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schwer es einem geworden ist, diesen schäbigen
Gnadenbeweis Seiner Majestät des Kaisers Paul
zu erlangen?"
„Mein Herr!" unterbrach der zweite der bei-
den Spaziergänger den sich ereifernden Unbekann-
ten, „Sie wissen augenscheinlich nicht, mit wem Sie
sprechen! Der Herr, welcher Sie fragte, ist nämlich
der Kaiser von Rußland, Alexander der Erste!"
„O, mein Gott!" stotterte der Fremde er-
bleichend, „ich bin Seemann — selten in der
Hauptstadt gewesen, kenne daher Majestät nicht —"
„Lasten Sie es gut sein, Freund!" bemerkte
Alexander begütigend; „ich kenne Sie ja auch
nicht. Uebrigens haben Sie nicht mich allein um
Verzeihung zu bitten, sondern auch diesen Herrn
hier — er ist nämlich der König von Preußen
Friedrich Wilhelm III."
Jetzt richtete der Unbekannte sich in seiner
ganzen stattlichen Höhe empor. In seinem Auge
flammte es auf, er faßte sich schnell.
In der festen Ueberzeugung, daß die beiden
Herren ihn nur zum Besten haben wollten, sagte
er: „Und ich, meine Herren, bin der Taikun
von Japan!"
Während über das Antlitz Friedrich Wilhelms
ein leichtes mitleidiges Lächeln glitt, sagte Alexan-
der mit einem leisen Anflug von Ironie:
„Wir können uns nur Glück wünschen, die
Bekanntschaft eines so ausgezeichneten Mannes zu
machen. Der Taikun von Japan ist ein sehr
ehrenwerther alter Herr und ich erinnere mich
noch deutlich, ihn am Petersburger Hofe gefeheu
zu haben, als ich noch Großfürst war, wo mein
hochseliger Vorfahr ihm alle möglichen Ehren an-
gedeihen ließ. Wir dürfen uns daher wohl erlau-
ben, Seine japanesische Majestät zu einem kleinen
Familiendiner heute Nachmittag fünf Uhr im
Schlosse einzuladen?"
„Daß ich ein Narr wäre!" brauste der Ein-
geladene auf, mehr als je überzeugt, daß Alles
auf einen plumpen Spaß hinauslaufe, den man sich
mit seiner Person erlaube; „meint Ihr, der Tai-
kun von Japan speise mit jedem Grobian, der zu
ihm sagt: Ich bin Kaiser oder König?"
„Nun, nun," lächelte Alexander, „ereifern Sie
sich nicht ohne Grund. Einer einfachen Einladung
wegen brauchen Sie sich nicht gleich den Bauch
aufzuschlitzeu. Ich wundere mich überhaupt, daß
Sie für einen japanesische« Regenten so gut Rus-
sisch sprechen."
„Ich werde Euch den Beweis liefern, daß ein
japanesischer Regent noch ganz etwas anderes
kann," polterte der alte Seemann. „Lade Euch
darum bei mir zum Mittagessen ein heute Nach-
mittag auf dem Schiffe „Iwanow", welches dort
vor Anker liegt. Punkt drei Uhr Nachmittag! nicht
früher, nicht später! da speist Ihr erst mit mir,
nachher ich mit Euch — und wer am meisten Nord
vertragen kann, das ist der rechte Taikun von
Japan!"
„Zugegeben!" nickte Alexander, während aus
des Preußenkönigs Zügen deutlich Spuren des
Mißmuths zu leuchten begannen. „Aber was ver-
steht Ihr eigentlich unter Nord?"
„Cognac! den feinsten und schärfsten Cognac,
wie er nur bei uns daheim in Japan fabrizirt
wird," sagte der Rusts.
Friedrich Wilhelm nahm den Arm des Zars
und ging mit ihm der Stadt entgegen. Er hatte
es nicht verhindern können, daß Alexander dem
Fremden ein freundliches: „Gut! wir kommen!"
zurief.
In aller Eile begab der Pseudo-Taikun sich
auf sein Schiff zurück. „Denen will ich's lehren,"
brummte er, als er das Verdeck betrat. „Die
Jungens sollen an mich denken, zeitlebens'! —
Ist keiner hier von den Spitzbubenkerlen? sind
Alle an's Land gegangen? He, Jarkowitz! bist
Du denn auch durchgebrannt, Du Schlingel? wirk-
lich keine Seele hier auf dem ganzen Schiff?"
Bei diesen in heftigem rauhem Tone hervor-
gestoßenen Worten kroch ein kurzer breitschulteriger
aller Matrose mit einem rothen aufgedunsenen
Gesicht aus seiner Koje hervor und pflanzte sich
mit einer trotzigen Miene vor dem Kapitän auf.
„Was foll's, Herr?" fragte er, indem er eine
dicke Rauchwolke aus seiner kleinen Tabakspfeife
in die Luft stieß, „was ist schon wieder los? kann
man nicht einmal eine Stunde ruhig schlafen?"
„Jarkowitz!" erwiederte der Kapitän, „mir
ist da etwas Unerhörtes passirt und ich weiß wirk-
lich nicht, was ich machen soll." Er sann einen
Augenblick nach und kratzte sich dann hinter den
Ohren. „Hast Du vielleicht davon gehört, daß
unser allergnädigster Kaiser sich hier in Memel
aufhalten soll?"
„Herr! seid Ihr toll!" rief der alte Seemann,
„wie soll der Kaiser von Rußland hierherkommen
und was sollte er wohl hier machen? Unsinn, Kapi-
tän! wer hat Euch das Märchen aufgebuuden?"
„Ja. ja, Du hast Recht, Jarkowitz!" brummte
der Schiffer, „wie sollte er hierherkommen in dieses
todte Fischernest?"
„Ein Anderer meinte gar, er wäre der König
von Preußen... sprachen da Beide mit mir..."
„Und wenn's wirklich wahr wäre?" rief der
Matrose trotzig, „was schadet's, wenn es nun
wirklich der Kaiser und der König gewesen wäre?"
„Was es schadet, Du Tölpel? soviel schadet
es, daß die Herren sich bei mir zum Mittagessen
eingeladen haben und daß ich mich für den Taikun
von Japan ausgegeben habe."
„Ihr — Ihr habt Euch für den Taikun
von Japan ausgegeben?" fragte Jarkowitz, in-
dem er in ein unbändiges Gelächter ausbrach.
„Das ist ein Hauptspaß. Wann kommen die
Herren?"
„Um drei Uhr, Du Schlingel! und nun renne
sofort in die Hafeuschenke und trommle zusammen,
wen Du von unseren Leuten auftreiben kannst.
Der Koch muß unter allen Umständen eintreffen.
Mögen die Herren nun Regenten oder Unterthanen
sein, jedenfalls sind sie aus vornehmem Stande
und ich will meine Schuldigkeit in Betreff der
guten Bewirthung thun. Der Spaß mit dem
Taikun . . . hm, hm! es war sehr dumm! nun,
vielleicht kommen sie nicht. Das wäre das Aller-
beste."
Jarkowitz verfügte sich an's Land und befand
sich nach wenigen Minuten in der Hafenschenke,
wo er zum Glücke den Koch antraf, den er sogleich
mit einigen kräftigen Seemannsflüchen nach dem zur
Ueberfahrt bestimmten Boote jagte. Nicht lange
dauerte es, so waren ein Dutzend Matrosen von der
Bemannung des „Iwanow" beisammen und kaum
eine Viertelstunde später machte sich am Bord des
Schiffes eine Regsamkeit bemerkbar, als solle das-
selbe aus allen seinen Fugen gerissen werden. Es
wurde gescheuert, gebürstet und gestriegelt und
der aus dem Schornstein aufsteigende Rauch ver-
rieth, daß die Thätigkeit in der Küche nicht minder
rührig war.
Zwei Uhr Nachmittags war vorüber. Die
Räume des „Iwanow" glänzten wie lackirt und in
der Mitte des aufgeräumten Speisesaals stand eine
lange mit blendend weißem Tischzeug gedeckte Tafel.
Der Kapitän sah nach seiner Uhr und rief mit
einem Wink Jarkowitz herbei: „Wir wollen in dem
großen Boote nach der Hafentreppe hinüberfahren
und sehen, was da kommt!" — Gesagt, gelhan!
Die Beiden fuhren nach dem Lande.
Fern vom Kirchthurm her klang es erst in
vier Hellen, dann in drei dumpfen und tiefen
Glockenschlägen. Plötzlich fuhren die beiden See-
leute in jähem Schreck aus ihrer Ruhe empor.
Während aber Jarkowitz sich damit begnügte, mit
der Spitze seiner Pfeife und einem phlegmatischen
„da sind sie ja!" nach dem Ufer hinzudeuten,
wurde der Kapitän abwechselnd bleich und roth
und murmelte:
„O, Ihr Heiligen! es ist richtig der Kaiser
von Rußland und der König von Preußen!"
„Nun, fressen werden sie Euch nicht!" murrte
Jarkowitz lakonisch.
In der That sah man die beiden Monarchen
in voller Parade-Uniform mit allen Abzeichen ihres
hohen Ranges versehen, von einer großen Anzahl
Generale, Stabsoffiziere und prunkende Livree-
diener gefolgt, die steinerne Treppe betreten, an
derenFuße der vollständig niedergeschmettertePseudo-
Taikun sie mit unzähligen steifen und ungeschickten
Verbeugungen erwartete.
„Nun, mein lieber Taikun," redete Alexander
ihn gütig in seiner Landessprache an, „Sie er-
zeigen uns die Aufmerksamkeit, uns zu erwarten,
wie ich sehe?"
Er betrat mit diesen Worten das Boot und
sah sich nach Friedrich Wilhelm um, der ernst und
schweigend wie immer sich anschiäte zu folgen und
demgemäß die rechte Hand ergriff, welche Alexander
ihm helfend entgegenstreäte.
„Majestät!" rief der Russe vollständig zerknirscht,
indem er auf die Kniee sank, „ich muß wegen
meines leichtsinnigen Streiches um Verzeihung bitten.
Es war eine arge Dummheit, mich für den Taikun
auszugeben und meine Stellung als einfacher
Diener Eurer Majestät zu verleugnen. Aber bei
Allem, was mir heilig ist, Majestät! es'soll nicht
wieder vorkommen!"
„Stehen Sie auf, Freund!" sagte Alexander
gütig, „wir haben die Sache von Anfang an als
einen Scherz betrachtet und wollen nicht weiter
darüber sprechen. Bringen Sie uns an Bord und
lasten Sie mich die Einrichtung Ihres Schiffes
sehen. Ich möchte gerne einmal wieder russischen
Kielboden unter den Füßen haben."
Das Gefolge schiffte sich gleichfalls ein und
das Boot stieß ab, um nach wenigen Augenblicken
neben dem „Iwanow" anzulegen. Die Mannschaft
des Schiffes stand in sauberen Uniformen in zwei
Reihen hinter einander unter Aufsicht des Steuer-
manns auf dem Verdeck und salutirte. Alexander
nahm alles mit heiterer Miene in Augenschein und
begann zu des Kapitäns Erstaunen mit einer Kennt-
niß über die technischen Fragen des Seewesens zu
sprechen, daß die Achtung des Schiffsführers vor
seinem Kaiser von Minute zu Minute wuchs.
„Der verstehl's!" dachte er, „aber er soll auch
sehen, daß er in mir seinen Mann gefunden hat!"
Und nun nahm der Mann sich zusammen, machte
den Kaiser auf manche Neuerungen und Ver-
besserungen aufmerksam, die er selbst aus eigener
Erfindung an seinem Schiffe gemacht, so daß der
König von Preußen seinem erhabenen Gebieter,
als sie in die Kajüte hinabgingen, in's Ohr
flüsterte: „Der Mann wäre einer bedeutenderen
Stellung in seinem Fache würdig."
Der Zar nickte, als wolle er sagen: habe auch
schon daran gedacht.
An der Tafel fanden die Majestäten ein ein-
faches Mahl, von dem sie einige Bisten genossen.
„Wollen wir nun," frr-g Alexander launig, „das
Turnier mit Nord — wie Sie's nannten —
beginnen?" Der Angeredete lachte und meinte,
das sei noch das Unverzeihlichste von Allem ge-
wesen, was er gegen die Majestäten sich erlaubt.
„Aber," fügte er hinzu, indem er eine Flasche
Wein entkorkte, „diesen da habe ich selbst von
Spanien gebracht und ich setze meinen Kopf ein,
daß er an keiner Fürstentafel besser getrunken
wird." — Dabei goß er den purpurnen Reben-
saft in die Gläser. Der Kaiser ergriff das seinige
und sprach: „Auf das. Wohl des Taikuns von
Japan, dem wir diese amüsante Stunde ver-
danken!"
Die Gläser klangen, diebeiden Herrscher nippten,
thaten dann einen kräftigen Zug und erklärten,
daß der Kapitän die Wahrheit gesagt habe und
sich aus den Wein so gut verstehe, als auf den
Seedienst. Der biedere Seemann schwamm in
schwer es einem geworden ist, diesen schäbigen
Gnadenbeweis Seiner Majestät des Kaisers Paul
zu erlangen?"
„Mein Herr!" unterbrach der zweite der bei-
den Spaziergänger den sich ereifernden Unbekann-
ten, „Sie wissen augenscheinlich nicht, mit wem Sie
sprechen! Der Herr, welcher Sie fragte, ist nämlich
der Kaiser von Rußland, Alexander der Erste!"
„O, mein Gott!" stotterte der Fremde er-
bleichend, „ich bin Seemann — selten in der
Hauptstadt gewesen, kenne daher Majestät nicht —"
„Lasten Sie es gut sein, Freund!" bemerkte
Alexander begütigend; „ich kenne Sie ja auch
nicht. Uebrigens haben Sie nicht mich allein um
Verzeihung zu bitten, sondern auch diesen Herrn
hier — er ist nämlich der König von Preußen
Friedrich Wilhelm III."
Jetzt richtete der Unbekannte sich in seiner
ganzen stattlichen Höhe empor. In seinem Auge
flammte es auf, er faßte sich schnell.
In der festen Ueberzeugung, daß die beiden
Herren ihn nur zum Besten haben wollten, sagte
er: „Und ich, meine Herren, bin der Taikun
von Japan!"
Während über das Antlitz Friedrich Wilhelms
ein leichtes mitleidiges Lächeln glitt, sagte Alexan-
der mit einem leisen Anflug von Ironie:
„Wir können uns nur Glück wünschen, die
Bekanntschaft eines so ausgezeichneten Mannes zu
machen. Der Taikun von Japan ist ein sehr
ehrenwerther alter Herr und ich erinnere mich
noch deutlich, ihn am Petersburger Hofe gefeheu
zu haben, als ich noch Großfürst war, wo mein
hochseliger Vorfahr ihm alle möglichen Ehren an-
gedeihen ließ. Wir dürfen uns daher wohl erlau-
ben, Seine japanesische Majestät zu einem kleinen
Familiendiner heute Nachmittag fünf Uhr im
Schlosse einzuladen?"
„Daß ich ein Narr wäre!" brauste der Ein-
geladene auf, mehr als je überzeugt, daß Alles
auf einen plumpen Spaß hinauslaufe, den man sich
mit seiner Person erlaube; „meint Ihr, der Tai-
kun von Japan speise mit jedem Grobian, der zu
ihm sagt: Ich bin Kaiser oder König?"
„Nun, nun," lächelte Alexander, „ereifern Sie
sich nicht ohne Grund. Einer einfachen Einladung
wegen brauchen Sie sich nicht gleich den Bauch
aufzuschlitzeu. Ich wundere mich überhaupt, daß
Sie für einen japanesische« Regenten so gut Rus-
sisch sprechen."
„Ich werde Euch den Beweis liefern, daß ein
japanesischer Regent noch ganz etwas anderes
kann," polterte der alte Seemann. „Lade Euch
darum bei mir zum Mittagessen ein heute Nach-
mittag auf dem Schiffe „Iwanow", welches dort
vor Anker liegt. Punkt drei Uhr Nachmittag! nicht
früher, nicht später! da speist Ihr erst mit mir,
nachher ich mit Euch — und wer am meisten Nord
vertragen kann, das ist der rechte Taikun von
Japan!"
„Zugegeben!" nickte Alexander, während aus
des Preußenkönigs Zügen deutlich Spuren des
Mißmuths zu leuchten begannen. „Aber was ver-
steht Ihr eigentlich unter Nord?"
„Cognac! den feinsten und schärfsten Cognac,
wie er nur bei uns daheim in Japan fabrizirt
wird," sagte der Rusts.
Friedrich Wilhelm nahm den Arm des Zars
und ging mit ihm der Stadt entgegen. Er hatte
es nicht verhindern können, daß Alexander dem
Fremden ein freundliches: „Gut! wir kommen!"
zurief.
In aller Eile begab der Pseudo-Taikun sich
auf sein Schiff zurück. „Denen will ich's lehren,"
brummte er, als er das Verdeck betrat. „Die
Jungens sollen an mich denken, zeitlebens'! —
Ist keiner hier von den Spitzbubenkerlen? sind
Alle an's Land gegangen? He, Jarkowitz! bist
Du denn auch durchgebrannt, Du Schlingel? wirk-
lich keine Seele hier auf dem ganzen Schiff?"
Bei diesen in heftigem rauhem Tone hervor-
gestoßenen Worten kroch ein kurzer breitschulteriger
aller Matrose mit einem rothen aufgedunsenen
Gesicht aus seiner Koje hervor und pflanzte sich
mit einer trotzigen Miene vor dem Kapitän auf.
„Was foll's, Herr?" fragte er, indem er eine
dicke Rauchwolke aus seiner kleinen Tabakspfeife
in die Luft stieß, „was ist schon wieder los? kann
man nicht einmal eine Stunde ruhig schlafen?"
„Jarkowitz!" erwiederte der Kapitän, „mir
ist da etwas Unerhörtes passirt und ich weiß wirk-
lich nicht, was ich machen soll." Er sann einen
Augenblick nach und kratzte sich dann hinter den
Ohren. „Hast Du vielleicht davon gehört, daß
unser allergnädigster Kaiser sich hier in Memel
aufhalten soll?"
„Herr! seid Ihr toll!" rief der alte Seemann,
„wie soll der Kaiser von Rußland hierherkommen
und was sollte er wohl hier machen? Unsinn, Kapi-
tän! wer hat Euch das Märchen aufgebuuden?"
„Ja. ja, Du hast Recht, Jarkowitz!" brummte
der Schiffer, „wie sollte er hierherkommen in dieses
todte Fischernest?"
„Ein Anderer meinte gar, er wäre der König
von Preußen... sprachen da Beide mit mir..."
„Und wenn's wirklich wahr wäre?" rief der
Matrose trotzig, „was schadet's, wenn es nun
wirklich der Kaiser und der König gewesen wäre?"
„Was es schadet, Du Tölpel? soviel schadet
es, daß die Herren sich bei mir zum Mittagessen
eingeladen haben und daß ich mich für den Taikun
von Japan ausgegeben habe."
„Ihr — Ihr habt Euch für den Taikun
von Japan ausgegeben?" fragte Jarkowitz, in-
dem er in ein unbändiges Gelächter ausbrach.
„Das ist ein Hauptspaß. Wann kommen die
Herren?"
„Um drei Uhr, Du Schlingel! und nun renne
sofort in die Hafeuschenke und trommle zusammen,
wen Du von unseren Leuten auftreiben kannst.
Der Koch muß unter allen Umständen eintreffen.
Mögen die Herren nun Regenten oder Unterthanen
sein, jedenfalls sind sie aus vornehmem Stande
und ich will meine Schuldigkeit in Betreff der
guten Bewirthung thun. Der Spaß mit dem
Taikun . . . hm, hm! es war sehr dumm! nun,
vielleicht kommen sie nicht. Das wäre das Aller-
beste."
Jarkowitz verfügte sich an's Land und befand
sich nach wenigen Minuten in der Hafenschenke,
wo er zum Glücke den Koch antraf, den er sogleich
mit einigen kräftigen Seemannsflüchen nach dem zur
Ueberfahrt bestimmten Boote jagte. Nicht lange
dauerte es, so waren ein Dutzend Matrosen von der
Bemannung des „Iwanow" beisammen und kaum
eine Viertelstunde später machte sich am Bord des
Schiffes eine Regsamkeit bemerkbar, als solle das-
selbe aus allen seinen Fugen gerissen werden. Es
wurde gescheuert, gebürstet und gestriegelt und
der aus dem Schornstein aufsteigende Rauch ver-
rieth, daß die Thätigkeit in der Küche nicht minder
rührig war.
Zwei Uhr Nachmittags war vorüber. Die
Räume des „Iwanow" glänzten wie lackirt und in
der Mitte des aufgeräumten Speisesaals stand eine
lange mit blendend weißem Tischzeug gedeckte Tafel.
Der Kapitän sah nach seiner Uhr und rief mit
einem Wink Jarkowitz herbei: „Wir wollen in dem
großen Boote nach der Hafentreppe hinüberfahren
und sehen, was da kommt!" — Gesagt, gelhan!
Die Beiden fuhren nach dem Lande.
Fern vom Kirchthurm her klang es erst in
vier Hellen, dann in drei dumpfen und tiefen
Glockenschlägen. Plötzlich fuhren die beiden See-
leute in jähem Schreck aus ihrer Ruhe empor.
Während aber Jarkowitz sich damit begnügte, mit
der Spitze seiner Pfeife und einem phlegmatischen
„da sind sie ja!" nach dem Ufer hinzudeuten,
wurde der Kapitän abwechselnd bleich und roth
und murmelte:
„O, Ihr Heiligen! es ist richtig der Kaiser
von Rußland und der König von Preußen!"
„Nun, fressen werden sie Euch nicht!" murrte
Jarkowitz lakonisch.
In der That sah man die beiden Monarchen
in voller Parade-Uniform mit allen Abzeichen ihres
hohen Ranges versehen, von einer großen Anzahl
Generale, Stabsoffiziere und prunkende Livree-
diener gefolgt, die steinerne Treppe betreten, an
derenFuße der vollständig niedergeschmettertePseudo-
Taikun sie mit unzähligen steifen und ungeschickten
Verbeugungen erwartete.
„Nun, mein lieber Taikun," redete Alexander
ihn gütig in seiner Landessprache an, „Sie er-
zeigen uns die Aufmerksamkeit, uns zu erwarten,
wie ich sehe?"
Er betrat mit diesen Worten das Boot und
sah sich nach Friedrich Wilhelm um, der ernst und
schweigend wie immer sich anschiäte zu folgen und
demgemäß die rechte Hand ergriff, welche Alexander
ihm helfend entgegenstreäte.
„Majestät!" rief der Russe vollständig zerknirscht,
indem er auf die Kniee sank, „ich muß wegen
meines leichtsinnigen Streiches um Verzeihung bitten.
Es war eine arge Dummheit, mich für den Taikun
auszugeben und meine Stellung als einfacher
Diener Eurer Majestät zu verleugnen. Aber bei
Allem, was mir heilig ist, Majestät! es'soll nicht
wieder vorkommen!"
„Stehen Sie auf, Freund!" sagte Alexander
gütig, „wir haben die Sache von Anfang an als
einen Scherz betrachtet und wollen nicht weiter
darüber sprechen. Bringen Sie uns an Bord und
lasten Sie mich die Einrichtung Ihres Schiffes
sehen. Ich möchte gerne einmal wieder russischen
Kielboden unter den Füßen haben."
Das Gefolge schiffte sich gleichfalls ein und
das Boot stieß ab, um nach wenigen Augenblicken
neben dem „Iwanow" anzulegen. Die Mannschaft
des Schiffes stand in sauberen Uniformen in zwei
Reihen hinter einander unter Aufsicht des Steuer-
manns auf dem Verdeck und salutirte. Alexander
nahm alles mit heiterer Miene in Augenschein und
begann zu des Kapitäns Erstaunen mit einer Kennt-
niß über die technischen Fragen des Seewesens zu
sprechen, daß die Achtung des Schiffsführers vor
seinem Kaiser von Minute zu Minute wuchs.
„Der verstehl's!" dachte er, „aber er soll auch
sehen, daß er in mir seinen Mann gefunden hat!"
Und nun nahm der Mann sich zusammen, machte
den Kaiser auf manche Neuerungen und Ver-
besserungen aufmerksam, die er selbst aus eigener
Erfindung an seinem Schiffe gemacht, so daß der
König von Preußen seinem erhabenen Gebieter,
als sie in die Kajüte hinabgingen, in's Ohr
flüsterte: „Der Mann wäre einer bedeutenderen
Stellung in seinem Fache würdig."
Der Zar nickte, als wolle er sagen: habe auch
schon daran gedacht.
An der Tafel fanden die Majestäten ein ein-
faches Mahl, von dem sie einige Bisten genossen.
„Wollen wir nun," frr-g Alexander launig, „das
Turnier mit Nord — wie Sie's nannten —
beginnen?" Der Angeredete lachte und meinte,
das sei noch das Unverzeihlichste von Allem ge-
wesen, was er gegen die Majestäten sich erlaubt.
„Aber," fügte er hinzu, indem er eine Flasche
Wein entkorkte, „diesen da habe ich selbst von
Spanien gebracht und ich setze meinen Kopf ein,
daß er an keiner Fürstentafel besser getrunken
wird." — Dabei goß er den purpurnen Reben-
saft in die Gläser. Der Kaiser ergriff das seinige
und sprach: „Auf das. Wohl des Taikuns von
Japan, dem wir diese amüsante Stunde ver-
danken!"
Die Gläser klangen, diebeiden Herrscher nippten,
thaten dann einen kräftigen Zug und erklärten,
daß der Kapitän die Wahrheit gesagt habe und
sich aus den Wein so gut verstehe, als auf den
Seedienst. Der biedere Seemann schwamm in