Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
252 —

Unglücklicherweise ward er durch wichtige Ge-
schäfte abgehalten, seine Gemahlin zu begleiten,
und er stellte sie daher unter den Schutz seines
unschätzbaren Intendanten, des bereits erwähnten
Mr. Morris.
Nachdem alle nöthigen Vorbereitungen ge-
troffen waren, machte Lady Colvyl, von Mr.
Morris und ihrer Zofe begleitet, sich auf den
Weg nach dem Kontinent.
Mit der Geschwindigkeit des Dampfes erreichte
sie das Ziel ihrer Reise in kurzer Zeit.
Sie begab sich sofort nach dem Hotel, in
welchem ihr Vater wohnte, und traf ihn wider
Erwarten zu Hause an.
Sie ließ sich nicht erst anmelden. In ihrem
früheren Zusammenleben war von Etiquette nie
sonderlich die Rede gewesen. Sie öffnete ohne
weitere Umstände die Thüre und traf ihn vor
einem Glase mit Selterserwasser und Cognac sitzen.
Erschrocken blickte er auf.
„Ha!" rief er mit furchtsamem Blick; „zurück!
zurück! Ich weiß schon, was Du willst!"
„Vater!"
„Zurück! Mich belügst Du nicht!" rief er.
„Kennst Du mich nicht?" fragte Lady Colvyl.
„O ja, ich kenne Dich!" entgegnete er, indem
er sich bis an das andere Ende des Zimmers zu-
rückgezogen.
„Ich bin deine Tochter."
„Nein, Du bist ein Teufel, der wie jene
schlaue Herrin von Colvyl Hall aussieht. Ich
kenne Dich. Es ist nicht das erste Mal."
„Rede doch keinen Unsinn, Papa! Kennst Du
mich nicht, Deine Mildred?"
Mr. Devereux drückte sich die Hände auf die
Augen, wie um ein ihm vorschwebendes Trug-
bild zu verscheuchen, und sah dann seine Tochter
mit festem Blicke an.
„Ja, Dn bist es wirklich, Louise," sagte er,
indem er ihre Hände ergriff und sie väterlich auf
die Stirn küßte.
„Nein, ich bin nicht Louise," sagte Lady Col-
vyl; „ich bin Milly oder Mildred, aber nicht
Louise."
„Hier sind wir sicher."
„Vorsicht kann nie schaden."
„Das ist wahr."
„Darum laß uns vorsichtig sein," sagte Lady
Colvyl.
Zwölftes Kapitel.
Ein Zwiegespräch.
Der excentrische Empfang, welchen Lady Col-
vyl bei ihrem Vater fand, hatte für sie weder
etwas Ueberraschendes noch Beunruhigendes.
Sie war daran gewöhnt.
Allerdings war es eine unangenehme Erinne-
rung an eine unangenehme Zeit, aber weiter
nichts.
„Du leidest immer noch an deiner alten
Schwäche, Papa," sagte Lady Colvyl, indem sie
die Bänder ihres Hutes löste und denselben auf
den Tisch warf.
„Ich habe heute noch keinen Tropfen getrun-
ken," entgegnete Mr. John Devereux.
„Aber was ist denn dies?"
Lady Colvyl zeigte, indem sie dies sagte, auf
den moussirenden Trank, der auf dem Tische stand.
„Das ist Selterserwasser; der Arzt hat es
mir empfohlen."
„Wohl verdünnt?"
„Was meinst Du?"
„Du hast wahrscheinlich Cognac darunter ge-
mischt?"
„Nein, durchaus nicht."
„Dann hat es aber eine sehr auffallende
Farbe," sagte Lady Colvyl. „Ich bitte Dich,
mein lieber alter Papa, mir nichts weiß zu
machen."

„Ja, Du bist ein kluges Kind — ein sehr
kluges Kind," entgegnete Mr. Devereux. „Meine
gute Louise — Mildred wollte ich sagen — ich
bin stolz auf Dich. Aber sag', was führt Dich
so plötzlich hieher?" '
„Die Sorge um Dein Wohlergehen."
Der alte Mann hustete ein wenig und sagte
dann:
„Ja wohl, das kann ich mir denken. Sonst
nichts?"
„Nein."
„Nun, weil ich Dich sehe und weil ich glaube,
daß Du auch "
„Du hast wohl kein Geld mehr?" unterbrach
ihn seine Tochter.
„Allerdings leide ich ein wenig an diesem Uebel."
„Und dieses Uebel hat mit Deiner Liebe zu mir
keine Aehnlichkeit, nicht wahr nicht, lieber Papa?"
„Wie so?"
„Ich meine, Deine Liebe ist nicht chronisch."
„Die Mischung, die Du hier siehst, ist ein
Trank, den man mir empfohlen, weil ich zuwei-
len an Verdauungsbeschwerden leide."
„Gib Dir keine Mühe, lieber Papa; ich weiß nur
zu gut, wie Sodawasser und Cognac aussieht."
„Ich spreche aber die Wahrheit. Der Arzt,
den ich hier zu Rathe gezogen, sagt, meine gange
Krankheit beruhe in gestörter Verdauung. Den
bedeutenden Verlust, welchen ich vorige Nacht er-
litten, messe ich ebenfalls diesem Uebel bei."
„Dann bist Du Deinen alten Gewohnheiten
also auch hier treu geblieben?"
„Nicht weil das Spielen mir Vergnügen
machte, Louise — ich wollte sagen Mildred —
sondern weil ich die Gewißheit meiner Berechnung
erproben will."
„Ach, mache mir doch nichts weiß."
„Warte nur noch eine Weile, Kind."
„Aber wie war es mit dem Verluste, von
welchem Du soeben sprachst?"
„Er war blos eine Folge meines Unwohl-
seins — meiner gestörten Verdauung; ich konnte
meine Aufmerksamkeit nicht so concentriren, wie
ich hätte thun sollen, um des Gewinnens sicher
zu sein."
„Du bist auch heute Morgen nicht wohl,"
sagte Lady Colvyl.
Ihr Vater bemerkte, daß sie ihn mit bedeut-
samem Blick ansah und sagte hastig:
„O ich bin vollkommen bei Verstände. Uebri-
gens bin ich nicht der Erste, der in Folge von
körperlichen Leiden Mißerfolge gehabt hat. Ich
kann Dir ähnliche Fälle aus der Geschichte an-
führen. Die Gewohnheit, zu hastig zu essen, soll,
wie man erzählt, Napoleon I. bei zwei der kri-
tischsten Gelegenheiten seines Lebens ungemein
geschadet haben. Es geschah dies nämlich in den
Schlachten bei Borodino und bei Leipzig, die er
in entscheidende und einflußreiche Siege verwan-
delt haben würde, wenn er seinen Vortheil in der
ihm sonst eigenthümlichen Weise verfolgt hätte.
Er litt aber an diesen Tagen an Unverdaulichkeit
und diese war die Ursache seiner Niederlage."
Während John Devereux so schwatzte, trom-
melte Lady Colvyl ungeduldig mit den Fingern
auf dem Tische.
Sie blickte zu ihrem Vater auf und bemerkte
in seinem Auge einen unangenehmen Glanz, wel-
cher zu gewissen Befürchtungen berechtigte.
„Wie groß war die Summe, welche Du in
der vergangenen Nacht verloren hast?" fragte sie.
„Sie war nicht groß."
„Nenne sie."
„Willst Du sie bezahlen?"
„Nenne die Summe."
„Aber, liebes Kind, Du sprichst mit mir in
einem Tone, als ob ich Dein Diener wäre."
„Nenne die Summe," wiederholte Lady Col-
vyl hartnäckig.
„Nun denn, wenn Du es durchaus wissen

willst, ich habe vergangene Nacht zweihundert-
fünfzig Pfund verloren."
„Zweihundertfünfzig Pfund!" wiederholte Lady
Colvyl entsetzt.
„Ja, so ist es."
„In einer einzigen Nacht?"
„Ja, meine Verdauungsbeschwerden waren
schuld."
„Aber das ist ja fürchterlich!"
„Das mag wohl fein; bezahlen aber mußt
Du diese Summe," entgegnete Mr. Devereux.
„Nur auf Grund meiner Verwandtschaft mit Ba-
ron Colvyl hat man mir Kredit gewährt."
(Fortsetzung folgt.)

Gtjarade.
Mein Erstes kommt in Wintertagen,
Ist spröd und glänzend, hart und fein,
Doch wird's willkommen Deinem Magen,
Auch oft im höchsten Sommer sein.
Das Zweite richtig zu erwählen,
Beim Reiten, Fahren, Rennen, Geh'n,
Lass' es an Vorsicht nie Dir fehlen.
Dann wird kein Unheil Dir gescheh'».
Das Ganze ist, zumal für Kinder,
Ein Tummelplatz der höchsten Lust,
Gibt Reiz dem kalten, starren Winter,
Hebt froh das Herz in mancher Brust.
Du fliegst dort wie auf Sturmesschwingen,
Doch fügst ein „en" Du mitten ein.
Wirst Du's darauf noch weiter bringen,
Und schneller noch befördert sein. A. P.
Auflösung folgt in Nr. 20.

Auflösungen der Charaden und des Räthsels
in Nr. 14: Christbaum; in Nr. 15: Uhr — Ruhr — Spur,
in Nr. 16: Friedensschluß.



Auflösung folgt in Nr. 20.

Auflösungen der Bilder-Räthfel
in Nr. 14: Treu und Glaube sind der Eckstein aller mensch-
lichen Gesellschaft; in Nr. 15: Der Schlaf ist halber Tod,
der Tod ist lauge Ruh, je mehr du schläfst, je minder lebest
du; in Nr. 16: Den Ruhm sM der Weise verachten, aber
nicht die Ehre.

Miefkasten.
* Herrn Karlo L . . . .i, Cottbus. — Sie wünschen
eine „illustrirte historische Ritternovelle?" —
Wohlan, wir erzählen Ihnen ja in jedem Hefte genug von
den tapfersten Rittern und illustriren deren Thaten, die der
Geschichte angehören; wenden Sie nur den Blick nach Frank-
reich, dort stehen unsere modernen Ritter, mindestens
eben so wackere Mannen, als die, von denen die alten Ritter-
romane, Balladen und Romanzen erzählen, im Geiste aber
uns jedenfalls näher stehend, als jene der Rüstkammer an-
gehörigen, harnischrassclndcn Vertreter des Mittelalters.
Etwas weniger „romantisch" benehmen sich zwar unsere
modernen Ritter, das ist aber kein Fehler!
* B e s o r g t e M u t t er in T. — Meiden Sie doch ja alle
Salben, Tinkturen und andere Geheim- oder Hausmittel bei
dem Augenübcl Ihres Töchterchens. In solchen Fällen muß
unbedingt ein Arzt zu Hilfe gezogen werden, wenn Sie nicht
das Augenlicht Ihres Kindes ernstlich gefährden wollen.
* Bertha M. in Deuz. — Wir werden Ihren Wunsch
erfüllen.
Redaction von Adolf Palm.
Druck und Verlag von Hermann Schönlein.
 
Annotationen