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Holzschnitte und Kupferstiche in's Auge fassen würden, In
ihnen erst erkennen wir Dürer als den echten Künstler
des Hauses und als ein beachtenswerthes Vorbild für
das Kunstgewerbe des bürgerlichen Hauses. Auf einer
Anzahl solcher Blätter — ich erwähne hier nur den
hl. Hieronimus v. I. f5p (Holzschnitt) und denselben
Heiligen v. I. s5s(( (Kupferstich), die Herodias von
\5\\ (Holzschnitt), dann die Geburt der Maria aus
dem Marienleben — zeigt uns der Meister Innen-
räume mit einfachen, bescheidenen Möbeln, einer
Bank, einem Tisch, einigen Wandbrettern und Aehn-
lichem. Keines dieser Stiicfe zeigt reichen Zierrath;
eine gefällige Gesammtform ein hübsches Profil bilden
den einzigen Reiz. Ts bedurfte keiner besonderen
Kunstfertigkeit, ein solches Geräthe zu machen. Hier
wird man nur die Frage entgegen halten, weßhalb
ich auf solch bescheidene Stücke Hinweise, während
doch unsere Museen so reich an alten vorzüglichen
Originalen mit Schnitzwerk und Intarsien seien, die
viel eher noch einer Nachahmung würdig wären.
Das fei zugegeben; aber etwas lehren uns diese Holz-
schnitte und Kupferstiche doch, nämlich wie
das Bürgerhaus meublirt war. Wie dieser
echte Künstler des deutschen Hauses die
Innenräume mit bescheidener (Einfachheit
vorsührt, so müssen wir sie uns vorstellen
und nicht, wie sie so häufig unsere Phantasie
mit reichen Prunkkästen, Tredenzschreinen
und Gold- und Silbergeräthen ausstattet.
Das rein decorative Element in Dürer's
kunstgewerblicher Thätigkeit zeigt sich vor
Allem in dem gewaltigen Werk der „Ehren-
pforte" Maximilian's und in den Rand-
zeichnungen zum Gebetbuche Kaiser Maxi-
milian's, welche beide im gleichen Jahre,
f5(5, entstanden. Beide Werke, welche man
gewöhnlich als den Beginn der Renaissance
bei Dürer bezeichnet, bergen eine solche Fülle
von Phantasie in sich, wie kaum ein zweites
Werk ihrer Zeit. Gemahnt auch noch manche
Ranke, mancher Zweig an das verflossene
Jahrhundert, so spricht doch aus dem ganzen
Reichthum der Formen, aus der Eoinposition
der Meister der Renaissance. Die Fülle der
Motive und der Gedanken, der stets
wechselnde Reiz des Ornamentalen
mit dem Figürlichen schließt jede Be-
schreibung aus. In Dürer's kunst-
gewerblicher Thätigkeit sehen wir ein
gewisses schwanken zwischen dem alten
und neuen Stil, spätere Arbeiten zeigen
oft noch gothischen Eharakter, während
frühere schon im Geiste der Renaissance
gestaltet sind. Selbst nach seinen italienischen Reisen kehrt
Dürer noch häufig zu den alten heimischen Formen zurück,
zu einer Zeit, da der Maler Dürer schon voll und ganz
der neuen Zeit angehörte. K
Neben seiner vielseitigen praktischen Thätigkeit möge
hier noch auf die Theorien Dürer's in seiner „Meßkunst"
hingewiesen werden, dem Buche, von dem er behauptet,
X_
daß es nicht allein den Malern zu Gilt geschicht, sondern
auch den Goldschmieden, Bildhauern, Steinmetzen, Schrei-
nern rc." Er gibt uns unter Anderin eine Anleitung zu
Augenblicksdecorationen, etwa eines nach einer Schlacht zu
errichtenden Trophäums oder landwirthschaftlichen Schau-
stücks (Abb. \2\ u. \22). So absonderlich die An-
weisung selbst und auch die beigegebenen Zeichnungen
dünken mögen, so lehren sie uns doch, mit Nachdruck
daraus zu achten, daß das Werk immer vom Geiste
des Zweckes erfüllt werde. Würden dieser Mahnung
stets unsere modernen Handwerker eingedenk sein, so
blieben wir vor manchen, aller Form und Zweck
Hohn sprechenden Schöpfungen verschont. Der be-
lebende Geist des Kunstwerks läßt erst die schöne
Form zur richtigen Geltung kommen.
Wenden wir uns nun zu Holbein. — Holbein
erblickte das Licht der Welt 2\ Jahre später als
Dürer. Hierin ist vor Allem der Unterschied be-
gründet, der sich in den kunstgewerblichen Schöpfungen
der beiden Meister offenbart. Erblicken wir in Dürer
den Reformator, der wohl nach dem Neuen drängt,
aber doch noch theilweise von den Fesseln
des alten Stils gehalten wird, so erscheint
uns Holbein von seinem ersten Auftreten
an als reiner Renaissancekünstler. Bedenken
wir noch, daß Holbein in früher Jugend
zu Augsburg lebte, jener Stadt, in die vor
Allem der Geist der Renaissance wie ein
unbezwinglicher Held einzog, so dürfen wir
uns nicht wundern, wenn dieser neue Geist
schon aus den frühsten Werken des Meisters
spricht. Um eine ähnliche Reihenfolge wie
bei der Betrachtung der kunstgewerblichen
Thätigkeit Dürer's einzuhalten, wenden wir
uns zunächst zu den Goldschmiedearbeiten.
Außer einer großen Reihe von einzelnen
Entwürfen sind uns zwei ganze Skizzen-
bücher von Holbein's Hand erhalten, das
eine im Britischen Museum zu London, das
andere iin Museum zu Basel. Darin finden
wir nun Prunkbecher der edelsten Formen
mit köstlichem Zierrath, Schmuckschalen, die
mit den reichen Bechern an Grazie der Ge-
sammtform und an Zierlichkeit der Details
wetteifern. Alle aber atmen den lebens-
lustigen, festlichen Geist der Renaissance.
Nixen, Satyrn, Putten und Genien
müssen dem Künstler dienen und seinen
Gedanken sich unterordnen, um bald
bildnerisch, bald malerisch zu wirken.
Auf die Wirkung scheint Holbein auch
das Hauptgewicht gelegt zu haben,
wenn damit auch nicht gesagt sein
soll, er habe etwa den Zweck des einzelnen Gegenstandes
außer Acht gelassen. „Ini Gegentheil," sagt Woltinann
(mit den Worten Semper's, Stil II, 5. 85), „Holbein's
Gefäße kommen nicht in Gefahr, zu verrathen, nur zum
Zwecke der darauf angebrachten malerischen oder bild-
nerischen Kunst gemacht zu sein, wie so manche heutige
Prachtstücke, wie fast Alles, was sinnreich sein wollende, in
u. ;22. Vorschläge Dürer's zu Augenblicks-
Decorationen.
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Holzschnitte und Kupferstiche in's Auge fassen würden, In
ihnen erst erkennen wir Dürer als den echten Künstler
des Hauses und als ein beachtenswerthes Vorbild für
das Kunstgewerbe des bürgerlichen Hauses. Auf einer
Anzahl solcher Blätter — ich erwähne hier nur den
hl. Hieronimus v. I. f5p (Holzschnitt) und denselben
Heiligen v. I. s5s(( (Kupferstich), die Herodias von
\5\\ (Holzschnitt), dann die Geburt der Maria aus
dem Marienleben — zeigt uns der Meister Innen-
räume mit einfachen, bescheidenen Möbeln, einer
Bank, einem Tisch, einigen Wandbrettern und Aehn-
lichem. Keines dieser Stiicfe zeigt reichen Zierrath;
eine gefällige Gesammtform ein hübsches Profil bilden
den einzigen Reiz. Ts bedurfte keiner besonderen
Kunstfertigkeit, ein solches Geräthe zu machen. Hier
wird man nur die Frage entgegen halten, weßhalb
ich auf solch bescheidene Stücke Hinweise, während
doch unsere Museen so reich an alten vorzüglichen
Originalen mit Schnitzwerk und Intarsien seien, die
viel eher noch einer Nachahmung würdig wären.
Das fei zugegeben; aber etwas lehren uns diese Holz-
schnitte und Kupferstiche doch, nämlich wie
das Bürgerhaus meublirt war. Wie dieser
echte Künstler des deutschen Hauses die
Innenräume mit bescheidener (Einfachheit
vorsührt, so müssen wir sie uns vorstellen
und nicht, wie sie so häufig unsere Phantasie
mit reichen Prunkkästen, Tredenzschreinen
und Gold- und Silbergeräthen ausstattet.
Das rein decorative Element in Dürer's
kunstgewerblicher Thätigkeit zeigt sich vor
Allem in dem gewaltigen Werk der „Ehren-
pforte" Maximilian's und in den Rand-
zeichnungen zum Gebetbuche Kaiser Maxi-
milian's, welche beide im gleichen Jahre,
f5(5, entstanden. Beide Werke, welche man
gewöhnlich als den Beginn der Renaissance
bei Dürer bezeichnet, bergen eine solche Fülle
von Phantasie in sich, wie kaum ein zweites
Werk ihrer Zeit. Gemahnt auch noch manche
Ranke, mancher Zweig an das verflossene
Jahrhundert, so spricht doch aus dem ganzen
Reichthum der Formen, aus der Eoinposition
der Meister der Renaissance. Die Fülle der
Motive und der Gedanken, der stets
wechselnde Reiz des Ornamentalen
mit dem Figürlichen schließt jede Be-
schreibung aus. In Dürer's kunst-
gewerblicher Thätigkeit sehen wir ein
gewisses schwanken zwischen dem alten
und neuen Stil, spätere Arbeiten zeigen
oft noch gothischen Eharakter, während
frühere schon im Geiste der Renaissance
gestaltet sind. Selbst nach seinen italienischen Reisen kehrt
Dürer noch häufig zu den alten heimischen Formen zurück,
zu einer Zeit, da der Maler Dürer schon voll und ganz
der neuen Zeit angehörte. K
Neben seiner vielseitigen praktischen Thätigkeit möge
hier noch auf die Theorien Dürer's in seiner „Meßkunst"
hingewiesen werden, dem Buche, von dem er behauptet,
X_
daß es nicht allein den Malern zu Gilt geschicht, sondern
auch den Goldschmieden, Bildhauern, Steinmetzen, Schrei-
nern rc." Er gibt uns unter Anderin eine Anleitung zu
Augenblicksdecorationen, etwa eines nach einer Schlacht zu
errichtenden Trophäums oder landwirthschaftlichen Schau-
stücks (Abb. \2\ u. \22). So absonderlich die An-
weisung selbst und auch die beigegebenen Zeichnungen
dünken mögen, so lehren sie uns doch, mit Nachdruck
daraus zu achten, daß das Werk immer vom Geiste
des Zweckes erfüllt werde. Würden dieser Mahnung
stets unsere modernen Handwerker eingedenk sein, so
blieben wir vor manchen, aller Form und Zweck
Hohn sprechenden Schöpfungen verschont. Der be-
lebende Geist des Kunstwerks läßt erst die schöne
Form zur richtigen Geltung kommen.
Wenden wir uns nun zu Holbein. — Holbein
erblickte das Licht der Welt 2\ Jahre später als
Dürer. Hierin ist vor Allem der Unterschied be-
gründet, der sich in den kunstgewerblichen Schöpfungen
der beiden Meister offenbart. Erblicken wir in Dürer
den Reformator, der wohl nach dem Neuen drängt,
aber doch noch theilweise von den Fesseln
des alten Stils gehalten wird, so erscheint
uns Holbein von seinem ersten Auftreten
an als reiner Renaissancekünstler. Bedenken
wir noch, daß Holbein in früher Jugend
zu Augsburg lebte, jener Stadt, in die vor
Allem der Geist der Renaissance wie ein
unbezwinglicher Held einzog, so dürfen wir
uns nicht wundern, wenn dieser neue Geist
schon aus den frühsten Werken des Meisters
spricht. Um eine ähnliche Reihenfolge wie
bei der Betrachtung der kunstgewerblichen
Thätigkeit Dürer's einzuhalten, wenden wir
uns zunächst zu den Goldschmiedearbeiten.
Außer einer großen Reihe von einzelnen
Entwürfen sind uns zwei ganze Skizzen-
bücher von Holbein's Hand erhalten, das
eine im Britischen Museum zu London, das
andere iin Museum zu Basel. Darin finden
wir nun Prunkbecher der edelsten Formen
mit köstlichem Zierrath, Schmuckschalen, die
mit den reichen Bechern an Grazie der Ge-
sammtform und an Zierlichkeit der Details
wetteifern. Alle aber atmen den lebens-
lustigen, festlichen Geist der Renaissance.
Nixen, Satyrn, Putten und Genien
müssen dem Künstler dienen und seinen
Gedanken sich unterordnen, um bald
bildnerisch, bald malerisch zu wirken.
Auf die Wirkung scheint Holbein auch
das Hauptgewicht gelegt zu haben,
wenn damit auch nicht gesagt sein
soll, er habe etwa den Zweck des einzelnen Gegenstandes
außer Acht gelassen. „Ini Gegentheil," sagt Woltinann
(mit den Worten Semper's, Stil II, 5. 85), „Holbein's
Gefäße kommen nicht in Gefahr, zu verrathen, nur zum
Zwecke der darauf angebrachten malerischen oder bild-
nerischen Kunst gemacht zu sein, wie so manche heutige
Prachtstücke, wie fast Alles, was sinnreich sein wollende, in
u. ;22. Vorschläge Dürer's zu Augenblicks-
Decorationen.