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Zeitschrift des Bayerischen Kunstgewerbe-Vereins zu München: Monatshefte für d. gesammte dekorative Kunst — 1896

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Heft 2
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Riehl, Berthold: Der Alterthümler und das moderne Kunstgewerbe, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.7909#0029

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— im Gegensatz zum Mittelalter — eine Reihe unserer
modernen Bedürfnisse entwickelte.

Das Speisezimmer unseres Alterthümlers, das damals
entstand, trägt als Sammlung einen wesentlich anderen
Tharakter als die vorausgehenden Zimmer. Trotz der
erheblichen Summe, die er darauf verwendet, gelang es
ihm nicht, hier so einheitliche und erlesene Aunstwerke zu-
sammen zu bringen, wie früher. Damals waren es eben
nur wenige Aünstler
und Aunstfreunde, die
Sinn für Alterthümer
hatten, und wer mit
Verständnis undFleiß
sammelte, konnte noch
manches schöne Stück
um billiges Geld er-
werben. Ietztdagegen
lag die Sache anders.

Die Alterthümer, die
ehedem nur der kleine
Areis seiner Renner
gesucht, waren ein
vielbegehrter Artikel
geworden, eine Men-
ge von Toncurrenten
trat aus und steigerte
gegenseitig die Preise.

Große Museen für
deutsche Aunst, die
inzwischen entstanden
waren, arbeiteten mit
bedeutenden Staats-
mitteln,undvorAllem
war es bei den reichen
Leuten Mode gewor-
den, ein oder auch
mehrere Zimmer mit
alten Aunstwerken zu
decoriren, wodurch
der Erwerb derselben
jetzt gar häufig nur
eine Frage an den
Geldbeutel wurde, j
So kam es denn auch,
daß sich unser Alter-
thümler, der sein
Speisezimmer eigent-
lich im Stil des \<ö.

Jahrhunderts ein-
richten wollte, oft ge-
nöthigt sah, Möbel späterer Perioden hineinzustellen, die, da
gerade weniger gesucht, mit seinen Vermögensverhältnissen
in besserem Einklang standen, als die seltenen Renaissance-
Möbel, die seinem Geschmack entsprachen. Wenn er aber
manche schöne Summe für die Ausstattung dieses Zimmers
hingab, die ihm gleichwohl nicht ganz zusagte, so pflegte
er sich damit zu trösten, daß zwar das Sammeln von
Alterthümern heute kostspieliger und schon wegen der Imi-
tationen weniger erfreulich sei als früher, dafür aber als
eine ganz gute Aapitalanlage betrachtet werden könne.

Was waren jetzt die beiden gothischen Zimmer werth,
die doch nur so wenig gekostet hatten? Der Preis alter
Aunstwerke muß aber — so denkt er weiter — auch
ferner steigen, denn die Nachfrage wächst beständig, während
die verkäuflichen Alterthümer immer weniger werden;
zumal eine Pauptquelle derselben zu versiegen beginnt,
dadurch daß sich der Staat verpflichtet fühlt, die Ver-
schleuderung der seinem Schutz unterstellten Aunstwerke

;7. Gitter im Frauciskanerkloster zu Leipa (Böhmen). Aufnahme und Zeichnung von f p. p. palme, tjaida.

möglichst zu verhindern. Aber auch gegen diesen Trost
erhebt der jüngere Freund Einspruch, indem er aussührt,
daß allerdings bedeutende alte Originale in ihrem
Werth steigen müssen, daß aber andererseits durch die
Mode des Sammelns auch der Preis der Alterthümer
den Schwankungen der Mode unterworfen fei; wofür
er als zwingendes Beispiel leider gleich die schöne
Arugsammlung auf dem Buffet anführen kann, deren
Werth heute weit geringer ist, als zu der Zeit, da sie er-
worben wurde.
 
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