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Zeitschrift des Bayerischen Kunstgewerbe-Vereins zu München: Monatshefte für d. gesammte dekorative Kunst — 1896

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Heft 7
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Gmelin, L.: Slavische Stickereien auf der Prager Ausstellung (1895)
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https://doi.org/10.11588/diglit.7909#0069

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dieser Vorhänge dann auch religiöse Symbole verwendete,
wie z. B. in der Mährischen Slovakei, ist die natürliche
Folge der herrschenden Anschauungen; der an diesen Vor-
hängen häufig vorkommende chahn (Abb. 82 und 83s
soll symbolische Bedeutung haben. Diese Vorhänge, welche
übrigens niemals durch anderweitige Verwendung entheiligt
werden, fehlen nur in österreichisch Schlesien. Andere Gegen-
stände zu ceremoniellem Gebrauch sind die kjochzeits-
sahnen und Lsochzeitshandtücher; letztere pflegte
der Brautführer über dein Arme zu tragen und zun: Auf-
trägen der Schüsseln dein: Hochzeitsschmaus zu verwenden.

Die hier zu Lande gebräuchlichen Sticktechniken
sind sehr verschiedener Art; in manchen Gegenden über-
wiegen Plattstich und Stilstich, in anderen der Areuzstich,
letzterer sehr häufig in Verbindung mit Durchbrucharbeit.

87. Endstück eines Kopftuches, slowakisch; Preßburg-Tirnauer Gegend.

ca. V-i der wirkl. Größe.

86. Ende einer Schürze, rother und blauer Zwirn auf ungebleichter
Leinwand; slowakisch.

1/4 der wirkl. Größe.

Bei den Häubchen (Abb. 78) tritt auch eine Art Anöt-
chenstich auf, wobei der Grund wie mit einem gries-
förmigen Aorn übersät erscheint; an mährisch-slavischen
Arbeiten übernimmt der Aettenstich theilweise die Führung.
In der mährischen Slovakei herrscht mehr der Arcuz-, Flach-
und Linienstich. Weißen ü-jour-Stickereien begegnet man
im mittleren Böhmen und in der Umgebung von Tabor.
Der Grundstoff der Stickereien ist in überwiegenden: Maaß
eine oft sehr grobe — natürlich „hausgemachte" — Lein-
wand, gebleicht oder ungebleicht; von den Thoden (im
äußersten Westen) wird berichtet'), daß sie farbenprächtige
Stickereien auf blauem oder weißem Tuch Herstellen. Bei
Häubchen kommt auch schwarzer oder rother Seiden- bezw.
Lammtgrund zur Anwendung. Das Stickmaterial selbst
besteht bald aus gebleichtem oder ungebleichtem, bald
aus gefärbten: Garn, bei anspruchsvolleren Arbeiten aus

fl Zibrt und Tyrsova a. a. D.

ebenso behandelter Seide, — wenn nicht, wie bei Stickereien
auf Sammt oder Seide, aus Gold- und Silberfäden. Die
Wolle, das Material der Hauptkleidungsstücke, spielt als
Stickmaterial eine ziemlich nebensächliche Rolle. Bei den
Slovaken kommt neben Seide auch Bauinwolle als Stick-
material in Betracht, früher auch selbstgesponnene und
schwarz oder (primitiv) roth gefärbte Harraswolle; letztere
ist noch heute in den entlegenen Theilen der Slovakei das
übliche Material. Dagegen bedient man sich — nament-
lich in der Gegend von Tabor, Thodsko und Blatsko
(Neuhaus), — zur weiteren Ausschmückung und Belebung
der Stickereien kleiner, linsengroßer Metallflinzerchen,
ferner großer Glasperlen und erbsen- bis haselnußgroßer
Glaskügelchen') in den buntesten Farben und Metall-
lüstern; außer bei den Bettvorhängen, wo diese Metall-
und Glasanhängsel fehlen, treten diese oft so in: Aeber-
n:aaß auf, daß die Faden-Stickerei nur ganz untergeordnet
bleibt. Die goldgestickten Häubchen aus den: Riesengebirge
werden sogar bisweilen mit Granaten ausgeputzt.

Schon die Menge von Stickereien, welche die jOrager
Ausstellung erfüllte, spottet jedes Versuchs, eine eingehende
Uebersicht über die böhmischen Stickereien nach ihrer ge-
schichtlichen, lokalen, technischen Tntwickelung zu geben;
dazu gehören jahrelange Studien an Mrt und Stelle, und
das Trgebniß müßte in dickleibigen Büchern n:it zahlreichen,
auch farbigen Abbildungen bestehen. Die Aufgabe, das
umfängliche Material zu sichten, ist un: so schwieriger, als

fl Dieselben heißen Koralek bezw. (Mehrzahl:) Koralky, wohl
aus dem Grunde, weil die korallrothen Kügelchen besonders bevor-
zugt find.

88. von einem slowakischen Kopftuch, mit weißer Seide auf Leinwand
gestickt; \7. Sahrh.
ca. V4 der wirkl. Größe.

Zeitschrift des bayer. Runstgewerbe-vereins München

*896. Heft 7. (Bg. 2.)
 
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