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Fräulein geredet und wir sind schon Halbwegs
einig geworden — —"
„Mit wem hat die Wirthin gesprochen?"
sragts ich verwundert.
„Mit dem Fräulein — dem Klärchen Wallen-
dorf," entgegnete Frau Schabacker ungeduldig.
„Der Doktor ist zwar nicht gut gegen das Mädchen
gewesen. Er hat sie sitzen lasten. Ja, ja! Spielen
Sie doch nicht so den Erstaunten. Die Manns-

Aftisrr Alexander II. von Rußland. (S. 575.)

leute stecken ja doch alle unter einer Decke. Da
ist Einer wie der Andere!"
„Mich nehmen Sie gefälligst aus, Frau
Schabacker," erklärte ich. „Weit entfernt, mit dem
Doktor in diesem Punkte übereinzustimmen, habe
ich ihn vielmehr öfters streng darum getadelt."
„So? haben Sie das gethan? Das ist brav
von Ihnen. Wer wird um solcher Lappalien
willen sogleich mit seinem Schätzchen brechen?
Wahrlich das kann nur unser
Doktor, bei dem das Feuer gleich
oben hinausbrennt."
„Aber er muß doch seine
Ursache gehabt haben," warf
ich ein.
„Nun ja, es hat einen bösen
Familienklatsch und eine ver-
drießliche Scene gegeben," ge-
stand die würdige Frau. „Aber
mein Gott, wo käme das nicht
vor! Wer wird da sogleich mir
nichts dir nichts in der Despera-
tion ein liebes Mädchen auf-
geben, ein Mädchen, sage ich
Ihnen, das heute unfern Doktor
nach ganzen drei Jahren so
treu im Herzen trägt, wie
jemals."
„Darf ich erfahren, worüber
die Damen in ihrem Kriegs-
raths einig geworden sind?"
fragte ich, zum ursprünglichen
Gespräche zurücklenkend.
„Warum nicht!" entgegnete
Frau Schabacker. „Das Klär-
chen will ein offenes Wort mil
dem allerdurchlauchtigsten Her-
zoge reden, der sicher von der
ganzen Sache nichts weiß —"
„O, der Herzog weiß
alles — —"
„Nichts weiß er!" entschied
die Gestrenge kurz. „Wenig-
stens weiß er die Hauptsache
nicht. Aber, das wird sich
finden und geht den Herrn
Obergerichtsanwalt eigentlich
nichts an. Wenn Sie aber so

Ein Majestätsverbrechen.

Aus den Papieren eines Rechtsanwalts mitgetheilt
von
Karl Hljop

(Fortsetzung.)

Unter der Alleinherrschaft so schwerer Gedanken
war ich meiner Wohnung zugeschritten. Ich war
deshalb fast erschrocken, als mir
beim Oeffnen der Thüre die
gute Frau Schabacker allzurasch
entgegentrat.
„Ist er verurtheilt? Ja oder
Nein?" schmetterte sie mir mit
ihrer trotz aller tiefen Rührung
verzweifelt grellen Trompeten-
stimme entgegen.
„Ja," entgegnete ich ton¬
los, „zu vier Jahren Zucht-
haus."
„O du meine Güte! O du
barmherziger Himmel! Welche
Barbarei!" schrie Frau Scha-
backer zornig und hob die ge-
ballte Faust drohend empor
„Vier Jahre Zuchthaus? O
mein armer, lieber Doktor.
Das hält er nicht aus. Ob,
oh —
Sie konnte nicht weiter
sprechen, aber die in reichlichen
Strömen über ihre faltigen
Wangen herabrinnenden Thrä-
nen waren beredter, als tausend
Worte.
„Beruhigen Sie sich nur,
Frau Schabacker," versuchte ich
sie endlich zu trösten. „Viel-
leicht findet sich noch ein Aus¬
weg — —"
„Ei gewiß, er muß sich fin¬
den," erklärte Frau Schabacker
schon wieder mit gewohnter
Energie. „Er muß! Ich habe
schon in diesen Tagen mit der
„grauest Gans" gesprochen und
die graue Gans hat mil dem

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