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430 (Zu¬

mandant in Augsburg. Im Kriege von 1866 war
er als Generalstabschef der mobilen bayrischen Armee
an der Seite des Feldmarschalls Prinzen Karl und
that seine volle Pflicht, ist aber für das Unglück der
bayrischen Waffen nicht verantwortlich zu machen,
wie aus seiner Beförderung zum General der In-
fanterie vom 8. Januar 1869 deutlich hervorgeht.
Bei Ausbruch des gegenwärtigen Kriegs mit dem Kom-
mando des I.'der beiden bayrischen ArmeecorpS, welche
Bayern in Folge des Schutz- und Trutzbündnisses
mit Preußen zu stellen hatte, betraut, führte er das-
selbe mit ebenso viel Umsicht wie persönlicher Bravour
bei Wörth, in den Schlachten vor und bei Sedan
und im Oktober bei dem Vormarsch gegen die Loire-
Armee in den Schlachten von Artenay und Orleans,
welch letztere Stadt er volle vier Wochen behauptete,
bis er sich am 8. November vor der französischen
Uebermacht zurückziehen mußte. Nach der Vereini-
gung der Armee des Großherzogs von Mecklenburg
mit ihm und der Armee des Prinzen Friedrich Karl
wurde der Entscheidungskamps gegen die Loire-Armee
geführt, wo es v. d. Tann und seinen unwidersteh-
lichen Bayern abermals vergönnt war, den ruhmrei-
chen Antheil an jenen heißen Schlachten an der Loire
und dem Loir zu nehmen, abermals siegreich in Or-
leans einzuziehen und den einen Theil der zerspreng-
ten französischen Armee aufreiben zu helfen, bis die
eigenen ungeheuren Verluste die oberste deutsche Heeres-
leitung zwangen, das I. bayrische Armeecorps zurück-
zuberufen, nachdem das deutsche Vaterland ihnen einen
solch bedeutenden Antheil an den entscheidenden Sie-
gen über die französischen Feldarmeen zu verdanken
hatte. V.

Die Schlacht von Amiens am
27. November MO.
(Siehe das Bild auf S. 428.)
General v. Manteuffel mar nach der Uebergabe
von Metz und der Abführung der Gefangenen mit
feinem I. Armeecorps und Theilen des VIII. in
nordwestlicher Richtung abmarfchirt, um die Festun-
gen an der Maas wegzunehmen und die in den
flandrischen und übrigen nördlichen Departements
sich bildende sogenannte Nordarmee von jenem Vor-
stoß auf Paris abzuhalten, den dieselbe im Einver-
ständniß mit den Armeen der Loire, des Westens
und Ostens versuchen sollte, um Paris zu entsetzen.
Die deutsche Armee rückte mit unwiderstehlicher Ge-
walt gegen die Nordarmee vor, welche jener an
Streitkräften entschieden überlegen war, und drängte
sie so gewaltig zurück, daß die aus Truppen des
VIII. Armeecorps bestehende Vorhut allenthalben
auf zurüägelassene Spuren des fliehenden Feindes
traf und diesen erst am 27. zum Stehen brachte,
als die Deutschen sich der reichen Stadt Amiens
bis auf etwa zwei Wegstunden genähert hatten.
Die Franzosen hatten hier eine vorzügliche feste
Stellung; ihr Centrum stützte sich auf ein stark be-
festigtes Lager bei Amiens, ihr rechter Flügel auf
Villecs-Bretonneux (an der Eisenbahn von Amiens
nach Rheims), ihr linker Flügel aus die Flüßchen
Avre und Dury. Die deutsche Vorhut nahm mit
Sturm das Dorf Hebecourt, wo es heiß herging,
da die Franzosen und insbesondere die gut und
ruhig schießenden bretonischen Mobilgarden Haus
für Haus hartnäckig vertheidigten und namentlich
unseren deutschen Offizieren schwere Verluste bei-
brachten. Hinter Hebecourt ging's dann auf offenem
Felde mit Kavalerie und Artillerie über den Feind
her, und unsere Husaren nnd Ulanen machten ge-
waltige Arbeit. Der Eisenbahndamm wurde trotz
zäher Vertheidigung im Sturm genommen, und
gegen 4 Uhr gelangten unsere braven Truppen an
tue Schanzen des befestigten Lagers vor Amiens,
wo nun der furchtbarste Kampf entbrannte, aus
welchem unser Bild auf S. 428 eine Scene dar-
stellt. Die Franzosen, in den sichersten festesten
Stellungen, entwickelten ihre ganze numerische Ueber-
legenheit und ihre ganze Artillerie; allein unsere
braven Ostpreußen und Rheinländer waren nicht
abzuwehren. Zehn Stunden lang währte das ge-
waltige Ringen, wobei das Blut buchstäblich in
Strömen stoß, bis endlich die in der Nacht heimlich
vom Feinde verlassenen Schanzen in Miseren Hän-
den waren und die Stadt Amiens genommen ward,
deren Citadelle dann einige Tage später kapituliren
mußte. Da der Feind auf mehreren Seiten um-
gangen worden war, so hatte er kolossale Verluste

an Gefangenen und wurde überall zurückgeworfen,
ausgenommen bei Dury, wo er feine Stellung be-
hauptete. Der Kampf dauerte die ganze Nacht hin-
durch bis beinahe in die Morgenstunden des 28.,
und noch im Laufe der beiden folgenden Tage
wurden Geschütze und andere Trophäen von dem
ausgedehnten Gefechtsfelde eingebracht. Der Sieg
von Amiens öffnete unseren Truppen die ganze
reiche Normandie mit ihren großen Lorräthen, und
wenige Tage später ward Rouen, die Hauptstadt
der Normandie, eingenommen. O. M.

Die Kunst auf dem Jahrmarkt.
(Siehe das Bild aus S. 428.)
Das abenteuerliche Leben der bekannten umher-
ziehenden „Künstler" der Messen und Jahrmärkte
hat schon manchem Maler den Stoff zu einem ge-
lungenen Genrebilde geliefert. Bald sehen wir einen
Taschenspieler vor dem erstaunten Landvolke aus einem
Hute lebendige Tauben hervorzaubern, oder der Ma-
ler versetzt uns in die Garderobe einer Kunstreiter-
familie und führt uns eine Reihe charakteristischer
Gestalten aus diesen Kreisen vor, denen er, meist mit
Humor, ihre Eigcnthümlichkeiten abgelauscht hat,
wie es denn meist auch heitere Scenen find, die uns
da geboten werden. Anders hat M. Beyle, der Ma-
ler des Bildes, von dem wir auf S. 429 einen Holz-
schnitt geben, sich seine Aufgabe gestellt; er nahm
sich einen der tragischsten Zwischenfälle zum Vorwurf,
die im Leben dieser armen Gaukler vorkommen, und
läßt uns in dem verwundeten Führer einer Seiltänzer-
truppe den tiefen Gegensatz empfinden zwischen dem
Elend, der Gefahr, denen diese Leute täglich ausge-
setzt find, und dem bunten Flitterstaat, der sie um-
gibt. Der Lebenszweck dieser Akrobaten ist, die An-
deren zu belustigen, ihnen durch ihre Künste, ihre
Körpergewandtheit die Zeit angenehm zu vertreiben,
dies hat vorhin der erste Held dieser Truppe in
der anstoßenden Bretterbude gethan — als ein Fehltritt
auf dem Seile ihn herabfallen ließ. Der Sturz war
unglücklich, eine heftig blutende Wunde an der Schläfe
des Mannes bezeugt es. Seine Leute eilten herbei
und trugen den Bewußtlosen hinaus vor das am-
bulante Wohnhaus der Kllnstlerfamilie, den Omnibus.
Der Spaßmacher der Gesellschaft, der Hanswurst,
dessen Aufgabe sonst ist, die Zuschauer innerhalb der
Bretterbude durch seine Schnurren zum Lachen zu
bringen, spielt jetzt schnell im tiefsten Ernste den Arzt
und bemüht sich, die Wunde auszuwaschen und das
quellende Blut zu stillen; die alte Großmutter reicht
ihm die Schüssel mit Wasser, die Gattin hält Kopf
und Hand des Verunglückten, während der älteste
Sohn mit einer schnell bereiteten Erfrischung herbei-
eilt, und seine Geschwister links auf dem Bilde mit
einer gewissen stumpfen Neugierde zusehen, die übrigen
Gesellschaftsmitglieder aber, rechts im Hintergründe,
ihre Meinungen über die Verwundung austauschen.
Wohl spricht aus all den Gesichtern, die der Maler
uns hier zeigt, ein gewisses Abgehärtetsein gegen die
Stöße und Püffe des Geschicks, aber rührend ist
dennoch der Zug von Pietät, der unter den Ange-
hörigen des Verwundeten zu Tage tritt und den M.
Beyle treffend zu zeichnen verstanden hat. Das Bild
war vor Beginn des Krieges im Kunstsalon von
Paris ausgestellt und fand reichen Beifall. A. P.
In der KrähenhüLie.
Jagdskizze
von U. Umtcicher.
Es war an einem frischen und klaren Sep-
temberfrühmorgen. Die Sonne stieg eben hinter
dem dunkelgrünen Wall mächtiger Buchen und
Föhren empor, der sich auf dem schmalen Rücken
eines der östlichen Ausläufer des Fichtelgebirges
dahinzieht. Die ersten purpurfarbigen Streiflichter
ergoffen sich über das ausgedehnte Wäldermeer
und überflutheten die dichtbelaubten Wipfel der
höchsten aus ihrer Umgebung hervorragenden
Baumriesen mit lebhaft goldenem Scheine. Aus
den Thälern und Schluchten erhoben sich leichte
graue Nebelsäulen und stiegen langsam zum blauen
wolkenlosen Himmel empor. In Busch und Wald
ward es lebendig, begann sich das Leben des
Tages zu regen- Goldhähnchen wisperten in den

Buchen und Kiefernzwergen, muntere Meisen stießen
ihren Hellen Lockruf aus, und aus dem nahen
Gesträuch ertönte der melancholische, in der un-
entweihten Morgenstille fast feierlich klingende Ge-
sang eines Rothkehlchens. Am sonnigen Rain
blitzte das Helle Thaugeschmeide, das Blumen und
Gräser angelegt, die kunstreich gewobenen zarten
Netze, welche emsige Spinnen über den grünen
Moosteppich gezogen hatten und auf denen sich
Perle an Perle reihte, schimmerten wie die feinen
duftigen Schleier im Zaubermärchen.
Mein Jagdgewehr über der Schulter, schritt
ich rasch den thaufeuchten Waldpfad entlang. Auf
dem Kreuzwege in der nächsten Lichtung blieb ich
stehen, um den alten Förster vom Gute des
Grafen W. zu erwarten. Das war ein biederer,
gebildeter Waidmann von echtem Schrot und Korn,
mit dem ich gar gerne verkehrte. So oft es mir
meine Berufsgeschäfte erlaubten, suchte ich ihn in
seiner einsamen Behausung auf und durchstreifte
dann mit ihm das weite grüne Waldrevier. Es
war ein Vergnügen für den Jäger und Forscher,
in seiner Gesellschaft zu verweilen. Für heute
hatte ich ihm versprochen zur Krähenhütte hinaus-
znkommen, deren vortheilhafte Lage er mir sehr
gerühmt hatte.
Kaum war ich an dem Orte angelangt, wo
wir uns zu treffen verabredet hatten, so drangen
auch schon die bekannten Stimmen der Genoffen
an mein Ohr. Der stattliche Jäger mit wetter-
gebräuntem Gesicht, das ein starker schwarzer, in's
Graue spielender Vollbart beschattete, war der
wackere Förster Erich. Neben ihm her ging der
junge Gutsverwalter, mit dem er sich in seiner
ungezwungenen Weise unterhielt. In achtungs-
voller Entfernung folgte der Junge, welcher den
„Auf" (Lockvogel), eine große Ohreule, in dem
Behälter nachtrug.
„Waidmanns Heil!" ertönte der herzliche Gruß.
„Na, es geht doch nichts über die Pünktlichkeit,"
meinte der Förster, indem er meine dargebotene
Rechte kräftig drückte; „ich wußte es wohl, daß
Sie streng zur Zeit eintreffen würden. Fast bin
ich heute der Säumige gewesen!... Doch nun
vorwärts, wir dürfen keine Zeit verlieren."
Nach ungefähr fünf Minuten raschen Gehens
erreichten wir eine von Baumwuchs freie Berg-
lehne, von der wir einen weiten Blick über das
unten liegende Thal und die tiefer hinabziehenden
Waldungen hatten. An dem einen Ende der
Blöße erhob sich eine niedere, von allen Seiten
sorgfältig mit Moos und Rasen bedeckte Baracke,
die man nach dem ersten flüchtigen Anblick für
einen kleinen Hügel zu halten geneigt war: die
Krähenhütte. So hitzig nämlich auch die Raub-
vögel auf den sie anlockenden, tödtlich gehaßten
Uhu herabstürzen, so sind sie doch in ihrer Wuth
nicht ganz blind und die unverdeckte Hütte würde
sie rasch wieder verscheuchen. Aus diesem Grunde
sucht man ihr ein möglichst unverfängliches Aus-
sehen zu geben. Ungefähr vierzig Schritte von
derjenigen Seite der Krühenhütte entfernt, an
welcher sich die Schießscharten befanden, ragten
drei dürre Bäume mit ihren kahlen Aesten in die
Höhe, die sogenannten Fall- oder Hakbäume. Die
Bestimmung derselben wird sich in der Folge er-
geben. Zwischen den Fallbäumen und der Hütte
befand sich eine Erhöhung, auf welcher ein mit
starkem Querholze versehener Pfahl befestigt war,
die Jule (Sitzbank der Eule).
Sogleich befreite der Förster den Uhu aus
seinem Gefängnisse und stellte ihn auf das Quer-
holz, an das er ihn vermittelst eines langen ge-
schmeidigen Riemens fesselte. Nun ging es ohne
Verzug in die Krähenhütte. Franklin's bekanntes
Wort: „Bücke Dich!" galt hier nicht nur von der
Thüre, sondern von dem ganzen Inneren. Das-
selbe war kaum fünf Schuh hoch, so daß von
einem Aufrechtstehen keine Rede sein konnte. Durch
die Schießscharten drang gerade so viel Licht her-
 
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