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„Ja, wenn sie kommt," entgegnete der Doktor.
Und mit diesen Worten verschwand er.
Von jetzt an war John Devereux auffallend
fügsam und geduldig. Hätten die Aerzte aber
in seine Zelle sehen können, wenn er allein war,
wenn er bittere, heiße Thränen ohnmächtiger
Wuth vergoß, wenn er die Fäuste ballte, mit den
Füßen stampfte und mit den Zähnen knirschte,
dann hätten sie vielleicht Grund zu haben ge-
glaubt, ihn für wirklich wahnsinnig zu halten.
„Sie hat mich überlistet," murmelte er. „In
so weit hat sie den Sieg errungen, aber ich
werde ihr zu vergelten wissen. Ich muß vor-
sichtig sein. Wenn ich hier sterbe, so werde ich
wenigstens die Genugthuung haben, zu wissen,
daß ich die Verrätherin, diese Natter ruinirt
habe."
Er bat von nun an wiederholt und inständig
um Schreibmaterialien, damit er sich eine Zer-
streuung machen könnte.
Endlich erreichte er seinen Zweck.
Nun beschäftigte er sich wochenlang damit,
daß er eine Menge ungewöhnlich lange Briefe
schrieb, deren jeder eine andere Adresse trug.
Der erste, den er fertig machte, war an Lord
Colvyl, der zweite an Mrs. Grimstone und der
dritte an Oberst Alroyd.
Dieser letztere Brief war jedoch, wie hier
bemerkt werden muß, ohne äußere Adresse.
Wenn diese Briese in die verschiedenen Hände,
für die sie bestimmt waren, kamen, so mußte ein
ungewöhnlicher Auftritt in Colvyl Hall die noth-
wendige Folge davon sein.
Der schwierigste Theil des Geschäfts aber
war, Jemanden zu findeu, der die Bestellung die-
ser Briefe übernahm.
Siebzehntes Kapitel.
Lady Mildred's Geheimnis?.
Seit Lady Mildred's Rückkehr nach London
war Alles so ziemlich gut gegangen.
Sie hatte ihrem Gemahl große Freude über
seine mittlerweile gesammelten Raritäten zu er-
kennen gegeben, und da dies eins ganz besonders
schwache Sette des würdigen Lord war, so ward
er dadurch sehr angenehm berührt. Sie theilte
ihm die traurige Kunde in Bezug auf ihreu
Vater mit und gestattete sich dabei einige kleine
Abweichungen von dem eigentlichen Sachverhalt,
Abweichungen, durch welche ihr Bericht einen
ganz besonders rührenden Anstrich erhielt.
So wie sie die Sache erzählte, hatte sie sich
gegen jede Anwendung von Zwaugsmaßregeln
erklärt, war aber durch die berühmten Aerzte, mit
welchen sie sich zu berathen gehabt, überstimmt
worden.
Lord Colvyl gab seiner jungen Gattin seine
innige Theilnahme zu erkennen und war erbötig,
sofort selbst eine Reise zu unternehmen, um zu
sehen, was sich thun ließe; davon aber wollte
Lady Mttdred durchaus nichts wissen.
Sie erklärte, sie habe bereits für alles No-
tlüge gesorgt und sei überzeugt, daß man für
ihren unglücklichen Vater Alles thun werde, was
unter den obwaltenden Umständen für ihn gethan
werden könnte.
Eine öftere Besprechung dieses Thema's schien
für sie sehr aufregend und schmerzlich zu sein und
man ließ dasselbe in der Folge daher möglichst
unberührt.
Lord Colvyl hatte in Folge seiner Diskretion
auch die Freude, zu bemerken, daß seine junge
Gattin die gewohnte Elasticität und Heiterkeit
ihres Gemüths wieder gewann.
„Hast Du schon die Zeitung gelesen, mein
Kind?" fragte er sie eines Tages.
„Nein," entgegnete sie. „Steht etwas Be-
sonderes darin?"'
Der Ton, in welchem sie diese Frage stellte,

war sehr gleichgiltig — so gleichgiltig, daß man
daraus errieth, sie wünsche die betreffende Neuig-
keit blos deshalb zu hören, um dann mit ihrem
Gemahl darüber plaudern zu können.
„Das australische Postschiff ist angekommen."
„O, ist das Alles?"
„Alles!" wiederholte Lord Colvyl. „Ich habe
doch bemerkt, daß Du Dich sonst für alle Nach-
richten, die Australien betreffen, ganz besonders
interessirst."
„Ich? O nein!" entgegnete sie fast hastig. „Ich
entsinne mich allerdings, daß ich mich einmal für
eine Schiffbruchgcschichte interessirte, aber sonst
könnte ich mich auf nichts besinnen."
„Sehr richtig," entgegnete Lord Colvyl, „und
eben deshalb erwähne ich dies. Das Postschiff
„das Goldfeld" hat eine sehr schwierige Fahrt
gehabt und wäre, nachdem es schon die Bai von
Biscaya erreicht, beinahe doch noch gescheitert."
„Wirklich? hat es eine werthvolle Ladung?"
„Ja. Es hat zwölfhundert Unzen Gold und
außerdem eine bedeutende Quantität Wolle mit-
gebracht."
„Ah so!"
„Hier steht die Liste der Passagiere. Laß
uns doch einmal sehen. Petterson, Friseur, Mel-
bourne (hat sich wahrscheinlich mit Scheers und
Rasirmesser ein hübsches Vermögen erworben) —
Reynolds — Martin Grantham — Oberst.Edward
Alroyd — Jeffreys — Wie? Sagtest Du etwas,
liebes Kind?"
Der Ton, welchen Lord Colvyl gehört, War-
in der That ein halb erstickter Ausruf, den Lady
Mildred nur mit Mühe in ihre Brust zurückge-
drängt hatte.
Als Lord Colvyl sich jetzt herumdrehte, um
die Ursache dieses eigenthümlichen Tones zu er-
fahren, sah er, daß seine junge Gattin ohnmächtig
in ihren Stuhl zurückgesunken war.
„Mein theures Kind! — meine liebe Mil-
dred !"
Er riß heftig an der Klingel und es dauerte
nicht lange, so waren mehrere Dienstleute da.
Man brachte unverweilt stärkende Mittel in
Anwendung und Lady Mildred erholte sich wieder.
Sie war noch bleich und zitterte, aber dabei war
sie doch ruhig und gelassen.
Der alte Lord war in seinen Aufmerksamkeiten
unermüdlich, feine junge Gattm erklärte aber mit
derselben ruhigen Miene, sie wünsche blos der
Einsamkeit ihres Zimmers überlassen zu werden,
und dieser Wunsch ward ihr gewährt.
Hier hatte sie Zeit, über die Neuigkeit nach-
zudenken, welche einen solchen Auftritt veranlaßt.
Was Lord Colvyl betraf, so dachte er sich in
Bezug auf die Ohumacht seiner jungen Gattin
durchaus nichts Arges.
Er vermuthete blos, daß ihre Gesundheit in
der letzten Zeit etwas schwächlich geworden sei,
obschon sie niemals mit einander über dieses Thema
gesprochen hatten.
Es ist so leicht, etwas zu glauben, was man
wünscht.
(Fortsetzung folgt.)

GtMkittNtttzigtö.
* Kartoffelbau-Versuche. Auf der landwirth-
schaftlich-chemischen Versuchsstation Pommritz ist irn Jahre
1869 eine Reihe von Kartoffelban-Versuchen durchgeführt
worden, mit dem Zwecke: 1) der Bestimmung des Einflusses
des Saatgutes und 2) der Wirkung verschiedener Dungmittcl
auf die Ernte. Es wurden zu ersterem verwendet grosse
Kartoffeln, große Mittelkartoffeln, kleine Mittelkartoffcln,
kleine Kartoffeln, und zwar einfach, sowie doppelt gelegt,
ferner geschnittene Mittelkartoffcln, große und kleine Mittel-
kartoffeln abgewelkt, endlich kleine Mittelkartoffcln geschnitten.
Die Düngung bestand in Stickstoff, Phosphorsäure, Kali,
Stickstoff mit Phosphorsäurc, Stickstoff mit Phosphorsnure
und Kali, Phosphorsüure und Kali mittelst vcrschiedencr
Dungmittel, so schwefelsaureS Amoniak, Pcruguano, Knochen-
mehl, Knochenkohlcn-Snperphosphat, Holzasche, schwcfclsaurcs
Kali, endlich Stallmist allein oder mit Stickstoff, mit Phos-

phorsäure und mit Kali. Das Resultat dieser interessanten
Versuche war nach der „N. Fr. Presse" folgendes: 1) Die
größten zur Aussaat benützten Knollen gaben die größten
Erträge. 2) Beim Vergleich des Aussaatquantums mit der
gewonnenen Ernte gaben aber die Mittelkartoffcln ein fast
ebenso günstiges Ernte-Ergebniß, als die größten. 3) Das
Legen von geschnittenen Kartoffeln hat sich als ungünstig er-
wiesen. 4s Ganz kleine Kartoffeln, doppelt gelegt, ergaben
eine sehr hübsche Ernte. 5) Durch daS Legen von an der
Luft abgcwelktcn Kartoffeln ist kein befriedigendes Resultat
erzielt worden. 6) Bei der Anwendung der einzelnen künst-
lichen Dungmittcl ist durch das schwefelsaure Kali der günstigste
Erfolg erhalten worden. Es erklärt sich dies daraus, daß
das Feld in den letzten sechs Jahren keinen Stallmist und
somit kein Kali zugeführt erhalten hatte, dagegen noch in
den beiden vorhergegangenen Jahren niit Knochenmehl in
guter Mitteldüngung versehen war. 7) Die Wirkung des
Knochenmehles war eine günstigere, als die des Superphos-
phates. 8) Beim Stallmist hat sich die Unterstützung des-
selben mit Peruguano und nächstdem mit schwefelsaurem
Kali am günstigsten gezeigt. 9) Bei der Anwendung von
zwei künstlichen Düngemitteln haben sich vor Allem wieder
diejenigen ausgezeichnet, bei welchen schwefelsaures Kali mit-
gegeben wurde. — Zu bemerken darf nicht unterlassen wer-
den, daß die Wittcrungsverhältnisse des Versuchsjahres keine
ganz normalen waren und daß das Versuchsfeld nicht ganz
die wünschenswerthe Gleichmäßigkeit der Bodeubeschaffenheit
zeigte.

Kharade.
(Viersilbig.)
Im Ersten sucht das Wild das Zweite,
Das Zweite leihn dem Ersten dann
In Eins gefaßt die letzten Beide:
Das Ganze ist vom Amt ein Mann.
Auflösung folgt in Nr. 20. A. P.

Mder-KAM.


Auflösung folgt in Nr. 20.

Wriefkasteu.
* Herrn A.T. in H. — Von den Insignien und Kleino-
dien des „heiligen Römisch-Deutschen Reichs" sind in der
k. k. Schatzkammer zu Wien unter Anderem aufbewahrt: die
aus purem Golde bestehende, reich mit Edelsteinen verzierte
Krone und das Schwert Karls des Großen, nebst dem
Evangelienbnch, das nach der Tradition auf den Kniecn dieses
Kaisers gefunden wurde, als bei der Eröffnung seines Grabes
zu Aachen die aufrecht sitzende Leiche Karls beim Einströmen
der atmosphärischen Luft in Staub und Asche zerfiel.
* Herrn CH. Erh... in Otter, Provinz Hannover.
— Sie haben gut gerathen und verstehen das Räthselspiel
selbst recht artig zn treiben. Nr. 1 Ihrer Einsendung wird
gerne benützt. Stehen Sie nicht von ferneren Versuchen ab.
* Abonnent in Meran. — Wir rathcn Ihnen von
allen S p ez i al bü ch er n über diesen Gegenstand ab und
empfehlen Ihnen dagegen Bock's „Buch vom gesunden und
kranken Menschen", wo der naturgemäße, diätetische Weg
auch zur Hebung dieses Uebcls angegeben ist. Durch wirk-
liche Arzneimittel erreichen Sie im vorliegenden Fall wenig,
sondern nur durch eine allgemeine Kräftigung des
Körpers in Folge entsprechender Ernährung u. s. w
* Frau Louise B. in Z. — Sie müssen sich an einen
Notar wenden, der Ihnen alle Formalitäten angcben wird.
Die Testamcntszeugen wählen Sie selbst ans Ihren Be-
kannten.
* Herrn Polytechniker K. in R., Ungarn. —
Um einen „Marmorgrund auf G y p s f i girren" hcr-
zustcllen, wodurch der Gyps eine schöne, glatte, marmor-
ähnllche Decke erhält, bereitet man eine Mischung von zwei
Pfund Stearin, zwei Pfund veuctianischer Seife und ein
Pfund Potasche in der hinreichenden Menge Wasser und läßt
durch Kochen die vollständige Auflösung dieser Bestaudlhcilc
bewirken. — Nach drei Tagen kann man diese Mischung
anwenden.
" Fran v. H. in P., Sachsen. — Um „Wäsche
unanslöschlich ' zu zeichnen", reibt man ein Quent
Zinnober und ein Quent Eisenvitriol zusammen mit etwas
Oelfirniß auf einem Reibstein fein ab. Diese Farbe wird
vermittelst eines feinen Pinselchens aufgctrngen.
Redaction von Adolf Palm.
Druck und Verlag von Hermann Schönleirr.
 
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