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Der Derurtheilie.
Eine dunkle Geschichte
von
AMler-WiNifred.
(Schluß.)
6.
Etwa eine Stunde westlich
von Sondrio in der Richtung
nach Berbenno, unfern der
Straße, welche den Addafluß
zweimal überschreitend vou
Chiavenna und vom Comosee
hierherführt, und nicht weit
von dem Flusse lag damals
ein einzelnes Wirthshaus, in
welchem sich Schiffer, Fuhrleute,
Fischer, Weinbergsarbeiter und
die Hierlands nicht ungewöhn-
lichen Müssiggänger versam-
melten. Die Einen ruhten ans,
die Andern gingen einem Er-
werbe nach, die Letzteren such-
ten die Zeit zu tödten. Unter
dem Gewände des Landmannes
trieb sich da wohl auch Man-
cher herum, von dem man,
ohne es merken lassen zu dür-
fen, stark vermuthete, daß er
von den Plänen der Räuber,
welche damals diese Gegenden
arg belästigten, Kenntnis) habe.
In der Nacht, welche der
oben erzählten Kerkerscene un-
mittelbar voranging, herrschte
große Heiterkeit in den engen
Räumen dieses Wirthshauses.
Zwei galante Veturiuführer
, hielten zwei junge Bäuerinnen
an der Hand und bemühten
sich auf's Beste, eine zierliche
Ronde mit ihnen zu tanzen,
deren lebhafte Sprünge ein der-
ber Winzer aus der Nachbar-
schaft auf der Mandoline be-
gleitete. An einem Tische saß
eine Runde von Kartenspielern
und in einer andern Ecke kauerte


ein Mensch in Bauerntracht, welcher mit gellender
Stimme die Zahlen im Morra-Spiel ausrief, mit
der bei diesem echt nationalen Spiel unentbehr-
lichen Heftigkeit der Pantomime begleitete und,

wie sich von selbst versteht, jeden Augenblick mit
seinem glücklichen Mitspieler in Streit gerietst,
welcher letztere einer der tüchtigsten Addaschiffer war.
Die anwesende Gesellschaft wurde bald durch
die Ankunft eines Gensdarmerie-
Detachements vermehrt, welches
auf dem Wege nach Sondrio
begriffen, dort mit Tagesan-
bruch einzutreffen Befehl hatte,
um bei der Hinrichtung des
Grafen Pellizani Ruhe und Ord-
nung aufrecht zu erhalten.
Schon hatte die eilfte Stunde
geschlagen, aber noch immer
fuhren die Tanzenden in ihrem
Vergnügen fort, die Trinkenden
schienen immer mehr Durst zu
verspüren und unter den Spie-
lenden wurde es immer leb-
hafter. Die Gensdarmen unter-
hielten den Wirth von ihren
Heldenthaten, denen dieser auf-
merksam zuhorchte, und Alles
zeigte die gute Laune einer-
verspäteten Zechgesellschaft.
Endlich schien sich die Müdig-
keit geltend zu machen; der Tanz
hörte auf, die Mandoline ver-
stummte und Alles, mit Aus-
nahme der Spielenden, stand
im Begriff sich zu entfernen.
In diesem Augenblick erhob sich
zwischen dem Bauer und dem
Schiffer wieder ein sehr hefti-
ger Streit über eine ausgerufene
Zahl. Das ganze Wörterbuch
der italienischen Schimpfnamen
wurde erschöpft, Drohungen
ausgestoßen und geballte Fäuste
erhoben; nichts destoweniger
schienen die beiden Gegner nach
ausgetobtem Zorn, wie dies ge-
wöhnlich geschieht, wieder fort-
spielen zu wollen, als der
Schiffer sich zu dem Bauern
hinüber neigte, und diesem
etwas ins Ohr sagte. Die Nahe-
stehenden hatten nur das Wort

Maria Bittoria, Königin von Spanicn. (S. 703

„Bandit" gehört. Eine Sekunde

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