sein Verderben ziehe.
Auf diese Weise wußte der Verrüther ihr ein Bittet
an ihren Mann zu entlocken, welches sie ihm mit-
Dieses Billet wurde das Verderben des
Angeklagten.
. Beauchamp wurde zum Tode verurtheilt und
gestand endlich seine That. Doch warf er feinen
leichtern in's Gesicht, daß ihr llrthcil ein Gewebe
von Jrrthümern und die Aussagen seiner Ankläger
nichts als Lügen feien. Auch bat er, seine Hin-
richtung so lange zu verschieben, bis er ein Ge-
stä.dn ß seiner That niedergeschriebcn und darin
gezeigt habe, wie ein Verbrecher als Märtyrer
der Gesetze der Menschen fallen könne, während
er nur vor denen Gottes schuldig sei.
Da das Publikum durch diese Erklärung sehr
aufgeregt und gespannt war, so wagte der Gou-
verneur von Kentucky nicht, das Gesuch zu ver-
werfen. Das Gestündniß des Vernrtheilten er-
schien, und wohl selten hat in Amerika ein Buch
solches Aussehen gemacht.
Die Gattin wollte den Gatten, der sich für
sie aufgeopfert, auch im Tode nicht verlassen und
bat, sein Gefängniß mit ihm theilen zu dürfen.
Hier verfaßte sie ein durch Kraft und hohe Poesie
ausgezeichnetes Gedicht, worin sie von der Welt!
Abschied nahm. Auch stellte sie schriftlich die Bitte,
daß man sie beide in einen Sarg lege. Darauf
nahm Anna Cook einen Dolch, reichte ihn dem
Gatten, und dieser stieß sich zuerst den Stahl in
die Brust. Kaum war er eingedrungen, so riß
ffe ihn mit Begeisterung heraus und gab sich selbst
die Todeswunde.
Als die Stunde der Hinrichtung nahte, fand
der Kerkermeister sie beide im Blute schwimmend,
aber den Gatten noch lebend. Als man ihn empor-
richtete, um ihn auf das Schaffot zu bringen, bat
er, ihn zuvor noch von seiner Gattin Abschied neh-
men zu lassen. Man ließ ihm noch so viel Zeit;
er ergriff ihre Hand und sprach:
„Lebewohl, Du Kind des Unglücks! Jetzt bist
Du vor den bösen Zungen sicher, Jür Dich habe
ich gelebt, für Dich sterbe ich. Auf Wiedersehen!"
So fielen der grenzenlosen Rachsucht emes
Weibes drei Opfer.
Beauchamp's alter Vater erbat sich den Leich-
nam seines Sohnes und den der Gattin desselben
und legte beide nach ihrem letzten Wunsche in
einen Sarg.

möglich zu machen oder wenigstens aus der Börse
selbst in die „Coulisse" zu verbannen. O. M.

deshalb waren auch Lony und Sybille daheim ge-
blieben.
Das arge Wetter störte ihre gute Laune nicht.
Die Wirthschafterin des ebenfalls verreisten be-
nachbarten Majors war zum Besuch gekommen —
denn Lony war eine gebildete Köchin, und Sybille
spielte sogar vier Tänze aus dem Pianoforte
und wußte Schiller's Balladen recht hübsch her-
zusagen.
Frau Dürkenfeld hatte ihre nette Base, Clemen-
tine Stöhr mitgebracht und einen großen selbstge-
backenen Kuchen. Lony trug einen herrlich duften-
den Kaffee auf, die fette Sahne hatte Sybille
beigeneuert und den Zucker Clementine.
Das Gemach, in i

Wenn es sein soll!
Humoreske
von
War Lindau.
Der Herr Regierungsdirektor befand sich
Kissingen, um sich von alten Nebeln durch die
Kraft der Heilquellen befreien zu lassen, die Frau
Regierungsdireklorin war mir ihren beiden Töchtern
nach München zu ihren Eltern gereist. Tante
Margarethe weilte in Wildbad, um ihren. Rheu-
matismus los zu werden, der junge Herr studirte
in Tübingen, Niemand war in dem großen Hause
des Regierungsdirektors als Lony, die alte Köchin
und Sybille, das junge Stubenmädchen, den
Kaspar hatte der Herr mit sich nach Kissingen ge-
nommen. Es war Sonntag, aber kein sonniger,
lustiger, im G gentheil, es goß wie mit Eimern,
V dabeim ne-

mer saßen, war geräumig, und mit allerlei Sachen
und Sächelchen ausgeputzt, welche diesem ein be-
hagliches Ansehen gaben. Die Frau Regierungs-
direktorin kam zuweilen in das Gemach und lobte
Sybillens Talent für das Ausschmücken, im Winter
besonders suchte sie es auf, denn es hatte den
besten Ofen und die Frau Regierungsdirektorin
liebte die Wärme. Sehr oft gingen die Töchter
des Hauses, angehende Backfischchen, der Mutter
nach und da der Regierungsdirektor selbst ein ge-
müthlicher Mann war, so kam es vor, daß er,
wenn er seine Frau suchte, in das Dienstboten-
zimmer ging und ein Weilchen daselbst blieb.
„Ihr habt es ja ganz herrlich hier, gestickte
Sophakissen, blühende Blumen, Kupferstiche, Vasen,
das ist ja gar zu toll," pflegte er lachend zu
sagen. Hierauf erynederte die alte Lony, „ja, ja,
Herr Regierungsdirektor, Sybille ist nun einmal
für ein hübsches Zimmer eingenommen. Die Kissen
haben die Fräuleins zu schlecht für die Herrschafts-
zimmer gefunden, Sybille hat sie gewaschen und
frisch mit Seegras gestopft. Die Blumen sind
aus Samen gezogen, welchen Bille gesammelt
hat, die Vasen wurden gekittet, das Mädel ver-
, steht sich darauf, und sie hat sie so gestellt, daß
; die Sprünge nicht in die Augen fallen."
„Schon gut, schon gut, schade daß Sybille
kein Bub' ist, sie hätte es zu etwas bringen können,
nicht wahr Lony?" erwiederte gut gelaunt der
alte Herr, worauf die Köchin, welche sich schon
ein Wörtchen erlauben durfte, denn sie war drei-
undzwanzig Jahre im Hause, die Antwort gab:
„Je nun, Herr Direktor, aus einem Mädchen
kann Alles werden, sogar eine Kaiserin; auch wenn
sie aus dem Volke ist."
Heute, nachdem Lony zum dritten Male ihren
Gästen die Tassen gefüllt und einen Teller voll
von frischen selbstgebackenen Bretzeln aufgetragen
hatte, sagte sie, und ihr gutmüthiges Gesicht strahlte:
„Wenn ich so bei meinen lieben Freunden sitze,
denn so darf ich sie doch wohl nennen, geehrte
Frau Dürkenfeld und Mamsell Clementine, da
bin ich so recht in meinem e-Nott vergnügt und
ganz zufrieden mit meinem Stande und meinem
Schicksale. Ich diene, aber meine Herrschaft ist
gut, und arbeiten muß jeder Mensch. Ich sage
es oft zu Sybille, unser Herr plagt sich mehr als
wir, die wir dienen. Die jungen Fräuleins haben
den ganzen Tag keine freie Stunde, bald massen
sie sich auf dem Piano üben, bald ihre englischen
und französischen Aufgaben machen, schöne Hand-
arbeiten verfertigen, in die Tanzstunde gehen,
Zeichnen und was weiß ich. Die Frau Direktor
hat auch bald dieses bald jenes zu thun, sie darf
ihre Bekannten und Höherstehende nicht vernach-
lässigen, damit der junge Herr, der bald aus-
studirt hat, gut placirt wird. Der Herr ist gut,
aber ein Hitzkopf, er vertrügt keinen Widerspruch,
da muß die gute Frau oft schweigen, und ich bin bei
dergleichen Vorkommnissen stets froh, daß ich mit
Gott und Ehren eine alte Jungfer geworden bin!"
..Ja, Ehestand, Wehestand!" seufzte Frau
Dürkenfeld, „das predige ich meiner Nichte ost.
Die bildet sich ein, sobald man am Traualtar
steht, müßten alle Sorgen von Einem abfallen;
o du liebe Zeit, da beginnen sie erst recht. Mein
Seliger halte zwar seine Mucken, na, welcher
Mann hat denn keine? Aber er war fleißig,
sparsam; ein rechtlicher Mann, nur ein wenig
geizig gegen mich und zu freigebig bisweilen gegen
sich selbst; aber heut zu Tage sind die Männer
noch schlimmer, und ihre erste Frage, ehe sie sich
um ein Mädchen bewerben, ist: wie viel be-
kommt sie mit?"
, „Au, ja, so ist es!" stimmte Lony bei, „ganz
wie Sie sagen, liebe Frau Dürkenfeld."
Während die beiden ältlichen Frauenzimmer
sich über die Männer der Gegenwart eines Breiteren
ausließcn, flüsterten die beiden jungen Mädchen
- - -- - — -

14

Das Dörsengebäude in St. Petersburg. '
(Siehe das Bild auf S. 104.)
Unter der Zahl der prachtvollen palastartigen I
Bauten, welche sich auf dem rechten Ufer der großen
Newa erheben, fällt namentlich das Börsengebäude
sehr in's Auge, kenntlich gemacht durch die beiden
Säulen mit Schiffsschnäbeln, die sich zu Leiden Seiten
der Anlände und der Doppelrampe am Strome er-
heben. Die Börse ist auf Kosten der St. Peters-
burger Kaufmannschaft zu Anfang dieses Jahrhun-
derts errichtet worden, gehört nach Styl und Aus-
führung zu den gelungensten und schönsten öffentlichen
Bauten der „Stadt der Paläste", und macht vom
Strome und vom gegenüberliegenden Ufer aus einen
wahrhaft imposanten Eindruck. Es gibt in ganz
Rußland nur vier eigentliche Börsen, nämlich in
St. Petersburg, in Moskau, in Odessa und in Rji-
binnsk. Aehnliche Institute, doch nicht eigentliche
Börsen, existiren noch in Riga, in Nifchnei-Nowzorod
und in Kjächta, an beiden letzteren Orten jedoch nur
zur Zeit der Messen. Die Petersburger Börse unter-
scheidet sich wesentlich von anderen Börsen west- und
südeuropäischer Großstädte. Sie steht unter der Ueber-
wachung des Finanz- und des Handelsmin'isters und
dient wesentlich nur der Bereinigung der rein kauf-
männischen Geschäfte. Da in Rußland der Handel
mit ausländischen Staatspapieren sehr unbedeutend
ist, so ist das verderbliche Börsenspiel, welches bei
der Spielwuth der Russen doppelt verheerend wirken
würde, noch nicht eingeführt, und anstatt des Ge-
schreies und Durcheinanders an den übrigen europäi-
schen Börsen, anstatt des lebhaften Gestikulirens, des
Brüllens und Tumultuirens, werden hier die äußerst
bedeutenden kaufmännischen, Schisffahrts-, Lombards-,
Assekuranz- und sonstigen Geschäfte mit der muster-
haftesten Decenz, Ruhe und Würde abgemacht. Jenes
gleichsam militärische Reglement, welches die gefanrmte
russische Verwaltung kennzeichnet, macht sich auch hier
geltend; man überwacht die Geschäfte und beugt der
Verbreitung falscher politischer Nachrichten vor, deren
Erfinder und Verbreiter der Ahndung der Gesetze
verfallen, obschon die Börse das Vorrecht genießt,
daß innerhalb ihrer Räume Jemand nur wegen eines
Kriminalvergehens, nicht aber wegen Wechsel- und
anderer Schulden verhaftet werden darf; und man
sucht so viel wie möglich auch das Börsenspiel un-
- —ni,s RörL

O. M.
 
Annotationen