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„Weib? — Wer hat Weib gesagt?" höhnte
Aron; „das Grafenliebchen nehme ich nicht zum
Weibe, aber meine Geliebte sollst Du werden,
schöne Sara!"
Sara blickte auf, ihr Gesicht war purpurroth
vor Scham und Abscheu: „Fort von mir, Elender,
der Du mich mit List und Betrug hierher ge-
lockt hast!"
„Ich liebe Dich," rief Aron und stürzte auf
Sara zu, sie mit seinen langen Armen umfassend
und seinen häßlichen Mund auf ihre Rosenlippen
drückend.
Sie stieß ihn mit furchtbarer Kraftanstrengung
zurück und schrie: „Ich bin eine Verfluchte, ich
bin eine Verstoßene; ich bin hilflos, aber hüte
Dich, Ehrloser, ich werde mein Leben theuer ver-
kaufen!" Mit solchen Worten ergriff sie ein auf
dem Tische stehendes Glas und schleuderte es
gegen den auf sie eindringenden Aron, traf aber
statt seiner einen Spiegel, daß er in taufend
Scherben zertrümmerte. Diese Energie hatte
Aron nicht erwartet; seinem feigen Charakter im-
ponirte dieser Zornesausbruch Sara's derart, daß
er erbleichte und sich ihr nicht mehr zu nähern
wagte. Seine Haare standen hoch zu Berge, seine
Augen traten aus den Höhlen, er zitterte an
allen Gliedern, und suchte so rasch als möglich
aus dem Gemach hinauszukommen. Er erkannte,
daß Sara dem Wahnsinn nahe war. Endlich
erreichte er die geheime Thüre, drückte auf den
Knopf derselben und stürzte hinaus.
„Rebekka! Rebekka!" rief er mit kreischender
Stimme durch den Korridor. Die Wirthschafteriu
eilte herbei. „Was ists — was gibts?"
„Sara ist tobsüchtig geworden, geh' hinauf
und suche sie zu beruhigen."
„Ich werde für das bischen Geld keine Wahn-
sinnige bedienen und bewachen!" sagte schlau be-
rechnend Rebekka.
„Ich lege Dir fünf Gulden zu."
„Zwanzig ist nicht zu viel," sagte mit fester
Stimme Rebekka; „ich riskire mein Leben bei
einer Wahnsinnigen. Sie zahlen zwanzig Gul-
den monatlich Zulage — oder ich gehe in's
Spital und lasse das Mädchen abholen."
„Gott! was schreist Du, Weib, ins Spital?
Niemand darf ja wissen, daß sie hier ist, geh'
hinauf, geh' — ich zahle zwanzig!"
„Gut," sagte Rebekka, „jetzt biu ich einver-
standen." Sie eilte hinauf.
„Gott, Gerechter, jetzt werden sein zerschlagen
schon alle Gläser und alle Spiegel," lamentirte Aron.
Rebekka riß die Thüre des Spiegelkabinets
auf. Sara's Augen, von Fieber und Weinen ge-
röthet, trafen die eintretende Magd und ein kurzer
Augenblick genügte ihr, einzusehen, daß sie von
dieser Person wenig Hilfe erwarten konnte.
Sie beschloß ihre Ehre, wenn es sein mußte,
mit Aufopferung ihres Lebens zu vertheidigen;
in Ermangelung einer anderen Waffe, hatte sie ein
Stück des starken Spiegelglases erfaßt, welches
sie wie einen Dolch der alten Rebekka entgegenhielt.
Entsetzt verließ diese wiederum das Kabinet.
„Die ist völlig wahnsinnig," rapportirte sie
ihrem Herrn; „Sie können selbst sehen, wie Sie
mit ihr zurecht kommen."
Sara sah bald ein, daß ihr muthiges Auf-
treten die beste Art sei, diese beiden Personen
von sich ferne zu halten, und wirklich ließ sich
Aron geraume Zeit nicht mehr sehen. Nur Re-
bekka brachte das spärliche Essen.
Einige Tage waren so verstrichen, als Aron
aus einer entfernten Vorstadt einen alten Mann,
der sich Doktor schelten ließ, zu sich in's Haus
brachte. Als die Beiden zu Sara in das Zimmer
traten, kam ihnen diese beherzt entgegen und
drohte, den ersten, der sich ihr nahen würde, zu
tödten, indem sie die mit einem Messer bewaffnete
Hand erhob, welches sie durch Rebekka, die ihr
soeben die Speisen gebracht, erhalten hatte.

Schnell zogen sich die Beiden zurück.
„Wie lange kann das dauern, Doktor?"
zischte Aron Teweles.
„Der Wahnsinn? man kann dabei alt werden,"
gab der Arzt zur Antwort, indem er mit wich-
tiger Miene den Zeigefinger an den Mund legte.
„Und wie alt in diesem speziellen Falle?"
fragte flüsternd Aron Teweles.
„Hm! sie ist noch jung — sie kann es noch
zwanzig Jahre — auch noch länger treiben!"
Aron Teweles erblaßte; er gab dem Doktor
sein Honorar, drückte seine Mütze tief in's Ge-
sicht, stülpte seinen Pelzkragen auf und verließ
das Haus. Raschen Schrittes eilte er durch
mehrere Gaffen und bog in ein kleines Sack-
gäßchen ein. Vor einem halbzerfallenen Hause
blieb er stehen: es war das Haus des Chemikers
Jakob Löw. — Dieser Mann stand in einem
sehr schlechten Rufe, war schon mehrmals gericht-
lich abgestraft worden, und die Polizei hatte ein
wachsames Auge auf ihn. Er hatte auch schon
wegen Verkauf von Giften an unbefugte Personen
vor Gericht gestanden, war aber wegen Mangels
an Beweisen freigesprochen worden.
(Fortsetzung folgt.)

Gtmeüttl listiges.
* Bereitung der Glycerin-Wichse. Bekanntlich hat in
neuester Zeit das Glycerin in der Gerberei Eingang gefun-
den, indem man die Erfahrung gemacht hat, daß dasselbe
die Geschmeidigkeit des Leders bedeutend unterstützt und da-
durch die Haltbarkeit desselben in hohem Grade befördert.
Insbesondere hat sich die Anwendung des Glycerins bei
Treibriemen bewährt, welche bekanntlich wegen der bestän-
digen starken Spannung und Reibung sehr dem Brechen
ausgesetzt sind. Man bringt das Leder in schwach lohgarem
Zustande längere Zeit in Glycerin, wobei dasselbe in die
Poren des Leders eindringt und demselben eine solche Ge-
schmeidigkeit crtheilt, daß die daraus gefertigten Gegen-
stände weit weniger dem Brechen unterworfen sind. Um
nnn mittelst des Glycerins eine säurefreie Guttapercha-Wichse
zu bereiten, nehme man 3—4 Pfund Kienruß und Pfund
gebrannte Knochen (sogenanntes gebranntes Elfenbein),
bringt diese Mischung in ein Gefäß, übergieße dieselbe mit
5 Pfund Glycerin und 5 Pfund gewöhnlichem Syrup, und
rühre die Masse so lange um, bis das Glycerin und der
Syrup sich mit der Kohle vollkommen vermengt haben,
d. h. bis sich keine zusammengeballten Kohlenpartikelchen
mehr zeigen. Dann werden 5 Loth Guttapercha, vorher
etwas zerschnitten, in einen eisernen oder kupfernen Kessel
gegeben und über Kohlenfener so gelinde erwärmt, bis die
Guttapercha so ziemlich zerflossen ist; darauf werden allmäh-
lig und unter stetem Umrührcn 20 Loth Baumöl zugesetzt,
und nachdem die Guttapercha vollständig aufgelöst ist, wer-
den noch 2 Loth Stearin zugcfügt. Diese Auflösung wird
hierauf noch warm unter Umrühren der Mischung von Kohle,
Glycerin und Syrup zugesetzt, und nachdem auch hier eine
gleichförmige Mischung stattgefunden hat, werden 10 Loth
Scnegalgummi in l'/r Pfund Wasser gelöst und ebenfalls
der Masse unter Umrühren zugesetzt. Um endlich der Masse
einen angenehmen Geruch zu ertheilen, fügt man derselben
noch I Quentchen Rosmarinöl und eben so viel Lavendelöl
hinzu. Beinr Gebrauche wird diese Glycerin-Guttapercha-
Wichse mit 3—4 Theilen Wasser verdünnt. Sie gibt einen
schönen Glanz und zeichnet sich dadurch ans, daß sie keine
Säure enthält, dem Leder also in keiner Weise nachtheilig
fein kann, daß sie dagegen das Leder weich und geschmeidig
erhält und dadurch die Dauer desselben erhöht.

Mlder-UätM.


Kharade.
(Zweisilbig.)
Die Erste ist gar wichtig für die Welt,
Die goldne Schätze in ihr aufgefchichtet;
Doch auch zu niedrem Dienst ist sie bestellt.
Dem Wandrer oft zur kurzen Ruh errichtet.
Die Letzte unterschreiben heischt Bedacht,
Klagt sie Dich an, so suche sie zu meiden.
Hat Dir das Glück das Ganze zugebracht.
So streb' zu mehren es für schlechte Zeiten.
L. N.
Auflösung folgt in Nr. 5V.

Briefkasten.
* Abonnent F. H. in G. — Die Färbung der
Butter geschieht mittelst Safran, den man mit der Butter-
milch mengt; noch schöner mit Carotin, dem Extraktivstoff
der Möhre oder Gelbrübe. Die Bereitung der Kunstbutter,
in welche das aus Rüböl gewonnene Kunstfchmalz eingeknetet
wird, ist Geheimniß.
* Abonnent W. S. in H. — Mit vulkanisirtem
Kautschuk (Radirgummi) oder mit feingepulvertem ossa ss-
xias oder gepulvertem Bimsstein mittelst eines weichen Woll-
lappens werden beschmutzte Gypsfiguren gereinigt.
* Industrie. — Sie finden die gewünschte Auskunft
in dem bei Spamer in Leipzig erschienenen Werke: „Prak-
tischer Branntweinbrennereibetrieb von Gläser". Außerdem
empfehlen wir Ihnen: Schubert, praktisches Rezepttaschen-
buch, Braunschweig, Vieweg, sowie desselben Verfassers ra-
tionellen Brennereibetrieb.
* E. R. — Ihrem Wunsch, die Conterfeis der jungen
Tiger und ihrer Amme im Dresdener zoologischen Garten
betreffend, sind wir eigentlich zuvorgekommen, indem Sie be-
reits auf S. 668 des laufenden Heftes diese interessante
Thiergruppe abgebildet finden.
* A. M. C. in Portsmouth, England. — Wenden
Sie sich gef. an die Buchhandlung des Herrn A. Siegle
in London, 110 Leadenhall-Street, durch welche Sie die
Fortsetzung unseres Journals pünktlich erhalten werden.
* Abonnent in Bremen. —Das eingesandteRäthsel
ist nicht korrekt. Versuchen Sie einmal, den Gegenstand tref-
fender und deutlicher zu bezeichnen und doch dem Nachdenken
dabei mehr zu überlassen, als dies bei dem Ihrigen der Fall.
* R. Z. in L. — Die Anfertigung des schwar-
zen Wachses geschieht folgendermaßen: Man schmilzt in
einer Porzellanschale 20 Loth gelbes Wachs und 5 Loth ve-
netianischcn Terpentin; ist dies geschehen, so setzt man nach
und nach unter Umrühren 2 Loth schwarzes Schwefelqueck-
silber hinzu. Die Masse wird in Papierkapseln ausgegossen.

An unsere geehrten Abonnenten!
Um den verehrlichen Subscribenten auf das „Buch für
Alle" die nachträgliche Anschaffung des Jahrgangs 1869
zu erleichtern, hat sich die unterzeichnete Verlagsbuchhand-
lung entschlossen, den durch
239 Holzschnitte prachtvoll illustrirten
Jahrgang 1869
des
„Vnch's für Alle"
mit der ausgezeichnet schönen großen Stahlstich-Gratis-Prämie
Beim Grossvater,
gemalt von N. Heck, gest. von Ä. Wogcnmann, 28>/r" rh. hoch,
23" rh. breit,
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nur 24 Sgr. oder fl. 1. 27 kr. rh.
wobei die große Stahlstich-Prämie gratis mitgclicfert wird,
abzugeben. Es ermöglicht dies auch dem mindest Bemittel-
ten, sich in den Besitz dieses Prachtwerkes voll der spannend-
sten Erzählungen und belehrenden Beiträge zu setzen.
Es werden nur ganz neue, tadellose, complett in
1 Band broschirtc Exemplare des Werkes und der großen
Stahlstich-Gratis-Prümie geliefert, auch ist für letzteres Bild
keinerlei Nachzahlung zu leisten. Einzelne Hefte können
nur zum früheren Preise abgegeben werden.
Bestellungen auf den Jahrgang 1869 nehmen alle Buch-
handlungen, Journal-Expedienten, Buchbinder, Colporteure
und diejenigen Boten an, welche die Hefte des Jahrgangs
1871 in's Haus bringen.
xZ" Auch ist die Verlagsbuchhandlung bereit, die schnelle,
kostenfreie Uebersendung durch die nächstgclegcne Buchhand-
lung zu vermitteln, wenn anderweitige Bestellung mit
Schwierigkeiten verknüpft sein sollte, und wolle man sich in
diesem Falle in frankirtcm Briefe an die unterzeichnete Ver-
lagsbuchhandlung wenden.
Stuttgart. Die Verlagsbuchhandlung
Kerman» Schönlcin.

Redaktion von Adolf Palm.
Druck und Verlag von Hermann Schönlein.
 
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