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Zs¬

fliehen wollen — war aber noch einmal zurück-
gekehrt. Sie findet Alroyd schlafend und —"
Er hielt schaudernd inne.
Seine Worte beschworen längst entschwundene
Erinnerungen mit so erschreckender Lebhaftigkeit
herauf, daß er das Gespräch aus etwas Anderes
brachte.
Eins jedoch war nach ihrer Ansicht nun so
ziemlich in Gewißheit gesetzt, nämlich daß Re-
bekka Grimstone mit dem Großvater des ihr an-
vertrauten Kindes in Zusammenhang stand.
Gleichwohl führte sie dies der Wahrheit nicht
näher. -
Grantham vermuthete mit Gewißheit, daß
hier Verrath thätig gewesen sei, über die eigent-
liche Beschaffenheit desselben aber vermochte er
nicht in's Klare zu kommen.
Die Kunde, welche Theophilus Bickley in Be-
zug auf die Unregelmäßigkeit der Lebensweise er-
langt, die John Devereux früher geführt, bestärkte
ihn in der Meinung, daß derselbe an einem tief
angelegten Komplott betheiligt sei.
Seine Betrachtungen über diesen Punkt wur-
den plötzlich abgeschnitten, indem Bickley ausries:
„Grantham, lieber Freund, da füllt mir et-
was ein."
Grantham bat ihn, sich näher zu erklären.
„Wenn dieses Kind John Devereux' Enkelin
ist —"
„Und darauf wollte ich schwören."
„Ich auch. Wenn sie also Devereux' Eukelin
ist, so muß sie meine Cousine sein!"
„Ja! aber worin besteht denn dein Einfall?"
„Nun, eben darin."
„Wenn es weiter nichts ist! Das hätte ich
Dir schon lange sagen können," entgegnete Grant-
ham. „Mir aber fällt auch etwas ein," setzte er
dann hinzu. „Ich muß einen Advokaten sprechen
und denselben sofort zu Rathe ziehen. Du bleibst
hier, so lange ich abwesend bin und mich erkun-
dige, was ich zu thun habe."
„Wenn nun aber mittlerweile die Alte fort-
geht.und das Haus verläßt?"
„Dann folge ihr."
„Wie aber willst Du dann wissen, wohin ich
ihr gefolgt bin?"
Dies war eine verfängliche Frage, Grantham
aber überwand die Schwierigkeit nach kurzem
Besinnen.
„Hier gibt es überall Kommissionäre. Gib
einem solchen ein paar Franks, schicke ihn zu mir
in's Hotel und ich werde daun sofort bei Dir sein."
„Ja, das ist ein guter Ausweg."
„Wo aber finde ich nun einen englischen Juristen
oder einen Franzosen, welcher englisch spricht?"
„Hier ist der Adreßkalender, was man den
^.lmanue cis OoMmaras nennt."
„Ja, oder noch besser, ich kann ja den Bei-
stand, den ich brauche, mit leichter Mühe bei dem
englischen Gesandten erfragen."
Und Grantham machte sich sofort aus den
Weg nach dem Hause des Gesandten, wo er einen
gutmüthigen kleinen Herrn antraf, der so freundlich
war, ihm einige sehr gute Rathschläge zu ertheilen.
„Der Mann, den Sie brauchen, Sir," sagte
der kleine Herr, „ist nicht sowohl ein Jurist, als
vielmehr ein Polizeioffiziant — ein geheimer
Agent, verstehen Sie?
„Ja," war Grantham's Antwort, „ich muß
aber doch erst einen Juristen haben, der mich mit
dem andern bekannt macht."
^Keineswegs. Wenn Sie wünschen, so will
ich selbst einen Polizeiagenten kommen lassen."
„O, wenn Sie das thun wollten, so würde
ich Ihnen dafür zu stetem Danke verbunden sein."
Der kleine Herr schickte einen Boten fort und ehe
zehn Minuten vergingen, trat der Polizeiagent ein.
Es war ein sehr schweigsamer Mann, der in
der Regel blos sprach, wenn er angeredet ward.
Sein Aeußeres hatte nichts Ausfallendes. Er war

ziemlich groß von Wuchs, untersetzt, mit glatt-
rasirtem Gesicht von gewöhnlichem, französischem
Typus. Seine Kleidung war anständig, aber
weder so armselig, noch so elegant, daß sie Auf-
merksamkeit erregt hätte.
Als er Grantham vorgestellt ward, verneigte er
sich blos und bat ihn, sofort zur Sachs zu kommen.
Grantham trug ihm mit kurzen Worten seinen
Fall vor und Monsieur Hippolyts Justin — denn
dieser musikalischen Benennung erfreute sich der
Polizeiagent — erklärte sofort, daß sich in dieser
Sache nichts thun ließe, wenn nicht er, Grant-
ham, die verdächtige Rebekka Grimstone unter der
Anklage auf Mord oder gewaltsame Eutführung
zur Haft bringen ließe.
Da Grantham jedoch einsah, daß er in die-
sem Falle eine schwere Verantwortlichkeit würde
auf sich nehmen müssen, so wollte ihm diese Idee
nicht recht zusagen.
Dann aber ließ sich vor der Hand nur Eins
thun. Dies bestand darin, daß man die alte
Frau genau bewachen und beobachten ließ und
zu ermitteln versuchte, ob sie mit Jemandem in
Paris in Verbindung stünde, oder ob sie Korre-
spondenten hätte und wo diese wären.
„Wo wohnt diese Frau?" fragte der Offiziant.
„Im Hotel de Versailles zu Batignolles."
„Das Haus ist ein ziemlich kleines?"
„Ja, kaum mehr als ein Casö."
„Ich kenne es."
Grantham stattete nun dem kleinen Herrn auf
dem Gesandtschaftsbureau seinen Dank ab und
entfernte sich mit dem Offizianten.
Unterwegs sagte Letzterer:
„Es ist wahrscheinlich, daß die Frau entschlüpft
ist, während Sie sich von dem Hotel entfernt
haben."
„Das glaube ich nicht."
„Aber wenn sie so gewichtigen Grund zu
Befürchtungen hat, wie Sie sagen, so halte ich
dies für mehr als wahrscheinlich."
„Ich habe dafür gesorgt, daß so etwas nicht
vorkommen kann," bemerkte Grantham.
„Wie so?"
„Ich habe einen Freund von mir als Wache
bei dem Hause zurückgelassen. Die Alte ist in
großer Furcht und wird sich kaum getrauen, unter
diesen Umständen das Haus zu verlaßen."
Der geheime Agent lächelte spöttisch über die
Zuversicht,si womit Grantham dies sagte.
„Wir dürfen uns nicht allzusehr darauf ver-
lassen. Es kann so mancherlei vorkommen, was
man vorher nicht in Erwägung gezogen hat."
Grantham hatte gleich beim Beginn seiner
Unterredung mit dem Polizeiagenten mit Ver-
wunderung wahrgenommen, daß derselbe ausge-
zeichnet gut englisch sprach, und sprach sich jetzt
darüber ans.
„Sie sprechen unsere Sprache, als ob Sie-in
England geboren und erzogen wären."
„Ja, ich habe Ihre Sprache in der That auch
in Ihrem Lande gelernt."
„Sie sind wohl dort erzogen?"
„Nein, aber ich habe wiederholt einige Zeit
dort zugebracht. Ich war in der großen russischen
Fälschungsangelegenheit dort und dann wieder
wegen der türkischen Falschmünzerei. Oft habe
ich auch eine Reise nach London gemacht, um den
Verhandlungen über irgend einen Aufsehen machen-
den Kriminalfall beizuwohnen. So war ich zum
Beispiel vor acht Jahren wegen jenes großen Ver-
giftungsprozess, s dort und dann wieder wegen jenes
interessanten K ndermords. Als Oberst Alroyd er-
mordet ward, war ich auch zufällig in London.
Ich blieb bis zu der öffentlichen Gerichtsverhand-
lung und sah die ganze Geschichte mit an."
Grantham stutzte.
Der Polizeiagent sah ihn zufällig in diesem
Augenblick nicht an, wohl aber bemerkte er die
Bewegung und beantwortete dieselbe.

„Ja," sagte er, „ich wußte die ganze Sache, ehe
Sie noch etwas sagten. Ich wußte, daß der Mord,
von welchem Sie sprechen, lange Zeit für das Werk
eines Mr. Gilbert Grantham"gehalten ward und
daß Sie selbst dieser Mr. Gilbert Grantham sind."
Grantham war vor Erstaunen fast keines Wor-
tes mächtig. Endlich sagte er:
„Ist es möglich, daß Sie mich wieder er-
kannten?"
„Ja wohl, ich erkannte Sie sofort. Ein Gesicht,
welches ich einmal gesehen, vergesse ich nie wieder."
„Aber warum sagten Sie mir das nicht so-
gleich?"
„Weil ich die Klugheit des Schweigens kennen
gelernt habe."
Als Grantham wieder nach Batignolles zurück-
kam, fand er, daß Bickley seine Rückkehr mit der
größten Ungeduld erwartete.
„Nun, hat sich irgend etwas herausgestellt?"
„Nein, nichts," antwortete Bickley.
„Es hat Niemand das Haus verlassen?"
„Nein."
Der Polizeiagent lächelte ruhig, in einer Weise,
welche Grantham mit großem Mißbehagen bemerkte.
Er begann sich vor dem schweigsamen Beamten
zu fürchten.
„Halten Sie es für wahrscheinlich, daß die
alte Frau das Haus verlaßen, ohne daß mein
Freund etwas davon bemerkt hat?"
„Allerdings."
Dies brachte Theophilus Bickley in die Hitze.
„Wie," rief er, „das wäre doch ein wenig zu
arg! Ich sollte nicht sehen, ob Jemand zu dieser
Thüre herauskommt, während ich hier stehe und
kein Auge davon verwende?"
„Ich habe nicht gesagt, diese Thüre," ent-
gegnete der Polizeiagent ruhig.
„Ist denn noch eine andere Thüre da?"
„Ja wohl, auf der Hinterseite."
Grantham gerieth sofort in die größte Aufregung,
Der Polizeiagent ging allein in das Haus
hinein, fragte nach der Thürhüterin, schwatzte
einige Sekunden lang mit ihr, zuckte dann, wie
alle Franzosen zu thun pflegen, die Achseln und
kehrte zu Grantham und Bickley zurück.
„Nun?" fragten Beide gleichzeitig.
„Es ist, wie ich dachte — sie ist Ihnen ent-
schlüpft." _(Fortsetzung folgt.)
Mtljsek.
Mit B— hilft's Dir das Roß besteigen,
. Mit Z— lenkst Du's nach Deinem Sinn,
Mit H— sichst Du cs sanft sich heben.
Mit Fl— schwingt sich der Vogel hin.
Auflösung folgt in Nr. 29. A. P.
Msder-MtM.


Wriefkasten.
' Herrn I. H. in Odrau. Die große Zahl der gegen
aufgefrorene Hande vorhandenen Empfehlungen be-
weist, daß keine sicher zum Ziel führt, wcuu man immer
wieder der gleichen Schädlichkeit sich anssetzt. Wir wüßten
von den vielen gerühmten Mitteln keinem einen besonderen
Vorzug zuzuerkeuuenz das Einzige was wir probat fanden
ist Warmhalten der vom Herzen so entfernten Theile durch
Flanellnrmel, Pulswärmer und Handschuhe.
* Hcrru C. F. E. in Ottcnsec. Nur in Nr. 9 eine
kleine Inkorrektheit, sonst ganz gut gctroffeu!
Redaktion von Adolf Palm.
Druck und Verlag von Hermann Schönlein,
 
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