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zeigen. Einige Bilder in schönen Goldrahmen
zieren das Gemach; sie stellen meistens Begeben-
heiten ans dem alten Testamente vor, aber Kom-
position und Kolorit verrathen, daß jedes aus der
Hand eines Meisters hervorgegangen. Nur schade,
daß schwere seidene Vorhänge einen großen Theil
des Lichtes abhalten und eine genauere Betrach-
tung hindern. In einem großen mit Schnitzereien
verzierten Armstuhl von schwarzem Leder sitzt
Baruch Levi. Ein langer Rock von dunkelgrüner
Seide umhüllt seine Gestalt, ein Sammtkäppchen
bedeckt sein Haupt. Vor ihm liegt auf dem Tische
ein großes Conto-Buch aufgeschlagen, in welchem
er eifrig studirt. Sein langer dichter Bart ist
schon stark mit Grau vermischt; seine gebogene
Adlernase deutet auf den reinen Typus des Stam-
mes, dem er angehörte, und tiefe Furchen in dem
edel geformten Antlitze verkünden, daß sein Leben
nicht ohne Mühe und Kämpfe gewesen. —>
Vorsichtig und leise trat eben ein junges Mäd-
chen ein, seine Tochter Sara; der Teppich dämpfte
den leichten Schritt. In der Nähe des Vaters
blieb sie gedankenvoll mit vorgebeugtem Haupte
stehen. Ihre edlen Züge trugen ein orientalisches
Gepräge; ihr langes schwarzes Haar hing in
reichen Flechten über den schönen Hals. Die aus-
drucksvollen dunklen Augen hatten in diesem
Augenblicke etwas Nachdenkliches. Leise legte sie
ihre zarte Hand auf die Schulter ihres Vaters
und mit sanfter Stimme brachte sie ihm ihren
Morgengruß.
- In demselben Augenblicke tönte der Schall des
Schlegels an der Hausthüre, welcher die Stelle
der Glocke vertrat. Sara zog sich schnell zurück
und bald darauf trat ein junger, elegant gekleideter
Mann zu Levi ein. Es war der Graf Senia-
witsch. Er schien mit den Räumlichkeiten des
Hauses vertraut zu sein, denn, nachdem die alte
Magd, welche ihm geöffnet, seine Frage, ob der
Herr zu Hause sei, bejaht hatte, schritt er sogleich
durch den dunklen Korridor, der zum Comptoir
des Juden führte.
„Was verschafft dem alten Levi das Ver-
gnügen des so unerwarteten gräflichen Besuches?"
fragte mit erheucheltem Erstaunen der Jude, indem
er dem Eingetretenen mit einer Verbeugung einen
Sammtstuhl anbot.
„Mein alter Freund," erwiederte der Graf
mit einem Lächeln, das nur mühsam verbarg,
wie schwer ihm das Wort Freund geworden, „hat
mir ja schon so oft aus einer fatalen Lage ge-
holfen, daß es ihm wohl nicht schwer sein wird,
auch diesmal den Zweck meines Besuches zu er-
rathen. Ich brauche bis heute Mittag 4000 Rubel,
die ich dem Fürsten Wasiloff als eine Ehrenschuld
zu zahlen habe!"
Baruch Levi schien wohl von dieser Erklärung
nicht überrascht; aber dennoch schwieg er einen
Augenblick, indem er die Wechsel summirte, die
er von dem Grafen schon besaß.
„Und welche Sicherheit kann mir der Herr
Graf Seniawitsch geben?" fragte der Jude.
Die kleinen Augen des Grafen blitzten einen
Augenblick wie glühende Kohlen; der kleine Mund
zuckte zusammen und Zornesröthe überflog die
Wangen; doch bekämpfte er den Unmuth.
„Mein Name wird wohl Sicherheit genug
sein," erwiederte er.
„Verzeihen Herr Graf," sprach langsam Levi,
„man hat mir vor acht Tagen noch einen Wechsel
von 20,000 Rubel verkauft, auf welchem Ihre
und des Herrn Fürsten Felotiskoff Unterschriften
sich befinden; ich möchte mir nur erlauben, zu
fragen, ob die Unterschriften echt sind?"
Der Graf biß sich auf die Lippen und sck lug
unwillkürlich die Blicke nieder, als er denen des
Geldverleihers begegnete.
„Ich kann ohne Sicherheit kein Geld mehr
geben," sagte der Jude kalt.
„Ich habe vor der Hand keine andere Sicher¬

heit als meinen Namen; fast mein ganzes Be-
sitzthum ist ja ohnehin schon in Ihrer Hand und
in den Händen meiner übrigen Gläubiger. Aber —"
hier stockte Seniawitsch, „in sechs Wochen werde
ich meine gesammten Wechsel einlösen können."
Baruch Levi überlegte. Nach einer Pause
begann er:
„Ich will Ihnen noch die 4000 Rubel leihen,
aber binnen sechs Wochen hoffe ich pünktlich be-
zahlt zu werden."
Hierauf schloß er die eiserne Geldkiste, welche
in der Nähe des Tisches stand, auf und zählte
tbeils in Gold, theils in Banknoten den ver-
langten Betrag auf, welchen der Graf einstrich,
nachdem er die Schulddokumente ausgestellt und
nochmals versprochen hatte, binnen sechs Wochen
pünktlich zu zahlen. Hierauf verabschiedete er sich
von Levi, der den Schuldschein, nachdem er ihn
nochmals geprüft und sorgfältig zusammengelegt
hatte, in der Geldkiste verschloß.
Eben wollte der Graf das Haus verlassen,
als Sara aus einem Zimmer des Erdgeschosses
auf den Gang heraustrat.
„Welch ein Glück wird mir noch zu Theil,
daß es mir gegönnt ist, in das Antlitz der Rose
von Jericho zu schauen!"
Sara's Stirne verfinsterte sich ein wenig, sie
schien über das Kompliment nicht sehr erfreut
zu sein.
„Herr Graf machen noch immer schlechte Ver-
gleiche," erwiederte sie und wollte sich umwenden.
Aber Seniawitsch faßte sie zart bei der Hand,
und dieselbe an seinen Mund führend, flüsterte er:
„Seit ich so unendlich glücklich war, jenen
Abend in Ihrer Nähe zu verbringen, ist in mei-
nem Herzen finstere Nacht, es fehlt ihm Licht und
Wärme."
Sara hörte ihn theils mit Widerstreben, theils
doch ein wenig geschmeichelt an. Dann aber ver-
setzte sie:
„Herr Graf, ich darf Ihnen nicht länger zu-
hören, es wäre Thorheit von mir, solchen Worten
zu glauben."
Da ertönte das Geklingel eines nahenden
Schlittens, welcher vor dem Hause neben dem
Gespann des Grafen Halt machte, und gleich
darauf erscholl mit starken Schlägen der eiserne
Klopfer an der Hausthüre.
Das Glück hat sich heute gegen mich ver-
schworen! dachte Seniawitsch, und nachdem er
der rasch in ein Zimmer enteilenden Sara die
Hand gedrückt hatte, verließ er das Haus, in
welches jetzt Dembinsky eintrat. Die beiden Männer
begegneten sich und faßten sich gegenseitig in's Auge;
beide hatten einen und denselben Gedanken: ein
Jeder hielt den Anderen für den bevorzugten
Günstling bei der schönen Sara. —
Während Seniawitsch das Haus verließ, wurde
Dembinsky in das vorerwähnte Zimmer geführt,
in welchem sich der Hausherr befand.
„Verzeihen Sie, daß ich Ihnen gestern eine
Arme mit Ihrem Kinde in's Haus geschickt habe
und Ihrem Schutze empfahl; allein ich bin der
Ansicht, daß Sie bei ihren Glaubensgenossen am
besten untergebracht ist."
„Herr Graf, ich danke Ihnen für die Wohl-
that, die Ihr edles Herz einer Tochter meines
Stammes angedeihen ließ," erwiederte Baruch
Levi, indem er sich verbeugte und den Grafen
einlud, Platz zu nehmen. „Wie ich gehört habe,"
mhr Levi dann fort, „sind Herr Graf wider Dero
Willen hierher auf Ihr Gut verbannt! Gerechter
Gott, welch ein strenges Regiment führen jetzt die
Russen in dem armen Polenreich!"
(Fortsetzung folgt.)

Mannigfaltiges.
* Barkoninieu von Eisenoxyd, Tyon und Sand in mensch-
liche» Lungen. Wie leicht staubförmige, in der Luft herum-
fliegende Körper in das Lungengewebe dringen können, dafür

gibt Herr Gorup-Besanez im Märzheftc der „Annalen der
Chemie und Pharmacie" überzeugende Beweise durch die
chemische Analyse zweier Lungen. Die em- Lunge gehörte
einer Arbeiterin in einer Fabrik, in welcher die zum Ein-
legen des feinen Blattgoldes bestimmten, durch Einreiben mit
Englischroth roth gefärbten Büchelchen von Fließpapier an-
gefertigt werden. In 57 Gramm der Lunge fanden sich
(Voss Gramm Eisenoxyd; 1000 Gramm enthielten somit
14.z Gramm Eisenoxyd. Setzt man voraus, daß der Staub
gleichmäßig durch die ganze Lunge vertheilt gewesen, so wäre
der Gesammtgehalt beider Lungen an Eisenoxyd auf nicht
weniger als 21—22 Gramm anzuschlagen. Die zweite
Lunge rührte von einem Arbeiter in einer Ultramarin-Fabrik
her, der jedoch nicht dem Staube des Ultramarins selbst,
sondern der zu seiner Bereitung dienenden Mischung aus-
gesetzt war. Die chemische Untersuchung ergab in 227 Gramm
Lunge 3.1935 Gramm kieselsaure Thonerde, O.groo Quarzsand
und O.z,g Eisenoxyd. Nimmt man auch hier eine gleich-
mäßige Vertheilung auf beide Lungen an, so beträgt die
darin enthaltene Menge von Thon und Sand 29.8o Gramm.

Kharade.
(Zweisilbig.)
Mein Erstes lernst Du auf der Wage,
Den Rücken krümmt Dir seine Last,
Du fühlst's als eine böse Plage,
Wenn Du's in Noth und Sorgen hast.
Doch will Dein Leben sich umnachten.
Mein Zweites schafft Dir Ruh' und Licht,
Du brauchst es in den heißen Schlachten
Und wenn Dein Herz im Tode bricht.
Mein Ganzes naht in tiefem Schweigen,
Beut sich mein Zweites nicht zum Hort;
Dem deutschen Wesen ist's zu eigen.
Der Franzmann hat dafür kein Wort. Th. B.
Auflösung folgt in Nr. 44.


Auflösung folgt in Nr. 44.


Briefkasten.
"Herrn Georg G. in New-Nork. — Warum
sollten wir nicht auch auf Anfragen, die von der Neuen
Welt an uns ergehen, die Rathschlüge unseres ärztlichen
Freundes ertheilen? — Ju Ihrem Falle aber können Sie
sich nicht selbst helfen, da Ihr Uebel auf mechanischem
Wege gehoben werden muß. Das Rauschen in den Ohren
mit Schwerhörigkeit und „Kopfsummen" kommt näm-
lich von Katarrh der Ohrtrompeten (Gänge von der Nase
zum Ohr) her. Wenn Sie einen tüchtigen Ohrenarzt
aussuchcn, der mittelst eines Katheters diese Gänge aus-
blüst, so kann Ihnen in 1—3 Sitzungen radikal geholfen
werden. Ein solcher Spezialarzt für Ohrcnkraukheitcu findet
sich in New-Jork sicher. Sie können auf sichere Heilung in
wenigen Tagen rechnen und erbitten wir uns Ihre Nach-
richt über den Erfolg. vr. E.
"Abonnent I. W. in Eschdorf. — Eine Welt-
geschichte über die letzten 2—300 Jahre gibt cs nicht, wohl aber
von den letzten 120 Jahren, 1740—1860, von W. Menzel,
6 Bde. st. 9., an welche sich vom selben Verfasser anschließen:
Die wichtigsten Weltbcgebenhciten von 1860—1866. 2 Bande,
fl. 4. 12 kr., endlich der deutsche Krieg 1866. 2 Baude,
fl. 4. 12 kr., ohne Illustration. Als neueste Weltgeschichte
kann die jetzt in Lieferungen erscheinende Volksausgabe nach
Fr. Ehr. Schlosser empfohlen werden und als Geschichte des
Kriegs von 1866 noch die von vr. W. Zimmermann, 12
Lief. L 18 kr., und Kriegschronik der Leipziger Jll. Ztg.
von I. I. Weber, 19 Lieferungen a, 18 kr.
" Herrn H. C. in T. o. S. — Das fragliche Färbe-
mittel finden Sie in dem betreffenden Baude des „Schau-
platzes der Gewerbe und Künste" (Weimar, B. F. Voigt),
welcher dem Kürschnergcwcrbc nnd Pelzhandel gewidmet ist.

Redaktion von Adolf Palm.
Druck und Verlag von Hermann Schöllleill.
 
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