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zeigt sich die Fortbildung des
architektonischen Rahmens
in densogenanntenpaffions-
zeichnungen im Museum
zu Basel, die sich auf den
ersten Blick ebenfalls als
Entwürfe für Glasgemälde
zu erkennen geben. f}ter
führt der Künstler fast un-
merkbar die Architektur des
Rahmens in die Architektur
der Scenerie hinüber und
vermeidet eine gewisse Eintönigkeit, die sich bei einein
einfachen Rahmenschmuck der einzelnen Scenen, selbst
bei ganz verschiedenartiger Behandlung desselben, gewiß
ergeben hätte. Besonders beachtenswertst erscheint es, daß
bei diesen Entwürfen der porizont ganz am untern Rand
des Bildes oder auch unterhalb desselben liegt, wodurch
polbein, wohl mit Anlehnung an Mantegna, dem niederen
Standpunkte des Beschauers Rechnung tragen wollte. Der
wohlbewußten Anwendung der Perspective zeigt sich Pol-
bein vornehntlich in der Fa^aden- uitd Decorationsmalerei
perr.
Mir dürfen uns die deutschen Decorationsmaler des
f5. und f6. Jahrhunderts nicht etwa wie jene Italiens
als Künstler, sondern vielmehr als Handwerker vorstellen;
wie wenig die Fagadenmalerei zu polbein's Zeiten in
Ansehen stand, ist aus einem Schreiben des Baseler Raths
an diesen Künstler vom Jahre s538 ersichtlich, worin es
heißt, seine (polbein's) Kunst sei doch noch mehr werth,
als sie an alte päuser und
Mauern zu verschwenden.
Polbein aber dachte anders
und erhob dieses pandwerk
zur Kunst. Leider ist auch
nicht eine dieser Fagaden er-
halten. Nur wenige Zeich-
nungen berichten von ver-
gangener Pracht, polbein's
früheste Arbeit dieser Art war
die Bemalung des perten-
stein'schen pauses in Luzern,
das erst im Jahrs ab-
gebrochen wurde. Allgemein
bekannt ist die reiche, nament-
lich durch ihre vortreffliche
Perspective beachtenswerthe
Fagadenmalerei des pauses
zum Tanz in Basel. Gegen-
über dem pertenstein'schen
Pause, das eine Reihe figürlicher Scenen ohne besondere
architektonische Motive vorführt, entfaltet der Meister an
der Fa^ade des pauses zum Tanz eine reiche Palastarchi-
tektur. Bei Weitem das Großartigste, was Polbein in
der Decorationsmalerei des großen Stiles leistete, war die
Ausschmückung des Rathhaussaales zu Basel. Sie be-
handelte Scenen aus der Geschichte Roins und aus der
hl. Schrift. Aus den uns noch erhaltenen Skizzen können
wir noch Schlüffe auf die Wirkung des ganzen Saales
ziehen, die uns berechtigen, diefe gewaltige Leistung „der
Idee nach", wie Woltmann
sagt, „über ähnliche Werke
eines Lionardo oder Michel
Angelo zu stellen". „Diese
Rathhausbilder", fährt er
fort, „sind das erste und
größte Beispiel echter histo-
rischer Malerei in der
deutschen Kunst und nicht
nur eine künstlerische, son-
dern auch eine sittliche
That."
Auch in England beschäftigte sich Polbein mit deco-
rativer Malerei. Er malte für die Kaufleute der Stadt
London einen Saal der Gildhalle aus mit einem Triumph
der Armuth und des Reichthums. Die Bilder, in Tempera
auf Leinwand gemalt, sind verschollen. Eine im Louvre
aufbewahrte Zeichnung davon läßt wiederum klar den
Einfluß Mantegna's erkennen. Ein anderes, für white-
hall gemaltes Bild decorativer Art stellte peinrich VIII.,
feine Eltern und die Jans Seymour dar; es ging bei
einem Brande zu Grunde. Bon decorativen Malereien
polbein's haben sich nur die gemalte Tischplatte in der
Züricher Bibliothek um s5s5, das Aushängeschild eines
Schulmeisters vom Jahre fSsS und die freilich sich über
Decorationsmalerei im allgemeinen Sinne weit überhebenden
Orgelthüren des Baseler Münsters erhalten. Leider haben
die originelle Tischplatte und namentlich die Orgelthüren
durch Uebermalung gelitten. Letztere aber lassen noch
deutlich die für den Beschauer berechnete Perspective —
der porizont liegt etwas unter
dem Rande der Bilder —
erkennen (Abb. \27).
Wie reich an architek-
tonischen Motiven uns auch
polbein in seinen päuser-
fagaden und an anderen
Orten entgegentritt, so wenig
besitzen wir Entwürfe rein
architektonischer Decorations-
stücke, wie etwa von Möbeln,
Portalen o. A. Das pervor-
ragendste ist unstreitig der
allbekannte Entwurf zu einem
Prachtkamin, der wahrschein-
lich in einem Palaste pein-
rich's VIII. zur Aufstellung
gelangen sollte. Kaum ein
zweiter Entwurf eines alten
Meisters wurde in Folge
seines Reichthums von Motiven so häufig bei modernen
Tompositionen, besonders der Kunstschreinerei, zu Rathe
gezogen als dieser Kamin. Man sollte glauben, daß ein
Künstler wie polbein mit solch' hervorragendem architek-
tonischen Können auch für die Möbel des pofes Ent-
würfe verfertigt hätte; doch spricht der Umstand, daß keine
derartigen Zeichnungen sich erhalten haben, gegen diese
Annahme. Wie polbein sich die Möbel dachte, können
wir nur aus den Bildern seines „Todestanzes" und des
„Alten Testamentes" entnehmen. Biel weniger als bei
(2^. Xladj Holbein.
ksssi® II®
H26. Skizze zu einer ffagadenmalerei von Holbein.
\25. Nach Holbein.
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zeigt sich die Fortbildung des
architektonischen Rahmens
in densogenanntenpaffions-
zeichnungen im Museum
zu Basel, die sich auf den
ersten Blick ebenfalls als
Entwürfe für Glasgemälde
zu erkennen geben. f}ter
führt der Künstler fast un-
merkbar die Architektur des
Rahmens in die Architektur
der Scenerie hinüber und
vermeidet eine gewisse Eintönigkeit, die sich bei einein
einfachen Rahmenschmuck der einzelnen Scenen, selbst
bei ganz verschiedenartiger Behandlung desselben, gewiß
ergeben hätte. Besonders beachtenswertst erscheint es, daß
bei diesen Entwürfen der porizont ganz am untern Rand
des Bildes oder auch unterhalb desselben liegt, wodurch
polbein, wohl mit Anlehnung an Mantegna, dem niederen
Standpunkte des Beschauers Rechnung tragen wollte. Der
wohlbewußten Anwendung der Perspective zeigt sich Pol-
bein vornehntlich in der Fa^aden- uitd Decorationsmalerei
perr.
Mir dürfen uns die deutschen Decorationsmaler des
f5. und f6. Jahrhunderts nicht etwa wie jene Italiens
als Künstler, sondern vielmehr als Handwerker vorstellen;
wie wenig die Fagadenmalerei zu polbein's Zeiten in
Ansehen stand, ist aus einem Schreiben des Baseler Raths
an diesen Künstler vom Jahre s538 ersichtlich, worin es
heißt, seine (polbein's) Kunst sei doch noch mehr werth,
als sie an alte päuser und
Mauern zu verschwenden.
Polbein aber dachte anders
und erhob dieses pandwerk
zur Kunst. Leider ist auch
nicht eine dieser Fagaden er-
halten. Nur wenige Zeich-
nungen berichten von ver-
gangener Pracht, polbein's
früheste Arbeit dieser Art war
die Bemalung des perten-
stein'schen pauses in Luzern,
das erst im Jahrs ab-
gebrochen wurde. Allgemein
bekannt ist die reiche, nament-
lich durch ihre vortreffliche
Perspective beachtenswerthe
Fagadenmalerei des pauses
zum Tanz in Basel. Gegen-
über dem pertenstein'schen
Pause, das eine Reihe figürlicher Scenen ohne besondere
architektonische Motive vorführt, entfaltet der Meister an
der Fa^ade des pauses zum Tanz eine reiche Palastarchi-
tektur. Bei Weitem das Großartigste, was Polbein in
der Decorationsmalerei des großen Stiles leistete, war die
Ausschmückung des Rathhaussaales zu Basel. Sie be-
handelte Scenen aus der Geschichte Roins und aus der
hl. Schrift. Aus den uns noch erhaltenen Skizzen können
wir noch Schlüffe auf die Wirkung des ganzen Saales
ziehen, die uns berechtigen, diefe gewaltige Leistung „der
Idee nach", wie Woltmann
sagt, „über ähnliche Werke
eines Lionardo oder Michel
Angelo zu stellen". „Diese
Rathhausbilder", fährt er
fort, „sind das erste und
größte Beispiel echter histo-
rischer Malerei in der
deutschen Kunst und nicht
nur eine künstlerische, son-
dern auch eine sittliche
That."
Auch in England beschäftigte sich Polbein mit deco-
rativer Malerei. Er malte für die Kaufleute der Stadt
London einen Saal der Gildhalle aus mit einem Triumph
der Armuth und des Reichthums. Die Bilder, in Tempera
auf Leinwand gemalt, sind verschollen. Eine im Louvre
aufbewahrte Zeichnung davon läßt wiederum klar den
Einfluß Mantegna's erkennen. Ein anderes, für white-
hall gemaltes Bild decorativer Art stellte peinrich VIII.,
feine Eltern und die Jans Seymour dar; es ging bei
einem Brande zu Grunde. Bon decorativen Malereien
polbein's haben sich nur die gemalte Tischplatte in der
Züricher Bibliothek um s5s5, das Aushängeschild eines
Schulmeisters vom Jahre fSsS und die freilich sich über
Decorationsmalerei im allgemeinen Sinne weit überhebenden
Orgelthüren des Baseler Münsters erhalten. Leider haben
die originelle Tischplatte und namentlich die Orgelthüren
durch Uebermalung gelitten. Letztere aber lassen noch
deutlich die für den Beschauer berechnete Perspective —
der porizont liegt etwas unter
dem Rande der Bilder —
erkennen (Abb. \27).
Wie reich an architek-
tonischen Motiven uns auch
polbein in seinen päuser-
fagaden und an anderen
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besitzen wir Entwürfe rein
architektonischer Decorations-
stücke, wie etwa von Möbeln,
Portalen o. A. Das pervor-
ragendste ist unstreitig der
allbekannte Entwurf zu einem
Prachtkamin, der wahrschein-
lich in einem Palaste pein-
rich's VIII. zur Aufstellung
gelangen sollte. Kaum ein
zweiter Entwurf eines alten
Meisters wurde in Folge
seines Reichthums von Motiven so häufig bei modernen
Tompositionen, besonders der Kunstschreinerei, zu Rathe
gezogen als dieser Kamin. Man sollte glauben, daß ein
Künstler wie polbein mit solch' hervorragendem architek-
tonischen Können auch für die Möbel des pofes Ent-
würfe verfertigt hätte; doch spricht der Umstand, daß keine
derartigen Zeichnungen sich erhalten haben, gegen diese
Annahme. Wie polbein sich die Möbel dachte, können
wir nur aus den Bildern seines „Todestanzes" und des
„Alten Testamentes" entnehmen. Biel weniger als bei
(2^. Xladj Holbein.
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H26. Skizze zu einer ffagadenmalerei von Holbein.
\25. Nach Holbein.
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