Bd. VI. <=>••<=?••<=>•• Bläffer für Gemäldekunde. <=»•• <==>••(==>•• Seife 75
Selbif die Knfje krümmt den Rücken;
Zwar vor lolchen Feindes Tücken
Schüfjt ein raicfter Flügelfchlag,
Und ein Engel iü Ja wach.
Aber auch die Engel Ichlafen,
Und, will Soft am ffärkffen ftrafen,
Zeigt der Feind geflügelt lieh;
Täubchen, Täubchen, hüte dich."
Grillparzer fafjf den fachlichen Inhalt des
Gemäldes in freier dichterischer Weife an.
Keine Spur von Beschreibung, fondern eine
neckiSche Umschreibung der Darstellung. Von
den Dingen, die der Dichter anführt, find
nicht einmal alle auf dem Bild zu finden;
kein Adler, Falke, Sperber, Weih. Dur das
Täubchen, Seine „holde Schüßerin" und
die Kaße find da. Es iff bemerkenswert,
wie bei der Vergleichung von Gedicht und
Bild Sogleich der einschneidende Gegenfaß
im WeSen der genannten KünSfe zu Cage
frttt. Die PoeSie macht aus dem Illofiv
der gefährdeten, gefchüßfen Taube VerSe,
die in mannigfacher Weife mit dem Grund»
gedanken Spielen. Der ITlaler muß be-
ffimmferes biefen.:) Und Waldmüller hat,
gewifj ohne zu ahnen, daß der Dichter fein
Werk paraphrafieren werde, einfach ein
fittenbildartig aufgefaßfes Porträt geliefert,
das allerdings in zweiter Linie auch als
Allegorie zu befrachten iff. Daß die „Unfchuld"
Waldmüllers ein Bildnis iff, lagt die be-
ftimmte, in diefem Falle lehr zuverläffige
Ueberlieferung. Ulan weifj es Sicher, daß
die Kleine mit dem Täubchen eine Toch»
ter, beziehungsweife Ziehtochter des Alt»
Wiener Privatgelehrfen und DafurforSchers
A. Rokert iff, in deffen Familie das
Gemälde bis an die jüngffe Zeit heran ver-
blieben iff. Auch die Landschaft wird als
Porträt bezeichnet, wenngleich mit geringerer
Zuverläffigkeif. Eine Gegend bei Steyr in
Oberöff erreich fei als Hintergrund gewählt.
Als A 11 e g o r i e weift das Gemälde ebenfo
deutlich, oder undeutlich, wie ähnliche Dar»
Heilungen auf die U n f ch u 1 d hin. Ein
Hlädchen noch Kind, nahe der Jungfrau,
*) Ha die reichliche üiferafur, die fleh feit G. E.
Reifings kaokoon an die Grenzen der Ulalerei und
Dichtkunff geknüpft hat, wird diesmal nur andeutungs»
weife erinnert.
hält eine Taube. G r e u z e hat in feinem
berühmten Bilde der Wallace=collecfion die
Unfchuld ganz ähnlich zur Darftellung ge»
bracht. Flur hält das Backfifchchen ein Lamm.
Die bekannte Allegorie des Joshua
R e y n o 1 d s iff wefenflich anders aufgefaßf.
Ganz eigenartig iff auch z. B. P u v i s de
Ghavannes in feinem Bilde „L’Inno»
cence".
Zum Stich von Paffini und zum Wald»
müller’fchen Bilde habe ich noch einiges zu
bemerken. Durch einen handschriftlichen
Vermerk bei dem Exemplar, das die Wiener
Hofbibliothek befißt, wird zunächft bestätigt,
daß Rokerfs Ziehtochter auf dem Gemälde
dargeffellf ift. Später wurde fie Frau
Hartmann. Was Rokert betrifft, So war er,
nach der erwähnten handschriftlichen Ein»
fragung Difponent bei (d. i. im Bankhaufe)
Geymüller. Wie ich aus anderen Quellen
entnehme, hafte Rokert anfangs eine Stellung
beim Hofbankier Hl. R. v. Steiner. Dann
privatisierte er. Rokert war eifriger Gemälde»
fammler im Sinne des ITläcens. Denn er
kaufte, wie es in mehreren Fällen lieber»
ffeht, bei den Künftlern felbSf, z. B. 1830,
1831 und 1832 bei Friedrich Gauermann.
(Hierzu Zeitschrift für bildende Kunft XVIII,
S. 182 ff., 252 f.) Adam Brenner, Thom.
Ender, Heinr. Schwemmingen, W. Rieder,
Bi. ßöfel, 3. Axmann, C. Benedefti, IH.
Ranffl, Jof. Höger gehören ebenfalls zu den
Künftlern die durch Rokert beschäftigt wurden.
Sicher nicht zuleßt P. Fendi. Er war für die
Familie tätig und malte u. a. den Kunfffreund
Rokert und deffen Gemahlin. Diefe Bildchen
gelangten ins Hofmufeum. (Abbildungen in
Kunft und Kunffhandwerk 1910.) Bei anderer
Gelegenheit foll von A. Rokert wieder die
Rede fein. Flach einer meiner älteren Flo»
fizen wäre Paffinis Stich nach Waldmüllers :
Unfchuld wieder benüßt worden für das Ta»
fchenbuch „Aglaia" von 1839. Ich konnte
diefe Angabe in neuerer Zeit nicht über»
prüfen.
Endlich fei erwähnt, daß Waldmüllers
Gemälde die kleine Rokert lebensgroß dar»
ffellf. FriSche Gesichtsfarbe. Kleidchen gelb»
lieh. Die Leinwand mißt in der Höhe 1,40
in der Breite 0,96 FSlefer. Die Signatur
und die Jahreszahl 1832 find in die nahe
Selbif die Knfje krümmt den Rücken;
Zwar vor lolchen Feindes Tücken
Schüfjt ein raicfter Flügelfchlag,
Und ein Engel iü Ja wach.
Aber auch die Engel Ichlafen,
Und, will Soft am ffärkffen ftrafen,
Zeigt der Feind geflügelt lieh;
Täubchen, Täubchen, hüte dich."
Grillparzer fafjf den fachlichen Inhalt des
Gemäldes in freier dichterischer Weife an.
Keine Spur von Beschreibung, fondern eine
neckiSche Umschreibung der Darstellung. Von
den Dingen, die der Dichter anführt, find
nicht einmal alle auf dem Bild zu finden;
kein Adler, Falke, Sperber, Weih. Dur das
Täubchen, Seine „holde Schüßerin" und
die Kaße find da. Es iff bemerkenswert,
wie bei der Vergleichung von Gedicht und
Bild Sogleich der einschneidende Gegenfaß
im WeSen der genannten KünSfe zu Cage
frttt. Die PoeSie macht aus dem Illofiv
der gefährdeten, gefchüßfen Taube VerSe,
die in mannigfacher Weife mit dem Grund»
gedanken Spielen. Der ITlaler muß be-
ffimmferes biefen.:) Und Waldmüller hat,
gewifj ohne zu ahnen, daß der Dichter fein
Werk paraphrafieren werde, einfach ein
fittenbildartig aufgefaßfes Porträt geliefert,
das allerdings in zweiter Linie auch als
Allegorie zu befrachten iff. Daß die „Unfchuld"
Waldmüllers ein Bildnis iff, lagt die be-
ftimmte, in diefem Falle lehr zuverläffige
Ueberlieferung. Ulan weifj es Sicher, daß
die Kleine mit dem Täubchen eine Toch»
ter, beziehungsweife Ziehtochter des Alt»
Wiener Privatgelehrfen und DafurforSchers
A. Rokert iff, in deffen Familie das
Gemälde bis an die jüngffe Zeit heran ver-
blieben iff. Auch die Landschaft wird als
Porträt bezeichnet, wenngleich mit geringerer
Zuverläffigkeif. Eine Gegend bei Steyr in
Oberöff erreich fei als Hintergrund gewählt.
Als A 11 e g o r i e weift das Gemälde ebenfo
deutlich, oder undeutlich, wie ähnliche Dar»
Heilungen auf die U n f ch u 1 d hin. Ein
Hlädchen noch Kind, nahe der Jungfrau,
*) Ha die reichliche üiferafur, die fleh feit G. E.
Reifings kaokoon an die Grenzen der Ulalerei und
Dichtkunff geknüpft hat, wird diesmal nur andeutungs»
weife erinnert.
hält eine Taube. G r e u z e hat in feinem
berühmten Bilde der Wallace=collecfion die
Unfchuld ganz ähnlich zur Darftellung ge»
bracht. Flur hält das Backfifchchen ein Lamm.
Die bekannte Allegorie des Joshua
R e y n o 1 d s iff wefenflich anders aufgefaßf.
Ganz eigenartig iff auch z. B. P u v i s de
Ghavannes in feinem Bilde „L’Inno»
cence".
Zum Stich von Paffini und zum Wald»
müller’fchen Bilde habe ich noch einiges zu
bemerken. Durch einen handschriftlichen
Vermerk bei dem Exemplar, das die Wiener
Hofbibliothek befißt, wird zunächft bestätigt,
daß Rokerfs Ziehtochter auf dem Gemälde
dargeffellf ift. Später wurde fie Frau
Hartmann. Was Rokert betrifft, So war er,
nach der erwähnten handschriftlichen Ein»
fragung Difponent bei (d. i. im Bankhaufe)
Geymüller. Wie ich aus anderen Quellen
entnehme, hafte Rokert anfangs eine Stellung
beim Hofbankier Hl. R. v. Steiner. Dann
privatisierte er. Rokert war eifriger Gemälde»
fammler im Sinne des ITläcens. Denn er
kaufte, wie es in mehreren Fällen lieber»
ffeht, bei den Künftlern felbSf, z. B. 1830,
1831 und 1832 bei Friedrich Gauermann.
(Hierzu Zeitschrift für bildende Kunft XVIII,
S. 182 ff., 252 f.) Adam Brenner, Thom.
Ender, Heinr. Schwemmingen, W. Rieder,
Bi. ßöfel, 3. Axmann, C. Benedefti, IH.
Ranffl, Jof. Höger gehören ebenfalls zu den
Künftlern die durch Rokert beschäftigt wurden.
Sicher nicht zuleßt P. Fendi. Er war für die
Familie tätig und malte u. a. den Kunfffreund
Rokert und deffen Gemahlin. Diefe Bildchen
gelangten ins Hofmufeum. (Abbildungen in
Kunft und Kunffhandwerk 1910.) Bei anderer
Gelegenheit foll von A. Rokert wieder die
Rede fein. Flach einer meiner älteren Flo»
fizen wäre Paffinis Stich nach Waldmüllers :
Unfchuld wieder benüßt worden für das Ta»
fchenbuch „Aglaia" von 1839. Ich konnte
diefe Angabe in neuerer Zeit nicht über»
prüfen.
Endlich fei erwähnt, daß Waldmüllers
Gemälde die kleine Rokert lebensgroß dar»
ffellf. FriSche Gesichtsfarbe. Kleidchen gelb»
lieh. Die Leinwand mißt in der Höhe 1,40
in der Breite 0,96 FSlefer. Die Signatur
und die Jahreszahl 1832 find in die nahe