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gebracht, entsagte sie endlich am 6. (16.) Juni 1654
definitiv zn Gunsten Karl Gustav's, der noch am
selben Tage als König gekrönt wurde, dem Thron,
und reiste im Jnli nach Hamburg, dauu uach Mun-
ster, wo sie nur mit Jesuiten verkehrte, und hielt
am 23. December ihren festlichen Einzug iu Brüssel,
wo sie heimlich zum Katholicismns übertrat. Von
diesem Zeitpunkte an benahm sie sich so unweiblich
und auffallend, daß inan an ihren: gesunden Ver-
stände zweifeln möchte und ihre Zeitgenossen sie
allesammt mehr pikant als anziehend fanden und
für sehr unweiblich erklärten. Namentlich anf der
Reise nach Rom und während ihres Aufenthalts
daselbst geberdete sie sich einer Frau unwürdig,
und ebenso in Paris, wo sw im Sommer 1656
erschien und wo man ihr im folgenden Jahre mit
der größten Gastfreundschaft Gemächer in: schlösse
Fontainebleau eiuräumte, sie aber ihren Günstling
nnd Stallmeister Monaldeschi, den sie einer Un-
treue überführte, in grausamster Weise Meuchel-
morden ließ und dadurch ihres Gastrechts verlustig
ging. 1658 kehrte sie wieder uach allerlei Aben-
teuern nach Ron: zurück und erhielt von: Papst ein
Jahresgehalt von 12,000 Scudi und den jungen
geistvollen Kardinal Azzolini zum Oberhofmeister
und Hüter. Nach Karl Gustav's Tode 1660 ging
sie wieder nach Schweden, um ihre Angelegenheiten
zu ordnen, in der geheimen Hoffnung, die Krone
wieder zu erlangen. Aber die Kunde von ihrem
Uebertritt zur römischen Kirche und die Einrichtung
einer katholischen Kapelle hatten ihr Aller Herzen
entfremdet und die Möglichkeit eines dauernden
Aufenthalts in Schweden geraubt. Nach manchen
vergeblichen Versuchen, durch politische Jntriguen
wieder zu einiger Geltung zu kommen, ging sie
wieder nach Rom, später auch vorübergehend noch
einmal nach Frankreich, sammelte einen gelehrten
Kreis um sich, beschäftigte sich mit Dichtkunst und
italienischer Sprache, führte ein ziemlich anstößiges
Leben und starb endlich, von Niemand geliebt oder-
betrauert am 19. April 1689 iu Rom, wo sie in
der Peterskirchs prachtvoll begraben ward und ihr
Vermögen dem Kardinal Azzolini vererbte. Von
ihren gelehrten und wissenschaftlichen Leistungen
auf verschiedenen Gebieten der Literatur ist keine
bedeutend genug, um dieser Frau eine ehrenvolle
Stelle in der Literaturgeschichte zu sichern, und trotz
aller ihrer Gaben und ihres männlichen Gebührens
ist sie doch an weibischer Schwäche und Haltlosig-
keit untergegangen.

Die Belagerung von Straßburg.
Bon
I. K Schubert.
(Siehe das Bild auf S. 133.)
Der gegenwärtige Krieg hat manche vorgefaßte
Meinung berichtigt, und besonders sind die Festun-
gen, welche man schon als ganz überflüssig betrach-
ten wollte, wieder zn Ehren gekommen. Wenn
Frankreich nicht die starken Festungen Metz und
Straßburg, die vielen die Eisenbahn beherrschenden
feste:: Plätze in den Vogesen re. innegehabt hätte,
wenn endlich Paris selbst nicht die größte Festnng
der Welt wäre, so würde der Krieg längst beendigt,
der Friede längst geschlossen sein. Straßburg, schou
zur Römerzeit unter dem Namen Vrgsntoratum
ein bedeutender Waffenplatz, erhob sich, nachdem
es während der Stürme der Völkerwanderung
mehrmals zerstört worden war, immer wieder aus
den Trümmern-, schon im 11. Jahrhnndert wnrde
Straßburg eine freie deutsche Reichsstadt, blieb das
ganze Mittelalter hindurch angesehen und unge-
achtet aller Anfeindungen raubgieriger Nachbarn
unabhängig, bis 1681 der König Ludwig XIV.
von Frankreich sich der Stadt bemächtigte. Fran-
zösisches Gold bewog einige Bürger, deren Namen
ein Deutscher nicht ohne Scham nennen kann, näm-
lich den Stadtrichter v. Zedlitz, den Nathsschreiber
Güntzer, den Senator Stößer, den Advokaten Obrecht
u. A., die freie Reichsstadt an den Erbfeind durch
schmählichen Verrath auszuliefern. Mit Gewalt
wurde Straßburg zum ersten Male am 27. Sep-
tember 1870 durch die deutsche Belagerungsarmee
eingenommen.
Die Festungswerke sind theilweise sehr alt; im
16. Jahrhundert (1578) umgab der kaiserliche Land-

baumeister Daniel Specklin Straßburg mit neuen
Wüllen. Von 1682—85 erbaute Vauban die in
letzter Zeit so oft besprochene Citadells in Form
eines bastionirten Fünfecks mit dazwischen geschobe-
nen Lünetten, später wurden zwei Hornwerke und
mehrere andere Außenwerke (Werke, welche außer-
halb des Hauptwalles, aber nahe vor demselben
liegen; nicht zu verwechseln mit Vorwerken, die auf
Geschützschußweite von der Festung entfernt und
selbstständig sind) hinzugefügt. Die bastionirte
Hauptumfassung, nach altdeutscher und theilweise
nach Vauban'scher Manier, ist von nassen Gräben
umgeben, welche durch eine vortreffliche Schleußeu-
einrichtung von der J.ll und den: Rhein gespeist
werden.
Ehe wir einen kurzen Blick auf die angegriffenen
Festungswerke werfen, ist zu erwähnen, daß wäh-
rend der Belagerung vom 15. bis 22. August Stadt
und Festung mit Feldgeschütz bombardirt wurde,
um durch den hervorgerufenen Schrecken, durch die
erzeugten Brände einen Druck auf die Einwohner-
schaft auszuüben. Die Hoffnung, den unerschrocke-
nen Kommandanten, General llhrich, dadurch zur
Uebergabe des Platzes zu zwingen, erfüllte sich
nicht nnd vom 22. August au wurde die Festung
in immer stärkerem Grade mit schwerem Belage-
rungsgeschütz beschossen. Unser Bild S. 133 gibt
uns einen Begriff von der Wirkung dieser Be-
schießung. Der Sturm auf die in den Hauptwall
der Citadelle gelegte Bresche war auf den Früh-
morgen des 28. Septembers festgesetzt, und es unter-
lag keinen: Zweifel mehr, daß er gelingen mußte.
Diese Ueberzeugnng veranlaßte den General Uhrich,
die Festung den Deutschen am 27. September-
Abends zu übergeben. Während der eigentlichen
Belagerung vom 29. August bis 28. September-
würden aus 230 Geschützen 193,722 Schuß gegen
die Festung abgefeuert, also jede Minute 4 bis 5.
In Folge der abgeschlossenen Kapitulation streckten
17,000 Mann nnd 450 Offiziere als Gefangene
die Waffen. Die Kriegsbeute bestand aus mehr
als 1000 Geschützen, unzähligen Chassepotgewehren,
großen Vorräthen an Geschützmetall, Uniformen,
Tuch, Schuhwerk, Munition und Ausrüstungsgegen-
ständen aller Art.
Dnrch den glänzenden Sieg deutscher Waffen
war nun die Stadt wieder gewonnen, die vor bald
200 Jahren mitten im Frieden durch Trug und
Verrath von Deutschland abgerissen wurde. Un-
säglich haben die 80,000 Einwohner unter der Be-
lagerung gelitten und es ist begreiflich, daß sie in
dumpfem Grolle dem Einzug der Sieger zusaheu,
daß sie nicht darüber jubelten, nun wieder deutsch
geworden zu sein. Wie aber die Mutter mit Freu-
den das geraubte und wiedergefundene Kind in dis
Arme schließt, so erfüllt Deutschland nur eine Pflicht,
die uralte deutsche Stadt nun auf immerdar fest
an sich zu binden. Noch erkennt das Kind, das
so lange in fremden Verhältnissen lebend, die Er-
innerung an die Heimath fast verlor, die Mutter
nicht an und sträubt sich in's Elternhaus zurück-
zukehren; aber es wird die alte Liebe wiederfinden
und Straßburg wird wieder werden, was es einst
dem deutschen Reiche gewesen, ein starkes Bollwerk
gegen die Uebergriffe der Franzosen, eine feste,
treue, deutsche Wacht am Rhein. Jeder deutsche
Soldat, der vor Straßburg lag, der dort im furcht-
barsten Unwetter an den Laufgräben arbeitete bis
zum Schwinden der Kräfte, der Blut und Leben
einsetzte, um die Festung dem deutschen Vaterland
zu gewinnen, hat ein heiliges Recht, zu fordern,
daß Straßburg, das wichtige Pfand des künftigen
Friedens, nun Deutschland erhalten bleibe auf ewige
Zeit. So hart auch der Krieg die Bürger Straß-
burgs bedrängte, so furchtbar der Tod, Hunger,
Krankheit und Feuersbrunst in den Gassen der
Stadt wüthete, so waren doch die Belagerer nicht
weniger allen Gräueln des Kampfes, der Entbeh-
rung nnd dazu noch der Wnth der Elemente preis-
gegeben. Man darf ja nicht vergessen, mit welch'
ungemeinen Mühsalen auch die siegreichen Belagerer
zu kämpfen hatten. Der Gang einer solchen Be-
lagerung, den wir mit einigen Zeilen schildern
wollen, wird dem nichtmilitürischen Leser die Schwie-
rigkeit der Aufgabe begreiflich machen.
Wenn die Festung von allen: Verkehr mit der
Außenwelt abgeschnitteu ist, wenn außerhalb ihres
Schußbereiches die große:: Geschützparke, die Werk-
stätten zur Munitionserzeuguug, zur Anfertigung
der Faschinen, Schanzkörbe re., die Lerpflegungs-

und Pulvermagazine, die Spitäler re. eingerichtet
find, werden auf großen Entfernungen Schanzen
(Batterieen) erbaut, mit schweren Geschützen armirt,
welch' letztere die Linien der Festung der Länge
nach beschießen. Hierauf wird zur Nachtzeit parallel
(gleichlaufend) mit der Walllinie der anzugreifenden
Fronte ein Graben (Laufgraben) ausgeschaufelt, und
die ausgegrabene Erde dabei gegen die Festung zu
als Brustwehr aufgehäuft. Das ist die erste Paral-
lele, welche dann bei Tag erweitert und mit Ge-
schützen besetzt wird, die hauptsächlich gegen die
Geschütze der Festung feuern. Sind die letzteren
theilweise zum Schweigen gebracht, so geht der Be-
lagerer von mehreren Stellen der ersten Parallele
im Zick-zack (damit er dem direkten Geschützseuer
der Festung weniger bloßgestellt wird) in Gräben
(Approchen) vor, deren gegen die Festung gekehrte
Enden nun wieder mit einer Parallele, der zweiten,
verbunden werden. In diese zweite Parallele baut
man abermals Batterieen, rückt dann wieder näher
an dis Festung, erbaut die dritte, nach Umständen
eine vierte-Parallele, bis man das Glacis (den
am Grabenrand der Festung nach auswärts sich
abflachenden Jnfanteriewall oder bedeckten Weg)
erreicht. Hier werden nun die Breschbatterieen er-
baut, dereu Geschütze den Hauptwall zusammen-
schießen nnd dadurch eine Oesfnung (Bresche) in
die Umfassung der Festung machen. Nun muß
erst der Graben ausgefüllt werden (Grabennieder-
gang) und dann erst wird die Bresche gestürmt.
Die gezogenen Geschütze gestatten auch auf größere
Entfernuugen Bresche zu Meßen; wenn man dabei
das Ziel (die Escarpemauer) nicht sieht, sondern
dasselbe durch Berechnung der Pulverladung und
vertikalen Geschützrichtung (Elevation) mit den Ge-
schossen zu treffen sucht, so nennt man dies „in-
direktes Brescheschießen". Die Hauptumsassung
Straßburgs bildet ein Dreieck. Das Steinthor in
der nördlich gelegenen Ecke war der Mittelpunkt
der angegriffenen Fronte (was zwischen den Spitzen
zweier Bastionen liegt, bildet eine Fronte), die aus
den Halbbastionen 11 und 12 und der sie verbin-
denden Courtine bestand. Das Ravelin 50 deckte
das Thor. Vor der Bastion 12 liegen die Lünetten
(zwei im Winkel von 90—100° zusammenstoßende,
gerade Wälle) 54 und 55, welche, ringsum von
Wasser umgeben, eine Annäherung aus der dritten
Parallele nicht zuließen. Deshalb mußten die Be-
lagerer ihren Angriff auf die durch einen schmalen
langen Damm mit dem Hauptwall verbundenen
Lünetten 52 und 53 richten, deren Einnahme große
Opfer kostete, aber auch die Krönung des Glacis
(den Bau der direkten Breschbatterieen gegen den
Hauptwall) erleichterte.

Ein historisches Liebespaar.
Von
vr. Kugo Schramm.
' „Wie Lcichensteine glänzen die Buch¬
staben der Geschichte im magischen Schim-
mer der Mondnacht; aber was die Grab-
- Hügel decken, was diese Todten wirklich
waren, fühlten und litten, wonach sie
rangen mit unruhigem Streben, und das
innere Geheimniß der Seele: das sagt
der kalte, trockene Buchstabe nicht. Und
dennoch glühten einst diese Herzen in
unendlicher Liebe, in unendlichem Hasse."
Noch niemals sind die Schranken, welche Vor-
urtheil und Gewohnheit zwischen den verschiedenen
Ständen der menschlichen Gesellschaft aufgerichtet
haben, ungestraft durchbrochen worden.
Das ist eine jener traurigen Wahrheiten, zu
deren Beweis es keiner Romane, keiner Erfin-
dungen einer dichterischen Phantasie bedarf; das
wirkliche Leben eines jeden Volkes ist reich genug
an unglücklichen Ereignissen, welche dadurch schon
heranfbeschworen morden sind, nnd fast ans allen
Ländern kennen wir einige jener meist durch die
Poesie unsterblich gemachten Opfer, die es mit
ihrem Glück, mit ihrer Freiheit, ja mit ihren:
Leben haben büßen müssen, daß sie die Herzens-
neigung von gesellschaftlich Höhergestellteu er-
wiederten.
Aus jener fernen Zeit namentlich, welche eine
 
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