Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Hinweis: Ihre bisherige Sitzung ist abgelaufen. Sie arbeiten in einer neuen Sitzung weiter.
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext


Das eiserne Kreiy.
Erzählung aus der Gegenwart
von
L. Keinrichs.
(Fortsetzung.)
Der Inger ging in den Garten. Draußen
regnete es nicht wehr; ein Souncnblick durchdrang
das graue Gewölk und
warf seinen Hellen Glanz
in das Herz des Krie¬
gers. Hier nnter diesen
Bäumen stiegen tausend
Erinnerungen aus seiner
Vergangenheit vor ihm
auf, er richtete das Auge
wie dankend für diese
Stunde zum Himmel
empor.
Und jener Helle Son¬
nenblick, er siel auch auf
den Brief, welchen der
alte Vater drinnen las.
Doktor Berthold schrieb
von all dem blntigen
Jammer des Krieges, den
er täglich und stündlich
anschauen müsse, aber
auch von dem Sieges¬
jubel und der Tapferkeit
deutscher Helden.
„Und einen solchen
Helden sende ich Ihnen,
mein alter, wackerer
Freund!" schrieb er dann
weiter, „da ich überzeugt
bin, Ihrem Patriotis¬
mus damit Genüge zu
thun, wenn ich Sie
bitte, diesen freiwilligen
Jäger, der sich Brandt
nennt, zu hegen und zu
pflegen, als sei es Ihr
eigener Sohn. Von seiner
Tapferkeit zeugt das Kreuz
auf seiner Brust. Ich
habe ihn lieb gewonnen
— ich glaube, er hat

viel gelitten im Leben und verdient Liebe und
Vertrauen. Ich verbleibe u. s. w."
„Ja, ja," nickte der alte Lieutenant, „sein
Gesicht gefiel mir auf den ersten Blick — o, hätte
der Herrgott mir doch einen solchen Sohn ge-
schenkt !"
Er ging hinaus in den Garten, wo der Jäger-
still, wie in Träumen versunken, auf einer Bank
faß. Der Alte setzte sich neben ihn.

„Mein wackerer Doktor Berthold schreibt mir
so viel Gutes von Ihnen, junger Freund, daß
ich ihm ordentlich dankbar für Ihrs Bekanntschaft
bin. Müssen es eben einem alten Mann zu Gute
halten, wenn er zuweilen ein wenig mürrisch und
ungesellig ist. Es hat ein Jeder sein Päckchen
Leid zu tragen im Leben, der Eine schwer, der
Andere leichter — wenn's dann nur nicht gar
zu schwer ist und der Mensch darunter erliegt, da
darf man schon zufrieden
sein!"
„Das ist auch meine
Ansicht vom Leben, Herr
Lieutenant!" versetzte der
Jäger ernst; „die schwerste
Last ist sicherlich die des
Gewissens. Wer diese von
sich abzuhalten vermag,
kann niemals unter-
liegen."
Nach einer Pause
frug der Alte, wie um
sich von düsteren Gedan-
ken loszureißen:
„Sind Sie noch un-
verheirathet?"
„Ja, ich stehe ganz
allein im Leben."
„Ohne Eltern und
Geschwister?"
„Ohne Familie und
Freunde."
„Das ist sehr traurig;
doch nein, Sie besitzen
einen Freund, Doktor
Berthold —"
„Er kennt mich zu
wenig, um mir seine
Freundschaft schenken zu
können."
„O," rief der Alte
eifrig, „er ist ein Men-
schenkenner, und auch ich
verstehe mich ein wenig
auf dieses Kapitel."
„Sie besitzen die Weis-
heit des Alters —"
„Nicht ein jeder Greis
ist ' ein Weiser, mein

Prinz August von Württemberg, Kommandant des preußischen Gardecorps. (S. 375.)


F 53
 
Annotationen